von: Urs Heinz Aerni
14. Juli 2016
© Haupt Verlag
Seit etwa drei Jahren ist er weg. Der Grauschnäpper. Auch der Fichtenkreuzschnabel saß vor Jahren zum letzten Mal auf einer Tannenspitze. Das Verschwinden dieser Vögel im Quartier ist die Quittung für das sogenannte verdichtete Bauen, die Opferung von Bäumen zugunsten Ziersträucher und der Auslagerung der Gartenarbeiten an umsatzorientierte Unternehmen. Man erinnere sich an die Zeiten, in denen der Hauswart mit der Zigarre im Mundwinkel den Vorplatz wischte oder als der Hausbesitzer am Samstag da und dort die Ästchen abzwickte. Heute haben die Wohnungseigentümer für solche Arbeiten keinen Nerv, den verlieren sie lieber im Büro oder auf dem Bike. Deshalb beschließen Eigentümerversammlungen, den „Profis“ auf Auftragsbasis den Umschwung zu überlassen. Dann kommen sie, ausstaffiert mit den Laubbläsern und stürzen sich als Möchtegern-GIs auf jedes herumliegende Blatt. Blitzeblank schaut das dann aus.
Sind wir soweit, dass Gärten und Grünanlagen in Vorstadtquartieren durch den WWF vor gewinnmaximierenden Gärtnereien geschützt werden muss? Kann es sein, dass der ehemalige Anwalt fürs Grüne dank Renditedruck zum Feind für naturnahe Oasen wird? Ja, richtig, wir leben ja alle von Geld, und Gewinn. Aber wir leben länger, besser und fröhlicher wenn ökologische Vielfalt auch vor der Haustüre stattfindet. Nun, kurz vor Abgabe dieses Textes sah ich in einer Naturwiese vor dem Nachbarswohnblock zwei Gartenbauangestellte kauern, rupfend am Gras. Ich sprach einer der beiden an und machte ein Kompliment über diesen naturnahen Flecken. Er sah mich verdutzt an und zeigte auf seinen Kollegen. Der Kollege drehte sich um und sagte: „Der versteht kein Deutsch“. Ich wiederholte meine Begeisterung zu diesem Konzept der Naturwiese. Der Mann stand auf, an der Harke stützend gab er Antwort: „Keine Ahnung, was Sie meinen, wir müssen da nur bestimmte Gräser ausreißen … aber ich sag es dem Chef weiter“. Nickend ging ich weiter und stellte mir die Frage ob ich mich mit diesem Herrn nicht eher über das nächste Formel 1-Rennen hätte unterhalten sollen.