von: Redaktion und Oktober Verlag Münster
29. Oktober 2016

Buchtipp: Lolitas späte Rache von Ulrich Land

Sein Ton, seine Ironie - auch im Umgang mit historischen Figuren gehört zur Erzähllust- und kunst von Ulrich Land. Genauso verhält es sich im aktuellen Roman "Lolitas späte Rache"... (Redaktion)

© Oktober Verlag

Das sagt der Verlag: Ein Schatten der Vergangenheit steht unvermittelt im Hotelzimmer von Véra Nabokov, Witwe des weltweit gefeierten Autors der ›Lolita‹. Neunundsechzig Jahre nach dem Mord an dessen Vater taucht eine pummelige Frau auf, die delikate Fragen stellt … War der Mord doch kein Attentat zarentreuer Rebellen? Warum war der Schriftsteller im Besitz der Adresse der Attentäter? War die männliche Schwäche für junge Mädchen nicht nur eine literarische Erfindung für ›Lolita‹? Und woher weiß diese fremde Frau intimste Dinge über den russischen Autor?
Ein Roman, der die Grenzen von historischer Wahrheit und literarischer Fiktion des weltberühmten Autors verschwimmen lässt, greift Episoden des bewegten Lebens der russischen Aristokratenfamilie Nabokov auf und spinnt eine verworrene Intrige.

 

Leseprobe:

Miljukow stand stocksteif da. Unfähig, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Während unmittelbar vor ihm am Bühnenrand Senator Nabokov – der Vater des später in Rede stehenden Romanciers Vladimir Nabokov –, während also Senator Nabokov, die eine Hand auf die Brust, die andere auf den Magen gepresst, einknickte, entsetzt zusah, wie das Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll, und mit letzter Kraft ein »Verblendete Idioten ihr!« herausbrachte. Um anschließend kopfüber vom Bühnenpodest herabzustürzen und schließlich, gebogen wie eine Sichel, liegen zu bleiben. Regungslos. Die »verblendeten Idioten« sollten die letzten Worte seines 52 Jahre jungen Lebens sein, bevor er unter einem stoßweise ausgeworfenen Blutschwall leise röchelnd aufgab. Eine für alle Beteiligten rätselhafte Aktion: Schien es doch so, als sei der Senator mit zwei, drei Schritten gradewegs in die Schussbahn gehastet. Wirklich selbstloser Schutzreflex, um den politisch eine minimale Rangstufe höher stehenden Kollegen Miljukow zu retten, wie die Presse vermeldete, Märtyrertum für den Sieg des russischen Liberalismus? Oder waren es die dramatischen Umstände, die den Senator in den letzten Wochen überrannt und übermannt hatten und die ihn nun diesen Schritt in den Tod hatten gehen lassen? Oder war es beides?

Ulrich Land wurde 1956 in Köln geboren. Ebendort studierte er Germanistik, Geographie und Philosophie. Seit 1987 arbeitet er als freier Autor und schreibt Erzählungen, Reportagen, Essays, Theaterstücke und Lyrik. Sein Hauptstandbein aber ist derzeit das Radio. So hat er ARD-weit über 60 Funkfeatures geschrieben, unter anderem über: die Süße des Grauens, das Wetter, die Stille, die Lichtsucht der High-Light-Gesellschaft, die Verpackung, die Seele des Computers, das Abenteuer, die Masse, das Wilde, den Knast, das Paradies, den Weltuntergang, das Warten, über Gummi, das Lächeln der Leiche, über Kannibalismus und Eros, das Altern, das Wasser, den Ekel, die Eitelkeit des Mannes, über Masken, die Achterbahn, den Tunnel, Automatenmenschen, den Boom der Berge, die Zukunft des Radios, den Raumtraum, über das neue Sparfieber, die Rechtschreibreform, die Elite-Uni-Debatte, das Schrumpfen der Städte, über die Hinterlassenschaften unserer Epoche in 500 Jahren und die Download-Wisser.

Außerdem wurden fast 40 Hörspiele von ihm gesendet, die zum Beispiel eine Republikflucht am Tag vor dem Mauerfall zum Thema hatten, oder Verzweiflungen am Rand des Fortschritts, Sabotageaktionen im Berliner Regierungsviertel, den Mord an Christopher Marlowe und den Selbstmord Kleists; Nabokovs Lolita wurde enttarnt, Tucholskys ungeklärtes Ende ungeklärt gelassen, ebenso wie Horváths Tod auf den Champs-Élysées; eine Leiche wurde in einer Rasenrolle für ein WM-Stadion entsorgt und eine im Keller des Startbahn-West-Widerstands aufgefunden, ein Kommissar musste erkennen, dass nur er selbst der Mörder sein kann, den er sucht, und ein Cellist wirbelte mit einem Museumswärter um die Wette durch den akustischen Raum …

Darüber hinaus hat Ulrich Land zwei Libretti für akustische Kunst-Kompositionen zu Hölderlin bzw. Velimir Chlebnikov geschrieben, zahlreiche Beiträge in Anthologien veröffentlicht sowie mehrere Bücher und zwei Literaturzeitschriften als Herausgeber betreut. Lange Jahre war er bei den Einslive-Lauschangriff-Hörspielen als Moderator regelmäßig auf Sendung. Im Herbst 2008 legte er seinen Debütroman vor: „Der Letzte macht das Licht aus. Norwegen-Krimi mit Rezepten“, der beim Oktober Verlag in Münster erschien. Beim gleichen Verlag veröffentlichte er 2010 seinen Eifel-/Island-Roman „Einstürzende Gedankengänge“ und 2011 den Nordatlantik-Krimi „Und die Titanic fährt doch“, mit dem er ein halbes Jahr landauf, landab tourte und ein Untergangsdinner nach dem anderen bestritt. Im März 2013 erschien ebenfalls beim Oktober Verlag sein vierter Roman „Krupps Katastrophe“, mit dem er sich und seine Leser ins Jahr 1902 zurück katapultiert. Im März 2014 veröffentlichte er – passend zum 450. Geburtstag des Großdichters – den Roman „Messerwetzen im Team Shakespeare“, der sich mit den roten Flecken auf dessen weißer Weste befasst. Außerdem arbeitet er als Dozent für „creative writing“ unter anderem an der Universität Witten/Herdecke. Seine Arbeiten wurden mehrfach mit Stipendien der Filmstiftung NRW und des Kulturministeriums NRW bedacht und erhielten mehrere Auszeichnungen, u. a. den Wuppertaler Literaturpreis und den Kölner Medienpreis; eins seiner Hörstücke wurde zum Hörspiel des Monats gekürt. Er ist Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller und im Syndikat, der Vereinigung deutschsprachiger Krimischriftsteller.

Das Buch „Lolitas späte Rache“ von Ulrich Land ist im Handel erhältlich.

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