von: Pro Natura und BirdLife Schweiz
15. August 2020

Trophäenjagd in der Schweiz weiterhin erlaubt

Am 27. September 2020 stimmt die Schweizer Bevölkerung über das neue Jagdgesetz ab. Pro Natura und BirdLife Schweiz engagieren sich zusammen mit WWF Schweiz, Gruppe Wolf Schweiz und zooschweiz im Verein «Jagdgesetz NEIN» gegen dieses Jagdgesetz..
Wir veröffentlichen dazu eine Stellungnahme der Umweltorganisationen Pro Natura und BirdLife Schweiz.

© Pro Natura und BirdLife lehnen diese Revision des Jagdgesetzes ab.

Neuer Aspekt rund um das Jagdgesetz: die Trophäenjagd ist weiterhin erlaubt. Birkhahn, Schneehuhn oder Waldschnepfe können abgeschossen werden. Und in einigen Kantonen auch der Feldhase. JagdSchweiz und Co. bewerben das missratene Gesetz trotzdem mit „mehr Sicherheit für Tiere“. Und ein deutsches Jagd-Reisebüro bewirbt die Steinbock-Trophäenjagd im Wallis mit der Aussage: „Bisher sind noch all unsere Gäste zum Schuss gekommen“.

Birkhahn (Lyrurus tetrix)

Birkhuhn, Copyright Michael Gerber

  • Gemäss «Rote Liste CH»: potentiell gefährdet (Prioritätsart für Artenförderung)
  • Bestand: 12’000 – 16’000 Hähne
  • Nur das Männchen (Birkhahn) ist gemäss gültigem Jagdgesetz jagdbar. 6 Kantone erlauben die Birkhahn-Jagd. Es handelt sich um eine Sportjagd; ein Grund zur Bestandsregulierung besteht nicht.
  • Jährlich werden 400 – 500 Birkhähne erlegt, davon allein über 200 im Kanton VS.
  • Der Kanton VS verkauft Abschusslizenzen an ausländische Jagdtouristen (vermutlich v.a. aus Italien). Gemäss Aussage des Regierungsrats bringt die touristische Jagd auf Raufusshühner (Birkhahn, Schneehuhn) dem Kanton jährlich rund CHF 75´000 Damit wird ein Teil der Kosten der Dienststelle für Jagd und Fischerei gedeckt.
  • Pro geschossener Birkhahn fliessen durchschnittlich CHF 242 in die VS Staatskasse.
  • Die Birkhahnjagd ist im VS Teil der Niederjagd Patent B. Kosten für Walliser: CHF 660, Kosten für Ausländer: CHF 2’620.
  • Pro Tag und Jäger dürfen max. 2, pro Jahr 6 Birkhähne erlegt werden (VS).

Alpenschneehuhn (Lagopus muta)

Alpenschneehuhn, Copyright Rolf und Sales Nussbaumer

  • Rote Liste CH: potentiell gefährdet (Prioritätsart für Artenförderung); starke Abnahme
  • Bestand: ca. 12’000 – 18’000 Brutpaare
  • Beide Geschlechter sind jagdbar. 4 Kantone erlauben die Schneehuhn-Jagd. Es handelt sich um eine reine Sportjagd; ein Grund zur Bestandsregulierung besteht nicht.
  • Jährlich werden ca. 400 Schneehühner erlegt. 120 davon im Kanton VS.
    Der Kanton VS verkauft Abschusslizenzen an ausländische Jagdtouristen. Gemäss Aussage des Regierungsrats bringt die Jagd auf Raufusshühner (Birkhahn, Schneehuhn) dem Kanton jährlich rd. CHF 75’000 ein.
    Pro geschossenes Schneehuhn fliessen durchschnittlich CHF 242 in die VS Staatskasse.
    Pro Tag und Jäger dürfen max. 2, pro Jahr 8 Schneehühner erlegt werden (VS).

Steinbock (Capra ibex)

  • Der Steinbock ist in der Schweiz geschützt und kann nicht regulär bejagt werden. Eine Ausnahme stellt die institutionalisierte «Regulierung» der Bestände unter Aufsicht des Bundes dar.
  • In deren Rahmen werden der Jägerschaft von den Kantonen Abschüsse zugeteilt. Dabei werden auch Steingeissen erlegt.
  • Im Wallis können Schweizer und Ausländer ein Tages­patent lösen, um einen Steinbock zu erlegen. Je nach Horngrösse kostet das zwischen CHF 10’000 – 20’000. Diese Trophäenjagd zielt auf Böcke mit grossem Ge­hörn. Das Fleisch interessiert nicht. In den übrigen Kantonen ist diese Art der Trophäenjagd nicht zuläs­sig.
  • Der Kanton VS kassiert damit CHF 650´000 pro Jahr. Er kooperiert mit Jagdreise-Agenturen, die ihre Klien­ten teils per Helikopter ins Jagdgebiet bringen.
  • Jährlich werden so rd. 100 ältere männliche Tiere erlegt. Dazu kommen gegen 330 von Walliser Jäger­Innen erlegte Steinböcke und -geissen.
  • Am 6.11.2019 gab der Staatsrat bekannt, dass er die Steinbock-Safaris verbieten wolle. Doch mindestens zwei ausländische Anbieter offerieren auch für 2020 Steinbock-Jagdtouren. Darunter auch der deutsche Jagdreisevermittler K&K Premium Jagd. Die Motion 5.0476 im Grossen Rat vom November 2019, welche ein Ende der Trophäenjagd verlangte, ist vom Staatsrat noch immer nicht beantwortet.

Warum ist Trophäenjagd heikel?

Die Jagd auf Raufusshühner und auch auf den Steinbock kann wildbiologisch nicht begründet werden. Birk- und Schneehuhn richten keine Schäden an; Steinböcke minimal. Raufusshühner stehen durch Klimaerwärmung, zunehmende Störungen und Lebensraumverlust (touristische Infrastrukturen) unter Druck; beim Steinbock wird zunehmend die Inzucht in den Kolonien zum Problem. Bejagt werden alle drei Arten einzig aufgrund ihrer Trophäe (Gehörn, Schmuckfedern, ausgestopfter Balg) und der Tradition (v. a. Hühnerjagd mit Vorstehhund). Das kann das Geschlechterverhältnis negativ beeinflussen (Birkhahn), den Verlauf der Brunft und der natürlichen Auslese stören (Steinbock) und Schutz­bemühungen sabotieren (weil bei diesen Tieren jedes lebende Individuum im Bestand zählt). Im Tessin hat der Staatsrat kürzlich eine kantonale Initiative zur Unterschutzstellung des Alpenschneehuhns zur Annahme empfohlen.

Nein, dieses Gesetz ist nicht fortschrittlich

JagdSchweiz und Bauernverband verkaufen den Stimmbürgern das neue Jagdgesetz als «fortschrittlich». Es biete u. a. «mehr Sicherheit für Tier und Mensch». Das sind auch angesichts der nach wie vor zuläs­sigen Trophäenjagd sehr mutige Aussagen.
Die Revision des Jagdgesetzes wäre Gelegenheit gewesen, gefährdete Tierarten, die noch immer bejagt werden können, endlich unter Schutz zu stellen. Diese Chance wurde vertan. Raufusshühner werden in Zukunft durch Klimaerwärmung und Fragmentierung der Lebensräume stärker unter Druck stehen. JägerInnen, die sich auch als Naturschützer verstehen, sagen NEIN am 27. September 2020. Der Verzicht des Parlaments auf eine Unterschutzstellung verletzlicher Arten – bei gleichzeitiger Lockerung des Ab­schusses geschützter Tiere – zeigt: das neue Gesetz ist kein «guter Kompromiss», wie vom Bundesrat kommuniziert.

Weitere Informationen finden Sie hier per Mausklick.

Auskunft

Werner Müller, Birdlife, werner.mueller@birdlife.ch
Urs Leugger, Pro Natura, urs.leugger@pronatura.ch

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