von: Urs Heinz Aerni
19. Februar 2013

„Das war für viele Männer zu viel“

Die Verlegerin Yvonne-Denise Köchli feiert 10-jähriges Verlagsjubiläum und rückt die Frau von Sokrates ins rechte Licht

© Quelle: PD

Urs Heinz Aerni: Yvonne-Denise Köchli, Ihr Verlag Xanthippe wird zehn Jahre alt. Gratulation. Vor zehn Jahren wechselten Sie von der Journalistin zur Verlegerin. Was war der Anlass dazu? Die Lust am Risiko?

Yvonne-Denise Köchli: Auch! Sich als Unternehmerin beweisen. Aber der Hauptgrund  war, dass mein einstiger Traumberuf mich nicht mehr erfüllte. Ich hatte ständig das Gefühl des „déjà vu“.

Aerni: Xanthippe war die Ehefrau von Sokrates und eigentlich immer als zänkisch und streitsüchtig beschrieben. Sie sahen das anders und benannten Ihren Verlag nach ihr. Warum?

Köchli: Xanthippe war nicht streitsüchtig, sondern nur sehr klug und inspirierend, das war für viele Männer zu viel, deshalb hat man sie verunglimpft. Die Forschung hat dieses Vorurteil mittlerweile längst revidiert, und nicht nur die feministische, sondern auch der Mainstream der Altphilologen. Aber bei gewissen Leuten ist das noch nicht angekommen.

Aerni: In den vergangenen zehn Jahren erfuhr die Buchbranche riesige Um- und Einbrüche. Wo sahen Sie für sie im kaufmännischen Bereich die größten Herausforderungen?

Köchli: Als ich nach München und Wien expandierte, war es anfänglich extrem schwierig, dort Fuß zu fassen. Und natürlich spüre ich auch, dass es immer mehr Anstrengung erfordert, um von einem Buch nur schon 1500 Exemplare abzusetzen. Und 1500 ist ja finanziell noch lange kein Erfolg.

Aerni: Ursprünglich waren eher Sachthemen, Erfahrungen und Biografien der Programmschwerpunkt. Nun erscheinen immer mehr Romane bei Xanthippe. Was führte zu dieser Programmveränderung?

Köchli: Das ist keine gezielte Schwerpunktverschiebung. Das hat sich dieses Jahr einfach so ergeben. Die journalistischen Sachbücher bleiben wichtig.

Aerni: In der Vergangenheit wurden Literaturinstitute gegründet und Schreibseminare schossen wie Pilze aus dem Boden. Wie sehen Sie die Qualität des Schreibens? Welche Tendenzen in Form und Stil lesen Sie aus der Manuskript-Flut?

Köchli: Gelegentlich wird ja beklagt, dass jetzt alle Jungtalente gleich klingen. Ich sehe das nicht so negativ, ich denke, dass diese Institute durchaus nützlich sein können. Sie sind aber kein „must“.

Aerni: Mit der Sparte E-Book geht Ihr Verlag noch bescheiden um. Kein Thema für Sie?

Köchli: Wir haben im Herbst 2012 die ersten Bücher digitalisiert. Nicht aus Überzeugung, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass man bei dieser Entwicklung dabei sein muss. Geld habe ich damit noch keines verdient.

Aerni: Sie haben mit einigen Leuten vor zehn Jahren gewettet, dass Ihr Verlag diese Zeit überdauert. Würden Sie mit mir um die nächsten zehn Jahre wetten?

Köchli: Als grenzenlose Optimistin: Ja!

Aerni: Zum Schluss: Über was ärgern Sie sich in der Buchbranche immer wieder? Und auf welches anstehende Projekt freuen Sie sich besonders?

Köchli: Ich würde mir manchmal etwas mehr Enthusiasmus wünschen! Und freue mich auf das Firmenjubiläum am 8.April im Zürcher Kunsthaus, das eine ganz hinreißende Veranstaltung werden wird, mit viel Buch und viel Musik.

Die Jubiläumsveranstaltung findet am 8.April, 19.30 Uhr, im Vortragssaal des Zürcher Kunsthauses statt. Sie wird von der Saxophonistin Nicole Johänntgen untermalt. Eintritt frei.

Yvonne-Denise Köchli hat den Xanthippe Verlag im April 2003 gegründet. Davor war sie 15 Jahre Redakteurin bei der «Weltwoche» (1984-1999) und hat vier Jahre als freie Publizistin und als Ghostwriter für Manager und Bundesräte gearbeitet (1999-2003). Die promovierte Germanistin (Themen in der neueren schweizerischen Literatur) ist u. a. Autorin des Bestsellers Eine Frau kommt zu früh (Weltwoche ABC Verlag, 1992) und von Frauen, wollt ihr noch 962 Jahre warten? (Xanthippe Verlag, 2006). Sie lebt im Dreieck von Zürich, München und Wien.