von: Urs Heinz Aerni
6. August 2019

„Es soll einem gut tun“

Susana Garcia Ferreira nimmt Menschen mit zum Bade im Wald und erklärt im Interview, was dahinter steckt und warum es gut tut.

© Susana Garcia Ferreira fotografiert von Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni: Waldbaden ist ja mächtig im Trend, der aus Asien nach Europa schwappte. Frau Garcia Ferreira, warum haben wir hier das auch nötig?

Susana Garcia Ferreira: Waldbaden heisst nichts anderes als bewusst und mit allen Sinnen in die wunderbare Welt des Waldes einzutauchen. So gesehen ist deshalb Waldbaden kein Trend. Dieses Eintauchen in den Wald haben wir schon lange, bevor die Trendwelle auf uns zukam, getätigt. Das Waldbaden, Shinrin Yoku, wie es in Japan genannt wird, ist einfach eine neue Interpretation des Waldbadens. Diese findet im Moment grossen Anklang in unserer Gesellschaft, was ich toll finde.

Aerni: Soeben kommen Sie vom Wald zurück, in dem Sie mit unseren Feriengästen gebadet haben. Wie erfrischt kommen Sie denn nun zurück?

Garcia Ferreira: Von einer Skala von 1-10 würde ich sagen: 11! Das Waldbaden tut mir auf allen Ebenen einfach nur gut. Es belebt meinen Geist, es nährt mein Herz und aktiviert meinen Körper.

Aerni: Warum ersetzt das Waldbaden nicht das Wandern oder mit den Spaziergang mit dem Hund?

Garcia Ferreira: Weil jede Tätigkeit ihre Qualität für sich hat. Und das ist auch richtig so. Das Waldbaden soll nichts ersetzen, vielmehr ist es eine Ergänzung im Alltag. Ich persönlich bin kein Fan von „Entweder / Oder“. Wieso nicht während der Wanderung eine kurze Pause einlegen und den Wald bewusst mit allen Sinnen geniessen? Wieso nicht beim täglichen Spaziergang mit dem Hund auch gleich bewusst die Geräusche, Gerüche, Farben und Formen aufnehmen? Jeder soll für sich entscheiden, was einem gerade gut tut. Das ist das wichtigste. Es soll einem gut tun.

Aerni: Können Fichtenwälder andere Heilkräfte erzeugen als Eichenwälder?

Garcia Ferreira: Ja, das ist so. Die Duftstoffe der Fichten, Terpene, haben eine stärkere gesundheitliche Wirkung auf unser Immunsystem, als die der Eichen. Das heisst nun nicht, dass Eichen nicht wohltuend sind. Im Gegenteil. Wenn wir einfach rein den gesundheitlichen Aspekt anschauen, dann hat ein Fichtenwald eine andere Wirkung auf uns, als ein Eichenwald. Für mich persönlich ist jedoch die Eiche mein Lieblingsbaum. Wenn ich mich nun in einem Eichenwald befinde, hat dies auf mich eine ganz andere Wirkung, als ein Aufenthalt in einem Fichtenwald. So hat jeder Wald einen ganz eigenen, individuellen Effekt auf uns.

Aerni: Wie haben Sie denn diese Art der Waldbegegnung für sich entdeckt? Gab es da einen Schlüsselmoment in Ihrem Leben?

Garcia Ferreira: Rückblickend ist mir bewusst, dass ich schon immer eine tiefe Verbundenheit mit dem Wald hatte. Als Kind verbrachte ich praktisch jede freie Minute im Wald. Mit den Jahren hatte ich den Zugang jedoch für eine gewisse Zeit verloren.

Aerni: Warum?

Garcia Ferreira: Ich war viel unterwegs und das Reisen und Entdecken von fremden Ländern stand für mich dazumal im Vordergrund. Erst 20 Jahre später nahm ich spontan an einem Waldheilkunde-Kurs teil, weil sich eine Freundin von mir dafür angemeldet hatte. Schon am ersten Kurstag ging mir das Herz auf und seit dem bin ich dem Wald treu geblieben.

Aerni: Ganz unter uns, waren auch schon Urlaubsgäste mit dabei, die sich vom Stress der Ferien erholen mussten?

Garcia Ferreira: Ganz unter uns, ich hoffe nicht!

 

 

Info:  Susana Garcia Ferreira wuchs im Thurgau auf, als Tochter von eingewanderten Eltern aus Portugal in den 1970er Jahren. Sie sei in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen doch Gäste seien immer willkommen gewesen. Mittlerweile besuche sie regelmässig Ihre Eltern in Portugal und dank ihres Partners habe sie zudem eine Verbindung zu Bretagne. Beruflich machte sie Karriere als Coach und in Führungspositionen, „trotzdem sei da immer eine innere Leere“ gewesen, die nun durch Ihre Selbstständigkeit als Vermittlerin von Ritualen und Bräuchen im Rhythmus der Natur gefüllt wurde. www.susanagarciaferreira.com