von: H. S. Eglund
10. Februar 2021

Tigray: Zankapfel im Norden Äthiopiens

Meldungen über einen Bürgerkrieg beherrschen die Medien. H.S. Eglund kennt das Land und speziell die Region um Aksum sehr gut. Auf einer seiner Reisen sprach er sogar mit dem damaligen äthiopischen Premier Meles Zenawi. Welche Ursachen hat der Konflikt, und wo liegt seine Lösung?

Der Autor im Gespräch mit Meles Zenawi, dem damaligen Premier von Äthiopien und Führer der Tigray. Die Aufnahme entstand 2002 in Addis Abeba. © H.S. Eglund

Trockenes, karges Land, das in weiten Hügeln zur Grenze nach Eritrea ansteigt: Tigray ist die nördlichste Provinz Äthiopiens. Das Terrain bietet kaum fruchtbare Böden, nur dürre Hirse lässt sich hier kultivieren. Klimatisch wird die Region durch die Bruthölle des Roten Meeres dominiert. Und der Gluthauch der Sahara weht vom Südsudan bis zur östlich gelegenen Danakilsenke, die unter dem Meeresspiegel liegt. Hier zu leben, ist richtig hart.

Die Tigray sind ein zäher, sehniger Menschenschlag. Sie sind nicht so dunkel wie die Eritreer, doch kleiner und drahtiger als die Amharen, deren Provinzen sich südlich anschließen bis nach Addis Abeba.

Von den reicheren Provinzen in der Landesmitte oder im Süden ist Tigray durch das äthiopische Hochland getrennt. Wenn Regen fällt, kann der ausgedörrte Boden das Wasser kaum aufnehmen – wie gebrannt ist seine Oberfläche. Selten, sehr selten fällt Regen. Die wenigen Wege und Straßen verwandeln sich innerhalb von Minuten in glitschige Bäche.

Der Konflikt weist weit in die Vergangenheit

Wenn man den Konflikt der Tigray mit der Zentralregierung in Addis Abeba verstehen will, muss man weit zurückreisen. Die Hauptstadt der Provinz ist Mekele, aber historisch wurde die Region von zwei anderen Orten geprägt: In der Spätantike war Aksum die Kapitale des aksumitischen Reiches, in dem Altertumsforscher das sagenhafte Goldland Punt vermuten. Punt war ein magisches Ziel, in das die Pharaonin Hatschepsut eine Expedition schickte. Sie ist in den Wandfriesen im Tal der Könige verewigt.

Und Adua markierte den Beginn des modernen Äthiopiens. Im Jahr 1896 schlug Kaiser Menelik II. mit seinen Lanzenträgern ein gut ausgerüstetes Kolonialkorps der Italiener. Dieser Sieg sicherte Äthiopiens Unabhängigkeit.

Giftgaskrieg der Italiener

Die Italiener hatten zuvor das heutige Eritrea erobert, am südwestlichen Küstenstreifen des Roten Meeres. Von dort wollten sie Italienisch-Ostafrika ausdehnen. Dieser Versuch scheiterte, erst 1936 gelang es Mussolinis Truppen, Äthiopien zu überrennen und Addis Abeba zu nehmen. Der Weg der Armee von General Badoglio war mit Zehntausenden Opfern eines erbarmungslosen Giftgaskrieges gepflastert, der ganze Landstriche entvölkerte.

Der äthiopische Kaiser Haile Selassie – ein Enkel Meneliks – musste nach London fliehen. Tigray wurde Eritrea einverleibt und Teil der italienischen Kolonialdomäne am Roten Meer. Fünf Jahre lang machten sich die Italiener breit, noch heute zeigen ihre Bauten, wie stark sie damals die Provinzen prägten.

Wie die Basken oder die Iren

Haile Selassie kehrte 1941 im Schutz von Montgomerys Desert Rats in seinen Palast zurück. Die Briten warfen die Italiener ins Meer. Nach dem Krieg schlugen die Vereinten Nationen vor, die eritreischen Gebiete – darunter Tigray – in eine Föderation mit Äthiopien einzubringen.

Die äthiopischen Kaiser – auch der letzte unter ihnen: Haile Selassie – gehörten dem Volk der Amharen an. Dieser eher somalisch geprägte Menschentyp stellte während der jahrtausendealten Dynastie – die sich auf Salomo und Königin Saba zurückführte – die äthiopischen Eliten in der Armee, in der Verwaltung und in der Wirtschaft.

Um sich die Verhältnisse vorzustellen, hilft ein Blick in die Geschichte Europas. Eine ähnliche Ambivalenz gibt es zwischen Spaniern und Basken oder zwischen Engländern und Iren.

Dem Kaiser und seinem Hofstaat in Addis Abeba galten die Tigray und die Eritreer als aufmüpfige, schwer zähmbare Untertanen, eine ständige Bedrohung der Verbindungsstraße von Addis nach Massawa, dem Zugang zum Roten Meer. Anders als im Südwesten und Süden des Landes, wo es viele Seen und fruchtbare Böden gibt – sogar Regenwälder –, waren Tigray und Eritrea nur Kostgänger, ständig von Dürren und Hungersnöten bedroht. (gekürzt)

Den vollständigen Artikel lesen Sie im Blog des Autors.

Aksum in der Provinz Tigray ist Schauplatz des neuen Romans Nomaden von Laetoli von H.S. Eglund. Leseproben und Audiofiles finden Sie hier.