von: Urs Heinz Aerni
28. Juli 2016
Schweizerische Post AG © L'enseigne de l'office postal de Morges, photographie ce mardi 12 janvier 2010 a Morges. (KEYSTONE/Dominic Favre)
Michael* wohnte in einem Dorf irgendwo in der Schweiz und liebte Denise*. Sie lebte im Nachbardorf. Er liebt sie so sehr, dass er ihr Briefe schrieb, einen am Vormittag, den sie am Nachmittag erhielt und einer am Nachmittag, den sie am nächsten Vormittag erhielt. Er verziehrte die Umschläge mit Zeichnungen und Zierschriften so sehr, dass es für sie nur so eine Wonne war. Das war so Anfangs der 80er Jahre, als der Postbote zweimal den Briefkasten heimsuchte. Zweimal im Tag konnte Denise den Briefkasten leeren und die Mutter rief aus der Küche ob was gekommen sei. Denise rief zurück: „Nichts!“ während sie den Brief von Michael ans Herz presste. Damals entstand viel Großes mit einem Brief, wie heute die Post wirbt.
Neulich gab ich einen Kartonumschlag am Schalter auf, der noch als Brief durchging. Liebevoll schrieb ich die Anschrift in leserlichen Lettern. Die Dame am Schalter sah mich ernst an und klebte eine Etikette über meine Schrift. Ich fragte nach, sie antwortete. Man müsse diese Etikette verwenden. Aha. Und man dürfe nur in Großbuchstaben schreiben. Oha. Und auch keine Zwischenzeile sei erlaubt. Ah ja. Umgehend käme das Ding zurück. Das wollen wir ja nicht. Klar. Eben, sonst könne der Computer den
Empfänger nicht lesen. Ja, und die Damen an den Schaltern erhielten Ermahungen von oben. Nun denn, da wollen wir als moderne Konsumenten nicht zurück stehen und den Maschinen geben was sie brauchen: Kalte klare Schrift auf genormten Etiketten damit für teures Geld unser Brief hoffentlich noch in der gleichen Woche ankommt. Oder noch besser, die Klubschule Migros bietet einen neuen Weiterbildungskurs an. Titel: „Kompetenter Postkunde – Eine Herausforderung, die ich annehme“.