von: Redaktion in Zusammenarbeit mit dem Bucher Verlag Hohenems
12. April 2019

Ein Chefinspektor wird einvernommen

Wenn der renommierte Vorarlberger Krimiautor Franz Kabelka den langjährigen Chefinspektor der LKA-Abteilung Leib und Leben, Johann Poiger, zur "Einvernahme" bestellt, wird der Leser Zeuge, in welchem Spannungsfeld sich Kriminalist und Autor bewegen. Was als Hilfestellung seitens des Polizisten begann, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einem detaillierten und sich ergänzenden Gedankenaustausch, bei dem Autor und Kriminalist tief in sich blicken müssen. Mit fortschreitender Lektüre wird klar, dass neben Durchsetzungsvermögen und Beharrlichkeit auch ein großes Maß an Empathie zur erfolgreichen Lösung eines Kriminalfalls erforderlich ist. Im Fokus stehen einige der aufsehenerregendsten Fälle von Gewaltverbrechen aus der Vorarlberger Kriminalgeschichte der
letzten 50 Jahre. Sie sind durch Zeitungsfaksimiles zusätzlich dokumentiert. Die beiden beantworten Fragen zu diesem Buch.

© Bucher Verlag Hohenems

Mit Ihrem neuen Buch gehen Sie über die Grenzen des Kriminalromans hinaus und stellen dabei Bezüge zur realen kriminalpolizeilichen Arbeit her. Welche Intention lag diesem Buchprojekt zugrunde?

FK (Franz Kabelka): Seit dem Jahr 2001, als ich an meinem ersten Krimi Heimkehr arbeitete, hatte ich das Glück, bei meinen Recherchen von Hans Poiger, dem damaligen Chefinspektor der Bregenzer Kriminalabteilung, beraten zu werden. Er beantwortete geduldig alle meine Fragen kriminaltechnischer Art oder wenn es um die realen Strukturen des Polizeiapparats ging. Ehe meine Krimis in Druck gingen, war er auch stets ein wertvoller und kritischer Testleser für mich. Ohne seine Hilfe hätte ich meine Mordfälle nicht so realistisch in der österreichischen Landschaft verorten können. Für mich ist Hans in der Tat zu jenem »Freund und Helfer« geworden, als den die Polizei sich so gerne stilisiert. Durch dieses Projekt, in dem er im Mittelpunkt steht, wollte ich mich auch ein bisschen dafür bedanken.

HP (Hans Poiger): Als Franz Kabelka mir dieses Buchprojekt vorschlug, dachte ich: warum nicht, eigentlich spricht nichts dagegen. Die intensive Beschäftigung mit meiner Berufsvergangenheit entwickelte sich aber bald zur Herausforderung. Viele der zum Teil schon halb vergessenen Fälle und damalige Handlungsweisen galt es zu ordnen und zu hinterfragen. Der ständige Vergleich von früheren und heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen hat zusätzliche Gedanken über Leben und Tod bzw. Gut und Böse aufgeworfen. Ein Aspekt am Rande: Der sonst eher polizeikritische Franz Kabelka gestand am Ende ein, nun eine positivere Sicht auf die Polizeiarbeit zu haben.

Ihre Gespräche offenbaren neben den kriminaltechnischen Belangen auch viele Wertvorstellungen von Hans Poiger. War dieser »menschliche Aspekt« beabsichtigt, oder lassen sich die Bereiche in diesem Kontext gar nicht voneinander trennen?

HP: Ich will mit meinen Reflexionen nicht zum Ausdruck bringen, dass nur auf meine Art erfolgreich zu ermitteln ist. Meine Wertehaltung resultiert aus der Summe aller Beobachtungen, Erfahrungen und Überlegungen darüber, warum Menschen Gewalt bis hin zur Tötung ausüben. Letztlich prägt einen der Beruf – gerade wenn man viel Umgang mit Menschen hat – auch in persönlicher Hinsicht.

FK: Der Ermittler Poiger hat sich aus meiner Sicht immer durch eine große Empathiefähigkeit ausgezeichnet – nicht nur gegenüber den Opfern, auch gegenüber den Tätern. Vermutlich war das mit ein Schlüssel zu seinen Erfolgen als Kriminalist, aber es hat ihn mir auch als Mensch so sympathisch gemacht. Ich denke, dass diese Eigenschaft von Hans bei der Lektüre unseres Buchs offenkundig wird.

Das Vorwort Ihres Buches wurde von Dr. Reinhard Haller verfasst. Was hat Sie bewogen, ihn um ein Vorwort zu bitten?

FK: Wir beide schätzen Dr. Haller als äußerst kompetenten Psychiater und Gerichtssachverständigen, insbesondere wenn es um Fragen geht, die »die Seele des Verbrechers« betreffen. Hans und ich haben sein gleich-namiges Buch als Vorbereitung auf unser Projekt gelesen und sehr inspirierend gefunden. Was lag also näher, als ihn, der sich mit dem »Bösen« zeitlebens intensiv befasst hat, um ein paar Gedanken zu Das Böse war meine Kundschaftzu bitten.

 

 

 

Aus dem Vorwort von Dr. Reinhard Haller

Kriminalpolizisten und Kriminalautoren müssen sich in die Innenwelt der  Täter einfühlen, ihr Denken übernehmen, ihr Beziehungsverhalten abschätzen,  ihr Milieu analysieren und ihr Verhalten nachvollziehen können. Wer sich in  der psychosozialen Welt krimineller Menschen nicht auskennt, wird weder ein  Verbrechen klären noch eine gute Kriminalstory schreiben. Deshalb muss jeder erfolgreiche Ermittler ein guter Psychologe sein. Und erst recht der Krimiautor.

 

Über die Autoren

Franz Kabelka, geboren 1954 in Linz, verfasst vor allem Kriminal­romane und Kurz­geschichten. Zuletzt erschien von ihm der Krimi Kaltviertel im Verlag Bibliothek der Provinz. Für seinen ersten Roman Heimkehr erhielt er 2003 den Prosa­preis Brixen/Hall. Damals begann auch seine Zusammen­arbeit und Freundschaft mit Chef­inspektor Poiger, der ihn seither bei krimi­nalistischen Fragestellungen berät. Von 1981 bis 2016 unterrichtete er an der HAK bzw. am Gym­nasium Feldkirch die Fächer Deutsch, Englisch und Ethik.

Johann Poiger, geboren 1948 in Bludenz, arbeitete nach drei Jahren Dienst in Uniform 37 Jahre lang als Kriminalist beim heutigen Landes­kriminalamt Bregenz, ausschließlich in den Bereichen Sexualdelikte und Delikte gegen Leib und Leben. In dieser Zeit hat er bei fast allen schweren Gewalt­delikten in Vorarl­berg als Ermittler mitgewirkt bzw. die Ermittlungen geleitet. Neben dem Fachlichen galt sein Interesse immer schon dem menschlichen Verhalten.

 

Das Buch: „Das Böse war meine Kundschaft. Ein Chefinspektor wird einvernommen“

Deutsch  2019 – Bucher, Hohenems