von: Robert Roos
18. Mai 2016
© pd
In seinen Büchern setzt Avanti, der Maler, Sätze wie Pinselstriche: hingetupft, hingehauen, manchmal breit und ausladend oder leicht pointilliert, und plötzlich blitzt ein Strich von so greller Farbe auf, dass alles in neuem Licht erscheint. Vieles, was er schreibt, sieht wie ein Abbild aus und ist doch Statement: Avanti schreibt, um Stellung zu beziehen. Was uns mit kuriosen Schweizer Wörtern und in lautmalerischer Schreibweise entgegenschießt, ist Kunst, Wortkunst, Lebenskunst, Irritation und Vergnügen. Die NZZ meint zu seinem Buch „Jakobstage“: „Da wird denn fröhlich, alkoholisch oder auch mit existenziellem Herzschmerz bei viel Rotem und wenig Salat über Gott, das Insichsein und den Tod sinniert, wobei immer wieder wippende Klangassoziationen aufschiessen, gewagte Wortspielereien und Metaphern, die dem Buch seinen sperrigen, eigenwilligen Charakter verleihen …“
Nach den Prosa-Bänden „Jakobstage“ (2008) und „Jakobs Muscheln“ (2009) und einer Reihe weiterer Publikationen liegt nun sein erster Gedichtband vor, „Milano Centrale“, ein sorgfältig gestaltetes Bilderbuch, das soeben in der Edition BAES erschienen ist.
Stunde des Fauns
Es umfasst 109 Gedichte, nach der langen Nacht in poetischer Anwandlung auf die Frühstücksserviette oder an der Bar ins schwarze Heft geworfen: große Gefühle auf kleinstem Raum, Instant-Werke aus den Händen des Malers, der die Welt mit bunten Augen in Bildern sieht. Giorgio Avanti – Gedichte pflastern sein Weg – liebt die Welt, den Wein, das Essen und die Frauen, er sieht das Vergängliche, versucht Flüchtiges skizzenhaft festzuhalten und notiert, was ihn bewegt. Die Handschrift ist seinen Gedichten weit angemessener als in Stein gemeißelte Druckbuchstaben. Es geht ihm um das Einmalige, um das sagenhafte Innehalten in der Stunde des Fauns, in der die Welt für einen Augenblick den Atem anhält und still steht – und da vielleicht einen Gedanken zulässt, ein Blitzgedicht zur Geliebten am Bahnhof, zum Morgen danach, zum Glück, zur Muschel, zum Meer: „ich nehme dich in einem rausch“. – „Milano Centrale“ ist ein Genuss für Geist und Auge. Robert Roos
Das Buch: Avanti, Giorgio: Milano Centrale, Bilder und Sätze, (edition baes) ISBN: 978-3-9503559-2-5, Euro 36,00