von: Litteraturtage Zofingen / uha
27. Oktober 2016
© Literaturtage Zofingen
Pressemitteilung der Veranstalter:
Zu verstehen, was Niederländer sagen, fällt nicht schwer. Und auch die Konversation stellt keine Hürde dar, zumal die Flachländer weltoffen und leicht zugänglich sind. Nun bieten die Zofinger Literaturtage die Gelegenheit, sich über die schmalen Sprachbarrieren hinaus in aktuelle niederländische und flämische Befindlichkeiten zu vertiefen. Nicht umsonst ist der deutsche Sprachraum die zweite Heimat der niederländischen Literatur. Verbindet doch die beiden Sprachregionen weit über die Nachbarschaft hinaus eine gemeinsame Geschichte in Politik, Wirtschaft und Kultur.
Reichhaltiges Programm mitsamt Fußball
Sieben Literaturexponenten aus dem benachbarten Sprach- und Kulturraum präsentieren an den 9. Zofinger Literaturtagen ihre aktuellen Bücher und Projekte. Ihr Wirken stellen sie in moderierten Gesprächen zur Diskussion. Zu den Highlights zählen darüber hinaus eine Podiumsdiskussion über Literatur und Film sowie eine weitere über virtuelle Realität und Literatur. Erstmals arbeiten die Zofinger Literaturtage mit den Zofinger Schulen zusammen. Am Freitagvormittag stellt sich Gerhard van Gemert den Fragen von Primarschülern. Marcel Rujters stellt in seinem Workshop mit den Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule Zofingen die ausdrucksstarken Bilder von Hieronymus Bosch ins Zentrum.
Am Samstag stellt die Stadtbibliothekarin Cécile Vilas die Schätze der niederländischen Buchdruckerkunst aus den Bibliotheksbeständen vor und die Niederlandistik-Dozentin Marja Clement führt in die Eigenarten der niederländischen Sprache ein. Moderatorenrollen übernehmen prominente Schweizer Kulturschaffende und Autoren wie Hanspeter Mueller-Drossaart, Wolfgang Bortlik, Bettina Spoerri, Michael van Orsouw wie auch Martin Zingg, Hans-Ulrich Probst und Markus Kirchhofer. Ein Highlight bildet das Fussballturnier mit der Nationalmannschaft der Schweizer Schriftsteller, dem FC Grossrat Aargau sowie einem von der Nederlandse Vereniging Zürich zusammengestellten Team am Sonntagnachmittag. Für Fairplay sorgt der bekannte Schiedsrichter Luigi Ponte.
Tiefschürfende Literatur – trockener Humor
Hauptthema der Literaturtage ist und bleibt aber die niederländische und flämische Literatur.
Gerhard van Gemert (52) ist ein begeisterter Trainer von jugendlichen Fussballern und münzt seine eigene sportliche Vergangenheit in spannende Geschichten für 8- bis 12-Jährige um. Gegen 50 Storys hat er veröffentlicht, auf Deutsch liegen erste Bände seiner Serie Die Superstürmer vor.
Marcel Ruijters (50) ist einer der wichtigsten Exponenten der Graphic Novel in den Niederlanden. Pünktlich zum 500. Todesjahr erweist er mit seiner gezeichneten Biografie Hieronymus Bosch einem der berühmtesten Maler seines Landes die Referenz. Seine Graphic Novel übersetzt Boschs Welt in einen eigenen holzschnittartigen Stil und bildet eine ebenso deftige wie zarte Annäherung an einen wegweisenden Künstler, der heute noch unverändert fasziniert.
Lot Vekemans (51) ist eine erfolgreiche Theaterautorin, deren tiefschürfenden Stücke international auf zahlreichen Bühnen gespielt werden. Ihr Romandebut Ein Brautkleid aus Warschau, das sich um eine junge polnische Protagonistin dreht, ist eben erst auf Deutsch erschienen. Marlena erfährt die Liebe eines amerikanischen Soldaten, verliert ihn und bekommt von ihm ein Kind, ohne dass dieser es weiss. Auch mit anderen Männern gelingt es ihr nicht, ihrem Leben eine Richtung zu geben. Die Geschichte dreht sich um Figuren, die in Verhältnisse verstrickt sind, die sie selber nicht durchschauen. Das berührt.
Gerbrand Bakker (54), Literaturwissenschaftler und Diplomgärtner, versteht es wie kaum ein anderer, die Seelen von Menschen, die ganz auf sich allein gestellt sind, auszuloten und sie gleichzeitig stets mit trockenem Humor zu begleiten. Sein bisher grösster Erfolg Oben ist es still (2008), schildert, wie der zur Nachfolge auf dem Bauernhof gezwungene Sohn den alten Vater ins obere Stockwerk verfrachtet und unten versucht, sich ein eigenes Leben zu schaffen. Die Regisseurin Nanouk Leopold hat den Roman verfilmt. Er ist am Sonntag zu sehen und bietet Grundlage für ein Podiumsgespräch über Chancen und Grenzen von Literaturverfilmungen. In Zofingen liest Bakker aus seinem soeben auf Deutsch übersetzten aktuellen autobiographischen Roman Jasper und sein Knecht.
Saskia De Coster (40) ist eine belgische Schriftstellerin, die in niederländischer Sprache schreibt. Der Flamin ist mit ihrem Roman Wir und ich, der druckfrisch auf Deutsch vorliegt, ein scharf beobachteter, satirischer Gesellschaftsroman gelungen. Das Buch um eine verkorkste Familie, die dem Einfall des Schicksalhaften auch mit überkandideltem Materialismus nicht beizukommen vermag, hat ihr den Durchbruch beschert.
Literatur und virtuelle Realität
Literatur bleibt nicht nur aufs Buch beschränkt. Sie lässt sich heute auch über den Weg der virtuellen Realität erfahren. Der Lyriker Micha Hamel (36) und der Animationsregisseur Demian Albers (33) kombinieren in Lockruf Lyrik mit der virtuellen Welt von Oculus Rift. Die Betrachter gehen auf eine Reise durch virtuelle Realitäten, während eine Frauenstimme das Gedicht von Micha Hamel rezitiert. Lockruf setzt Facetten der Verführung phänomenal und expressiv um. Die Präsentation bietet dem Publikum eine ganz neue Erfahrung von Literatur. Lockruf spricht nicht nur das Kopfkino, sondern auch die Sinne an.
Weitere Informationen für Medienschaffende, Vermittlung von Kontakten:
Michael Flückiger, michael.flueckiger@literaturtagezofingen.ch; 004176 422 59 65 oder Website.