von: Roger Zurbriggen, Neuenkirch
23. Juli 2019
© Roger Zurbriggen in der Natur - Quelle Website Roger Zurbriggen
Für die Grundvorlesung Geologie an der Universität Bern brauchten wir die vierte Ausgabe des amerikanischen Lehrbuches «Earth» von Frank Press and Raymond Siever aus dem Jahre 1986. Unsere Professoren Pfiffner und Matter empfahlen dieses eindrückliche Buch als Standardlehrmittel, weil es auf dem neusten Wissensstand war.
Heute, 33 Jahre später ist die Presse voll mit Beiträgen zum Klimawandel. Und seit Jahren streitet man darüber, ob der Mensch diesen verursacht.
Ich kann mich nicht erinnern, dass zu meinen Studentenzeiten darüber gestritten wurde, weder in den Wissenschaften noch in der Politik. Dieser Streit hat sich erst in den späten Neunzigerjahren in der breiten Öffentlichkeit bemerkbar gemacht.
Also bin ich dieser Tage zu meinem Büchergestell gegangen, nahm «Earth» in meine Hände und begann auf den Seiten 349 und 350 zu lesen. Ich staunte nicht schlecht, was man in einem amerikanischen Lehrbuch der Achziger schon alles wusste, nämlich alles!
Ich möchte ihnen drei Dinge daraus erzählen:
Erstens, man berechnete aufgrund der weltweit zunehmenden Verbrennung von Öl, Gas und Kohle den CO2-Gehalt fürs Jahr 2000 zwischen 0.375 und 0.400 %. Das stimmte sehr genau. Heute, 2019 haben wir in der Atmosphäre bereits einen CO2-Gehalt von 0.410 %. Vor der Industrialisierung, ums Jahr 1850 waren es noch 0.295 %. Diese %-Zahlen können Sie eigentlich gerade wieder vergessen, denn die wichtige Information ist die Berechnungsgrundlage aufgrund des durch den Menschen verbrannten Öls, Gases und Kohle. Da erübrigt sich nämlich die Frage, ob der Mensch der Verursacher ist.
Zweitens, ist bereits im Lehrbuch «Earth» zu lesen, dass wenn der Verbrauch an Erdöl, Gas und Kohle weiter so ansteigen wird, dass wir bis Ende des 21. Jahrhunderts eine Verdoppelung des vorindustriellen CO2-Gehaltes erreicht haben werden. Dies hätte eine globale Erwärmung von 1.5 bis 4.5 °C zur Folge. Das wiederum hätte drastische Auswirkungen auf Klima und Wetterlagen. Klimazonen würden sich verschieben und Stürme würden in Stärke und Häufigkeit zunehmen. Wasservorkommen würden versiegen, was die Landwirtschaft ganzer Regionen in Bedrängnis brächte. 3 bis 4°C Erwärmung hätte einen Meeresspiegelanstieg von 70 cm zur Folge. Press und Siever schreiben: «Large parts of the world’s coastal cities could be flooded, a disaster hard to imagine.» (Frei übersetzt: «Weltweit könnten grosse Teile der Küstenstädte überflutet werden, eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes.»)
Drittens, die Autoren von «Earth» haben diese Berechnungen einer amerikanischen Studie «The Carbon Cycle» aus dem Jahre 1970 entnommen. Das belegt, wie früh man bereits darum wusste.
Die amerikanischen Ölfirmen wussten aber schon in den späten Sechzigerjahren Bescheid. Denn sie wurden von Wissenschaftlern darauf hingewiesen, dass der globale CO2-Ausstoss durch das Verbrennen von Benzin und Öl eine globale Erwärmung mit entsprechenden Folgen mit sich bringen würde. Man sah das eigene Geschäftsmodell direkt bedroht. Die Folge war, dass sich eine Erdöl-Lobby gegen den immer stärker werdenden wissenschaftlichen Konsens formierte. Sie wählte aber die Politik als Streitbühne und zielte auf die Volksmeinung. Das beabsichtigte Resultat ist eine allgemeine Verunsicherung.
Ich vertraue der wütenden Jugend mehr, als einer Lobby, die um ihren Profit und ihre Privilegien fürchtet. Das Problem ist nur, dass meine Ölheizung, meine Autofahrerei, meine Flüge und mein Fleischkonsum mir liebgewonnene Gewohnheiten wurden. Aber langsam vergeht mir die Freude daran.
Neue alte Gewohnheiten sind gefragt, damit wir mit neuer Lust und alter Freude unser Leben genießen können.
Roger Zurbriggen, Neuenkirch (Schweiz)