von: Simone Klein
22. Dezember 2016
© Appenzeller Verlag Band 2
Wohl kaum eine Lebensversicherung gilt als so solide wie eine Schweizer Ehe. Entsprechend wohlüberlegt gestaltet sich so manches Trauversprechen. Die Partnerwahl erfolgt nicht selten nach ökonomischen Gesichtspunkten, während die wahre Liebe zumindest von Fall zu Fall auf der Strecke bleibt. Und aus dem Fall der Fälle entwickelt sich im Einzelfall ein Kriminalfall, zumindest in den Köpfen einiger Krimiautoren.
Es sind mehrheitlich Beziehungstaten, die in den 18 Kurzgeschichten des zweiten Sammelbandes „Mord in Switzerland“ den Frieden stören. Doch auch Rachsucht, Habgier und Angst lassen die Protagonisten einen Takt mit dem Teufel eingehen, der vor der Kulisse des jeweiligen Kantons inszeniert wird. Und unabhängig davon, ob die Leichen in Felsspalten, Moorlandschaften oder Tiefkühltruhen verschwinden, ob die Verantwortlichen als Täter oder vielleicht doch eher aus der Opferrolle heraus agieren und ob die Gefahr von einem bedrohlichen Außen oder aus den vertrauten Reihen ausgeht, so erfährt die eidgenössische Idylle in jeder der 18 Geschichten einen Riss.
Gleichsam als Pedant zur Vielfalt der Schweizerischen Landschaft und Kultur präsentieren die Autoren ihre Kurzkrimis in einer ausgeprägten thematischen und sprachlichen Individualität. Dennoch eint sie eine auffallend detaillierte Figurenentwicklung bei der Präsentation ihrer Charaktere. Die Verbrechen geschehen über mehrere Jahrzehnte hinweg, die Konflikte haben ihre Ursachen in unterschiedlichen Traditionen. So fällt eine Handarbeitslehrerin in den frühen siebziger Jahren ihrer eigenen Schrulligkeit ebenso zum Opfer wie ein progressiver Sekundarschul-Pädagoge zu Beginn der Neunziger seinem Leichtsinn. Und ein längst überholter Standesdünkel zerstört eine Familie kein bisschen weniger als das zwanghafte Kontrollverhalten einer klassischen Helikopter-Mutter von heute.
Wer Krimis mag und etwas über das Wesen der 18 von 26 Kantonen in der Schweiz erfahren will, erhält durch die Lektüre von „Mord in Switzerland“ einen gelungenen und vor allen Dingen lesenswerten Eindruck über Landschaft, Leute und die zugehörigen Neurosen. Bleibt zu hoffen, dass „Band 3“ nicht allzu lange auf sich warten lässt und Autoren aus Basel-Stadt, Nidwalden, Waadt & Co. ebenfalls mit ihren Geschichten aufwarten.