von: Heiko Schwarzburger
21. Januar 2013

Im Namen des Boxers

Das Dach der Max-Schmeling-Halle trägt einen der größten Solargeneratoren Berlins. Von unten kaum sichtbar, ist er ein Leuchtturm für die ganze Stadt.

Aufbau der Solarmodule auf dem Hallendach. © Berliner Energieagentur

Der Zoo vom Prenzlauer Berg: In der Max-Schmeling-Halle am Cantian-Stadion toben Füchse und Löwen, dressiert von Cindy aus Marzahn, Oliver Pocher und der unvermeidlichen Gayle Tufts. Für Ungeweihte: In der weitläufigen Arena geben sich die Handballer der Toyota-Bundesliga die Klinke in die Hand, spuckt der Quatsch Comedy Club in die Mikros, sägen Bruno Mars und Bosshoss an den Trommelfellen ihrer Fans. Ursprünglich als Pleasure Dome für internationale Boxkämpfe errichtet, bietet die Halle mittlerweile das komplette Showbizz aus Sport, TV und Politik. Fehlen noch die Zeugen Jehovas. Sie kommen lieber nebenan im Stadionrund unter freiem Himmel zusammen.

Schmeling schickte Untermenschen auf die Bretter

Ein Boxer leiht dem Entertainment-Tempel seinen Namen: Max Schmeling, der Naziboxer, der 1936 pflichtgemäß den Nigger und Untermenschen Joe Louis auf die Bretter schickte. Max Schmeling war es, der die Amerikaner zur Teilnahme an Hitlers Olympischer Farce in Berlin überredete. Die Amis wollten die Spiele wegen der Nürnberger Rassengesetze boykottieren. Erst nach Schmelings Intervention reisten sie an. Mit Jesse Owens, dem legendären Sprinter. Er gewann die Königsdisziplinen in der Leichtathletik und weigerte sich, bei der Siegerehrung den deutschen Gruß zu zeigen. Die nächsten Schwarzen, die nach Deutschland kamen, waren dunkelhäutige Gis, die sich den Weg freischossen: von Omaha Beach bis nach Dahlem.

Sechzig Jahre später kam der greise Champion höchst selbst in den Prenzlauer Berg, um die Halle einzuweihen. Rund 12.000 Menschen passen hinein, bei Sportevents sind es rund 8.500. Das Dach der Halle ist wie ein Schild gewölbt. Es überspannt die tief liegende Halle, die zu zwei Dritteln in den Boden eingelassen ist. Dadurch wirkt sie sehr flach und hebt sich kaum vom Stadionvulkan ab. Interessant an dem Gebäude ist das Blockheizkraftwerk, dass Strom und Wärme produziert und die Technik versorgt. Das Dach ist begrünt, dort stromt Berlins größte Solarstromanlage. „2009 haben wir das Dach der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg mit mehr als tausend Solarmodulen belegt“, berichtet Michael Geißler, Chef der Berliner Energieagentur. Die Agentur sitzt am Gendarmenmarkt. „250 Kilowatt Solarleistung, das war ein echter Durchbruch.“

Der Herr der Solargeneratoren

Geißler ist Herr über die Solaranlagen auf dem Roten Rathaus, auf dem Karree der Bremer Höhe im Prenzlauer Berg, auf dem Technikmuseum und auch auf der Max-Schmeling-Halle. Die Agentur gehört zu einem Viertel dem Land Berlin. Überall in der Stadt baut sie Blockheizkraftwerke und Solaranlagen auf. Die Generatoren auf der Boxerhalle wurden aus Wismar geliefert, aus einem Werk der Firma Centrosolar, die ihren Sitz in Hamburg hat. Die Solarmodule, so bezeichnet man die brettartigen Generatoren, bestehen aus multikristallinen Siliziumzellen. Trifft das Licht der Sonne auf diese Module, erzeugen sie einen elektrischen Strom. Der photoelektrische Effekt, der diesem Phänomen zugrunde liegt, wurde schon im 19. Jahrhundert entdeckt. Man bezeichnet ihn auch als Hallwachs-Effekt, nach  Wilhelm Ludwig Franz Hallwachs. Der Dresdener Physiker war ein Schüler von Heinrich Hertz. 1886 entdeckte er, dass Metalle unter Lichteinwirkung eine elektrische Spannung aufbauen. Diesen auch als äußeren photoelektrischen Effekt bezeichnete Erscheinung deutete Albert Einstein 1905 mit Hilfe der Quantenphysik als Energieübergang von den Lichtteilchen (Photonen) an die freien Elektronen im Metallgitter.

Bei Halbleitern wie Silizium spricht man vom inneren Photoeffekt. Prasseln die Photonen auf die Solarzellen, entstehen in deren Innern so genannte Elektron-Loch-Paare, die sich als elektrischer Strom nutzen lassen. Multipliziert mit der Spannung aus den Zellen ergibt sich die elektrische Leistung der Solargeneratoren. „Unsere Solarmodule haben eine Leistung von 235 Watt“, verrät Igor Rauschen. Er leitet die Abteilung für Photovoltaik bei der Firma Pohlen Bedachungen in Geilenkirchen, irgendwo im tiefsten Westen Deutschlands. Pohlen Solar hat die Anlage auf der Max-Schmeling-Halle geplant und installiert. „Insgesamt 1.064 Solarmodule haben wir auf die Halle gebracht“, erzählt er weiter. „Das macht insgesamt genau 250,04 Kilowatt Gesamtleistung.“ Um die Sonnenausbeute zu verbessern, wurden die Solarmodule gen Süden ausgerichtet und auf 15 Grad geneigt aufgestellt (aufgeständert). Denn die Sonne sollte möglichst senkrecht auf die Solarzellen scheinen. „Bei früheren Anlagen haben wir die Module um 25 Grad geneigt“, sagt Rauschen. „Aber Windkanalversuche haben gezeigt: Bei 15 Grad liegt der beste Kompromiss zwischen möglichst hohen Solarerträgen, guter Selbstreinigung bei Regen und möglichst geringer Beanspruchung der Dachstatik, also den Windlasten.“

Solarstrom für das Berliner Netz

Solarzellen und Solarmodule erzeugen Gleichstrom, wie eine Batterie. Um diesen Strom ins Berliner Versorgungsnetz einzuspeisen, braucht man Wechselstrom. Die Umwandlung von Solargleichstrom (DC) in dreiphasigen Wechselstrom (AC) erledigen so genannte Wechselrichter. 14 Stück davon stehen auf dem Dach verteilt zwischen den Solarmodulen. Um die Generatoren mit den Wechselrichtern zu verbinden, wurden 3.000 Meter Kabel verlegt. „Die Wechselrichtern wiederum speisen in drei Unterverteilungen ein, von denen eine gemeinsame Leitung zum Einspeisepunkt für das Netz führt“, sagt Igor Rauschen. „Die Betreiber der Halle wollen die Solaranlage unabhängig von der Hallenelektrik halten, also nicht in der Halle mit Niederspannung einspeisen. Deshalb wurde etwa 80 Meter außerhalb ein Einspeisepunkt festgelegt. Den mussten wir extra aufbauen. Andernfalls liegt der nächste Trafo rund 300 Meter entfernt.“

Im Juli 2009 war Rauschen zum ersten Mal auf dem Dach, im Auftrag der Berliner Energieagentur. Zwei Prüfingenieure haben die Dachstatik unabhängig voneinander geprüft und bestätigt. Denn für solche Veranstaltungshallen gelten sehr strenge Anforderungen. Sie darf unter keinen Umständen einstürzen, auch nicht für einen guten Zweck wie eine Solaranlage. Nach der Anlagenplanung erledigte Pohlen Solar auch die Montage der Anlage auf dem Dach. „Nur der Blitzschutz und der elektrische Anschluss an die Unterverteilungen und das Netz wurden an andere Betriebe vergeben“, wie Rauschen erzählt. „Zur Montage rückten wir mit zwanzig Leuten an. Der Zeitdruck war sehr hoch. Außerdem mussten wir auf den Veranstaltungsplan Rücksicht nehmen und musste mit sehr beengten Platzverhältnissen auskommen.“ Die Installationsarbeiten begannen Mitte November 2009. Pünktlich vor Weihnachten war die Anlage am Netz. 2011 erhielt die Max-Schmeling-Halle das Green-Globe-Zertifikat für Nachhaltigkeit, dabei wurde ausdrücklich die Solaranlage erwähnt. Allerdings kann man die Generatoren von unten kaum sehen, weil sie sich auf dem erhöhten Dachplateau in der Mitte befinden. So unscheinbar kann ein Leuchtturm sein.

Berliner Energieagentur