von: Urs Heinz Aerni
1. Oktober 2016
© uha
Wir leben ja in einer bunten Welt, und doch soll Malen recht viel bewirken. Kunsttherapie und Begleitetes Malen bieten Sie und Ihre Kolleginnen an. Nennen Sie mal drei Gründe, warum das guttut?
Beim Malen nehmen Sie sich Zeit für sich und Ihre Kreativität. Durch das Malen kommen Sie in Kontakt mit Ih- ren Bedürfnissen und Wünschen. Sie werden durch das Malen Veränderungen erleben.
Begleitetes Malen gehört zu den Angeboten der Ateliergemeinschaft. Wie muss man sich das vorstellen? Wird beim Malen geredet?
Die wichtigste Tätigkeit ist das Malen, das Auftragen der Farbe auf das Papier. Gesprochen wird, wenn die Arbeit am Bild nicht mehr fließt, wenn Schwierigkeiten auftauchen, dann bin ich als Malbegleiterin da, unterstütze die malende Person und das Bild.
In unserer Gesellschaft geht viel über Kopf und Sprache, welche Nischen füllt denn das Malen aus?
Und bei Ausnahmezuständen …?
Wenn jemand eine Krise durchlebt, hat er oder sie häufig schon Verschiedenes ausprobiert. Das Malen ermöglicht einen anderen Zugang zu einer Fragestellung. Neurobiologische Forschungen haben gezeigt, dass Bilder Gefühle verändern und dadurch heil- sam wirken können.
Was bringt das Begleitete Malen für Menschen, die vielleicht nicht gerade in einer Krise stecken? Lohnt sich auch mal eine Schnupperstunde, obwohl man karriere- oder gefühlsmäßig voll auf Touren ist?
Ja, jeder Mensch kann von der ruhigen und konzentrierten Atmosphäre im Atelier profitieren. Jederzeit sind Entdeckungen und Veränderungen möglich, die kreative Aktivität kann eine willkommene Auszeit vom Alltag bieten; es lohnt sich, das selber zu erleben. Malen wirkt auch präventiv.
Der Klient oder Kunde steht also in Ihrem Atelier, in Malerschürze, und vor einem hängt das weiße Blatt und auf dem Tisch steht eine Reihe von Farbtuben. Wie gehts nun weiter?
Jede Person darf malen, was sie möchte, es gibt in unserem Atelier also kein vorgegebenes Thema. Das Bild entsteht nach und nach; wenn jemand Hilfe braucht, bin ich da und unterstütze.
Sie und Ihre Kolleginnen haben eine Ausbildung für Kunsttherapie oder auch zum Beispiel für «Lösungsorientiertes Malen» hinter sich. Was fordert eine solche Schulung von einem selber ab?
In der Ausbildung sind das eigene Malen und die Auseinandersetzung mit der Biografie zentral. Wertfreies Wahrnehmen vom Entstehungsprozess steht immer wieder im Fokus, dazu braucht es auch ein fundiertes Wissen über psychologische und seelische Prozesse sowie ein breites Inventar an therapeutischen Interventionsmöglichkeiten.
Die da wären?
Es gibt verschiedene maltherapeutische Methoden: Das Begleitete Malen ist prozessorientiert, das heißt, die Bilder werden intuitiv ohne Themenvorgaben gemalt. Beim Lösungsori- entierten Malen wird für ein definiertes Problem eine Veränderung gesucht; dafür werden einfache, klare Bilder geschaffen.
Gibt es für Sie eine Lieblingsfarbe?
Ich liebe alle Farben; welche ich im Moment bevorzuge, hängt von meiner Befindlichkeit, meinen Gefühlen und Bedürfnissen ab. Ich erlebe immer wieder, wie eine Farbe neben einer anderen eine neue Wirkung hervorbringt. Farben und ihre Kom- binationen mit anderen faszinieren mich.
Das Interview ist in der Zeitung ZÜRICHBERG erschienen.