von: Marianne Manzanell
30. Juni 2020
© Eagle & Waterfall Apple
Der Mensch nimmt den Tod nicht mehr als Gott gegeben hin. Wir suchen nach den technischen Ursachen wie Keime, Herzkrankheiten, Krebszellen, Fettablagerungen usw., denn für fast jedes Gesundheitsproblem gibt es eine medizinische Lösung. In den allgemeinen Menschenrechten der Vereinten Nationen steht: Der grundlegendste Wert des Menschen sei das «Recht auf Leben»! Da der Tod gegen dieses Menschenrecht verstösst, ist er ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und muss bekämpft werden, denn das menschliche Leben ist heilig.
Das Sterben wird immer schwieriger und das Dilemma durch die medizinischen Fortschritte immer grösser. Der Schnitter Tod, der uns auf die Schulter klopft und sagt: «Komm mit», ist in die Entwicklungsländer verbannt.
Aus eigener Erfahrung kann ich schildern, wie die erwünschte Beendigung eines langen Leidens im hohen Alter nach einem reich erfüllten Leben in Erfüllung geht. Die meisten Krankhäuser, Pflege- und Altersheime lassen jedoch den Freitod nicht zu. Es muss deshalb ein würdiger Ort gesucht werden, wo dieser letzte Wunsch erfüllt werden kann.
Der Ablauf ist gesetzlich geregelt: Aussichtslosigkeit, Wartefristen, Besprechung mit einer Vertrauensperson der Sterbeinstitution, ärztlicher Bestätigung der Zurechnungsfähigkeit des Sterbewilligen, der mehrfach unterschriftlich vom Patienten bestätigte Sterbewunsch – alles ethisch korrekt und bis ins Detail gesetzlich geregelt.
Bei der Durchführung sieht es dann anders aus. Gesetzlich ist der Freitod ein aussergewöhnlicher Todesfall, der von Polizei und Staatsanwaltschaft wie ein Verbrechen mit Todesfolgen behandelt wird. Die Polizei muss nach dem Tode aufgeboten werden, die Angehörigen werden verhört, der tote Körper wird einer Legalinspektion unterzogen, wobei der ganze Leichnam auf Gewalteinwirkung untersucht werden muss. Das Glas des Todestrankes wird zur forensischen Untersuchung mitgenommen und gegen die Angehörigen, die dem Wunsch des Verstorbenen schweren Herzens nachkamen, wird ein formelles Strafverfahren eröffnet.
Wir sind dankbar, dass der Freitod in der Schweiz erlaubt ist. Doch, wenn alles erlaubt, dokumentiert und von allen Institutionen abgesegnet ist, im Nachhinein am Körper nach einer durchgeführten Gewalteinwirkung zu suchen, traumatisiert die Angehörigen.
Die Spitäler und Pflegeheime, sollten den legal durchgeführten Freitod zulassen. In diesen Institutionen sind Sterbefälle keine Ausnahme und die notwendigen Räume sind vorhanden, sodass auch der letzte Umzug an einen Todesort entfällt.
Die Menschheit strebt nach Unsterblichkeit und das gelingt immer besser. Das Bedürfnis nach Beendigung eines Leidens ohne Perspektiven wird zunehmen. Der so erfüllte Tod ist sanft. Schliesslich müssen wir alle durch dieses Tor, es fragt sich nur wie.
Die Einstellung zum freiwilligen Tod muss in der Gesellschaft, dem Gesetz und in den Gesundheitsinstitutionen akzeptiert und entkriminalisiert werden.
Marianne Manzanell
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Felsberg (Graubünden, Schweiz)