von: PD/Redaktion
29. April 2021
© Heinrich von Kleist, Reproduktion einer Illustration von Peter Friedel, die der Dichter 1801 für seine Verlobte Wilhelmine von Zenge anfertigen ließ
„Kleist – der letzte Akt“ von Ulrich Land, Kameru Verlag, ISBN 978-3-906082-79-0, 2021
Am 21. November 1811 hat sich Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist am Stolper Loch, (heute Kleiner Wannsee, Berlin), erschossen, nachdem er zuerst seine Geliebte Henriette Vogel mit ihrem Einverständnis erschoss und dann sich selbst tötete. Henriette Vogel bat um eine gemeinsame Bestattung »in der sicheren Burg der Erde«. Da der Suizid damals gesellschaftlich und kirchlich geächtet war, hatte man Kleist und Henriette Vogel am Ort ihres Selbstmordes begraben. Ihnen blieb ein Grab auf einem Friedhof verwehrt. ABER: Wie kam es überhaupt zu diesem Suizid? Was trieb den Dichter von Kleist dazu? Oder aber war es vielleicht am Ende gar kein Selbstmord? Mit diesem Fragen beschäftigt sich Ulrich Land in seinem Roman »Kleist – der letzte Akt«. Leseprobe als Lesung: https://www.facebook.com/kameruverlag/videos/222858775591171
Fazit von Urs Heinz Aerni: Drive, Ironie, gute Recherche, mit unterhaltsamem Lesesog!
Geboren 1956 in Köln, arbeitet Ulrich Land seit 1987 als freier Autor. Sowohl in seinen Radiosendungen als auch in den Romanen lotet er mit Vorliebe die Ränder des süßen Grauens und skurrile Alltagsereignisse aus. Krisen und Katastrophen, Süchte und Sehnsüchte, Tod und Teufel.
Bislang veröffentlichte er neun Romane, u.a.: „Und die Titanic fährt doch“, „Messerwetzen im Team Shakespeare“, „Lolitas späte Rache“ und „Hölderlins Filmriss“ (2019). Ansonsten schreibt er Lyrik, Prosa, Essays und hat als Rundfunkautor über 40 Hörspiele und mehr als 100 Radiofeatures bei verschiedenen ARD-Sendern veröffentlicht. Außerdem zahlreiche Beiträge in Anthologien, und er hat mehrere Bücher, Literaturzeitschriften und Anthologien herausgegeben. Zudem arbeitet er als Moderator von Literaturveranstaltungen und als Dozent für Creative Writing u. a. an der Universität Witten/Herdecke. Seine Publikationen wurden unter anderem als Hörspiel des Monats ausgezeichnet und mit dem Kölner Medienpreis, dem Journalistenpreis der Metropole Ruhr und mit zahlreichen Stipendien bedacht. Ulrich Land lebt und arbeitet in Freiburg.
«Der Vater ist der Vater – Zu Heinrich von Kleists unwahrscheinlichen Wahrhaftigkeiten» von Markus Bundi, Limbus Verlag, ISBN 978-3-99039-197-6, 2021
Ein Vater, der seine erwachsene Tochter lange, heiß und lechzend küsst? Markus Bundi ist sich sicher: Da steckt mehr dahinter – und sieht sich veranlasst, Heinrich von Kleists Novelle Die Marquise von O…. neu zu lesen. Dabei geht es natürlich auch um den berühmtesten Gedankenstrich der deutschen Literatur, um jene Auslassung, die bislang als Platzhalter für die Vergewaltigung und Schwängerung der ohnmächtigen Marquise durch einen russischen Offizier galt. Aber vielleicht war alles ganz anders? Raffiniert legt Bundi dar, wie sehr Kleist in seinen Anekdoten auf »unwahrscheinliche Wahrhaftigkeiten« aus war – und eben das nacherzählte, was nicht sein konnte, nicht sein durfte. So führen die Überlegungen geradewegs zu einem ungeheuerlichen Schluss: dass der Vater der Marquise auch der Vater ihres dritten Kindes ist. Die Marquise von O…. ist also eine Inzest-Geschichte? Dieses Tabu erzeugte nicht nur zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts Abwehrreflexe, Markus Bundis Interpretation ist noch heute eine Provokation … aber eine bestechend gut belegte.
Fazit von Urs Heinz Aerni: Hinter- und tiefgründig, überraschende Thesen aber nicht unnachvollziehbar, literaturwissenschaftlicher und lesefreundlicher Genuss.
Autorentext
Markus Bundi, geboren 1969 in Wettingen, aufgewachsen in Nussbaumen bei Baden. Studierte Philosophie, Neue Deutsche Literatur und Linguistik an der Universität Zürich; arbeitete als Sport- und Kulturredaktor und unterrichtet derzeit an der Alten Kantonsschule Aarau. Veröffentlicht seit 2001 literarische Texte, ist Herausgeber der Werkausgabe Klaus Merz (Haymon Verlag) und der Reihe (Wolfbach Verlag). Letzte Publikationen: Alte Bande, Roman (2019), Begründung eines Sprachraums. Ein Essay zum Werk von Marlen Haushofer (2019) sowie als Herausgeber: Der gute Bruder Ulrich, drei Märchen von Marlen Haushofer (2020)., Der Junge, der den Hauptbahnhof Zürich in die Luft sprengte (2020) und Die letzte Kolonie, Roman (2021)
Quelle: Verlagsinfo / Redaktion / uha