von: Urs Heinz Aerni
11. März 2019
© Markus Rüeger von Urs Heinz Aerni
Urs Heinz Aerni: Beim Erleben Ihrer Musik wähnt man sich irgendwie auf einer Felsklippe mit freier Sicht aufs Meer aber auch in den Gedanken, dass was gehen muss, in dieser Gesellschaft. Sie engagieren sich musikalisch für die Sensibilisierung gegenüber unserer Umwelt. Gelingt es?
Markus Rüeger: Ich möchte da präzisieren, die meisten Menschen die ich kenne sind sich sehr klar, dass es der Natur schlecht geht und alles Leben auf diesem Planeten in Gefahr ist. Ich versuche vielmehr mich über die Musik mit der Natur zu verbinden, in meinen Songs die Schönheit, die Kraft und die Vielfalt der Natur auszudrücken. Ich will den Menschen sagen, seht wir können uns mit der Natur verbinden, wir sind selber Natur, wir müssen sie nicht bekämpfen!
Aerni: Ihr Sound lehnt sich an Folk und Rock, den wir aus der Zeit Woodstocks kennen. Was ermöglicht diese Art von Musik im Unterschied zu anderen Gattungen wie Jazz oder Hip Hop?
Rüeger: Ich habe diese Stilart nicht so bewusst gewählt, sie war angelegt in mir. Ich habe als Kind in einem Bergtal im Glarnerland am Bach, im Wald und am Wasserfall vor mich hingesungen. Das ist einfach aus mir herausgebrochen und erst später habe ich entdeckt, dass in vielen Folktraditionen solche Art von Gesängen heimisch sind. Es geht dabei immer um diese innere Verbindung, die mir als Mensch schlussendlich das Gefühl gibt, ich bin nicht allein, ich bin mit mir verbunden. Wie viele von euch kennen das wohl, man muss als Kind in den dunklen Keller steigen um etwas zu holen und beginnt in der Dunkelheit zu singen, um sich selber Mut zu machen und sich nicht einsam zu fühlen: etwa darum geht es in unseren Songs!
Aerni: Inhalte und Texte spielen eine tragende Rolle in Ihrer Musik. Wie entsteht eine Komposition, generiert der Text die Melodie oder umgekehrt?
Rüeger: Na meistens drückt da so etwas in mir, ein Thema, ein Bild das nach einem Namen ruft. Das muss ich dann eine Weile mit mir rumtragen, manchmal verliert es sich und kommt dann wieder. Spaziergänge in der Natur, klimpern auf der Gitarre und plötzlich stülpt sich eine Melodie aus mir raus, dann hopst ein Rhythmus daher und dann beginnt das alles wie irre miteinander zu tanzen und dann spiele ich damit, feile ein bisschen, lade andere zum mitspielen ein.
Aerni: … also keine Routine?
Rüeger: Es ist jedesmal ein faszinierender Prozess und ich weiss nie was rauskommt, weil nicht nach einem Konzept arbeite sondern einfach den Raum für eine neue Erfahrung schaffe.
Aerni: Sie spielen auch an Klima-Demos und ähnlichen Veranstaltungen. Was fordern Sie durch Ihr künstlerisches Schaffen von der Gesellschaft konkret?
Rüeger: Als erstes fordere ich, macht die Augen auf, schaut hin wo wir angelangt sind, verbindet euch, geht aufeinander zu und redet so miteinander über die Situation als wäre jemand von eurer Familie schwer erkrankt. Hört auf mit gegenseitigen Vorwürfen, aber nehmt die Situation als Notfall mit erster Priorität.
Aerni: Aber wo beginnt man damit?
Rüeger: Öffnet die Ohren! Hört in euch hinein. Verlangsamt und entstresst euch – wenn ihr nach Lösungen sucht muss die Natur im Fokus sein! Wie können wir sie als unsere Lebensgrundlage heilen. Vergeudet keine Energie mehr damit, in erster Linie nach Energiequellen zu suchen, die unsere jetzige Lebensform retten könnten, sondern passt den Lebensstil der Natur an.
Aerni: Unter uns, denken Sie auch mal an Songs, die sich einfach nur um die Liebe drehen?
Rüeger: Meine Songs drehen sich in erster Linie um Liebe; Liebe an das Wunder Leben, Liebeslieder für die Erde, Liebeslieder für Eisbären, Esel und … Menschen! Ohne die Liebe zu meiner Frau, ohne die Liebe zu meinen Kindern, meiner Familie und meinen Freunden wäre unsere Musik eine Hülse ohne Fleisch und Blut. Ich hoffe man findet die Liebe in meinen Songs in ihrer Vielschichtigkeit, vermutlich aber nicht in der Reizwäsche von Herzschmerz und ewigen Sehnsuchtsprojektionen.Im übrigen vermeide ich bewusst Zynismus und Hass in meinen Songs, damit man sich ihnen beim hinhören auch wirklich öffnen kann.
Aerni: Kommen wir nochmals zurück zu Ihren gesellschaftlichen Anliegen, in dem Sie sich für ein Umdenken engagieren in Sachen Verschmutzung, Klimawandel und Artensterben. Was meinen Sie, an welchen Stellen hat die Zivilisation, was diese Themen angeht, versagt?
Rüeger: Ich denke, das Problem ist unser über die Jahrtausende gewachsene Konkurrenz und Kampfverhalten, das uns davon abhält in unsere Mitmenschen, aber auch in die Natur zu vertrauen. Kampf und Konkurrenz verengt den Blick auf Ziele, die zu erreichen sind und verweigert sich der Präsenz im Augenblick, wo es darum geht zu sehen, was ist da in meiner Umgebung, was wächst da – ohne mein dazutun. Dieses Kampfverhalten hat uns zwar weit gebracht in Sachen materiellem Wohlstand, aber jetzt wo wir auf gegenseitiges Vertrauen und Kooperation angewiesen wären ist Ende der Fahnenstange. Die Lösungsstrategie der Grossmächte und der Weltkonzerne ist aufrüsten und noch mehr Kontrolle, Macht und Zerstörung.
Aerni: Was raten Sie Ihren Zuhörerinnen und Zuhörern, die was unternehmen wollen? Wo sollen wir ansetzen?
Rüeger: Verbindet und verbündet euch, sucht in euch und im Gegenüber was stark, gesund und schön ist und wertschätzt euch darin. Schaut auf euch als ein Stück Natur, als ein Biotop das dadurch stärker wird, dass es in seinen Verschiedenheiten kooperiert. Vereinfacht und verlangsamt euer Leben und werdet neugierig. Lasst eure Ohren wachsen und hört auf den Wind, eure Intuition, eure Kreativität – so werden wir freier von unseren Konsum-Zwängen.Hinterfragt miteinander alte Verhaltensmuster und schreibt eine neue Geschichte, gar Weltgeschichte.
Aerni: Wenn ich Ihre CD in meiner Sammlung unter der richtigen Musikgattung einordnen möchte, wie müsste diese heißen?
Rüeger: Singer/Songwriter & Weltmusik wäre wohl die richtige Schublade, irgendwo da wo Du schon den Peter Gabriel, die Mari Boine, die Buffy Saint-Mary, Tracey Chapman, Mirjam Makeba, Christy Moore, Luka Bloom und viele andere hingepackt hast – wir sind ja bei weitem nicht die Einzigen, die sich mit Musik für diesen Planeten einsetzen (-: Und um es mit Jimi Hendrix zu sagen: „If there is something to be changed in this world it can only happen with music.“
Markus Rüeger wurde 1956 geboren, komponierte schon im Alter von 16 Jahren, nennt sich ein musikalischer Umweltaktivist und engagiert sich für eine konstruktive Co-Existenz zwischen Mensch und Natur. Aktuell tourt der in Stäfa lebende Musiker mit seiner Band GreenTrees über die Bühnen im Lande, so auch an Anlässen rund um das Thema Klimawandel. Die aktuelle CD „Take this World in your Hands“ kann auch über die Website www.aquarion.ch bestellt werden.