von: Heiko Schwarzburger
3. Januar 2013

Auf leisen Sohlen

Einem Stealth Car gleich schleicht ein Ampera zum Kollwitzplatz. Sein Fahrer ist Dylan Mackay, Chef von Opel Hetzer. Als er aussteigt, wird er sofort von einer Menschentraube umringt. Denn das Interesse ist riesig.

Dylan Mackay von Opel Hetzer an der offenen Motorhaube des Ampera. Der Wagen eröffnet eine neue Generation von Elektromobilen. © Fred Winter

Ökomarkt auf dem Kolle, Mitte Oktober: Ein glänzend weißer Mittelklassewagen schiebt sich über den Asphalt, wie ein schleichender Geist. Man hört keinen Motor, erstaunt treten Passanten beiseite. Als der Wagen anhält, bildet sich sofort eine Menschentraube. Premiere für eine Weltneuheit: der Opel Ampera, das erste Serienauto mit Elektroantrieb. Dylan Mackay, Chef von Opel Hetzer in Charlottenburg, war einer Einladung von Berg.Link gefolgt. Premiere im Kiez, doch für Smalltalk blieb wenig Zeit. Denn kaum war Mackay aus dem Wagen gestiegen, prasselten Fragen auf ihn ein.

Es war ein Test: Die Zukunft fährt in der Gegenwart vor. Dylan Mackay stellt sich den Fragen seiner potenziellen Kundschaft. Der junge Ingenieur ist der Sohn der legendären Heidi Hetzer, eine Galionsfigur des Automobilgeschäfts und des Motorsports. Er hat bei Volker Quaschning an der Fachhochschule für Technik in Karlshorst studiert, einem ausgewiesenen Experten für erneuerbare Energien. „Die Zukunft der Mobilität liegt im Elektroantrieb“, sagt Mackay. „Der Ampera ist der Klassenerste. Das hat aber nur Sinn, wenn die Kunden mit Ökostrom tanken. Deshalb biete ich meinen Käufern den Stromwechsel gleich mit an.“ Seine Partner in Berlin sind Naturstrom und Greenpeace Energy.

Eine Lebensaufgabe

Opel Hetzer ist ein großer Laden, mit gut hundert Mitarbeitern. Das Unternehmen auf elektrisch getriebene Autos umzustellen, ist eine Lebensaufgabe. Der Anfang ist gemacht. Mit dem Ampera hat Opel als erster Hersteller ein elektrisches Serienfahrzeug entwickelt. Seit 2005 arbeiten Ingenieure in Detroit und Rüsselsheim an dem Boliden, ab November wird er in Deutschland vertrieben. Der geräumige Viersitzer bietet den gewohnten Komfort, auch der Kofferraum ist für eine Familie völlig ausreichend. Das futuristische Design der Fahrzeugfront erinnert an die Klonkrieger von George Lucas, es kommt schlitzäugig daher. Dadurch fällt der Wagen sofort auf. Erst auf den zweiten Blick bekommt man mit, wie leise er rollt. Lautlos.

Das Konzept ist clever ausgetüftelt, denn der Ampera ist tatsächlich ein Elektrofahrzeug, kein Hybrid mit zwei Motoren für Strom und Benzin. Der Elektroantrieb besteht aus zwei Motoren. Der Hauptantrieb leistet 111 Kilowatt (150 PS). Sein Drehmoment von 370 Newtonmeter steht über den gesamten Drehzahlbereich ohne Zwischengetriebe zur Verfügung. Beim Sprintversuch auf der Schönhauser Allee zog der Motor so kräftig durch, dass Gefühle wie in einem Jet aufkamen. Ein zweiter E-Motor leistet 54 Kilowatt. Bei Normalfahrt bleibt er abgeschaltet. Wenn der Wagen schnell beschleunigt, schaltet er sich zu und wirft seine Pfunde in die Waage. In neun Sekunden ist das Auto von null auf hundert Stundenkilometer. Das erledigt die Bordelektronik. Der Fahrer muss nichts tun, außer zu lenken, und das Gaspedal – pardon: das Strompedal – zu treten. In der Spitze schafft der Ampera 161 Kilometer pro Stunde. Die Energiegewinne beim Bremsen werden in die Batterie zurückgespeist.

„Das Herzstück des Ampera sind die 288 Lithium-Ionen-Batterien, die in einem Mitteltunnel unter den Vordersitzen und der Rückbank verlaufen“, erläutert Mackay. „Das Batteriepaket hat eine Kapazität von 16 Kilowattstunden. Das System nutzt nur einen Teil der Kapazität, um schädliche Tiefentladung zu vermeiden. Das schont die Batterie.“ Viel Grips steckten die Ingenieure in das Klimamanagement der Zellen. Während draußen Hitze oder Eis toben, Regen oder Staub wirbeln, herrscht im Innern der Zellen eine ausgeglichene Temperatur. „Denn die Batterie ist für die Lebensdauer des Wagens konzipiert“, wie Mackay erklärt. „Das sind mindestens 160.000 Kilometer. Dafür geben wir eine Garantie.“ Wenn der Strom zur Neige geht, springt ein so genannter Range Extender ein. Das ist ein Benzinmotor mit 63 Kilowatt Leistung (1,4-Liter-ecoFLEX), der auf verbrauchsarme Drehzahlen eingestellt ist. Er treibt den kleinen E-Motor im Generatorbetrieb, um den großen E-Motor zu versorgen und die Batterien aufzuladen. „Das ist nur bei langen Fahrten notwendig, denn dafür reichen die Batterien noch nicht“, meint Mackay. „Aber rund achtzig Prozent aller Strecken, die ein deutscher Autofahrer am Tag zurücklegt, liegen unterhalb von fünfzig Kilometern. Dafür ist der Elektroantrieb ideal.“ Weil der Ampera keine Abwärme eines Verbrennungsmotors hat, wird die Sitzheizung elektrisch gespeist.

Nix für Raser, aber für Vorreiter

Der Opel Ampera ist kein Fahrzeug für Raser, wohl aber für technikbegeisterte Vorreiter. Die ausgefeilte Technologie zielt auf Pendler, denen die Benzinrechnung die Haare vom Kopf frisst. Sie ist für Stadtmenschen gedacht, die viel im Umland unterwegs sind, oder für Firmen, deren Fahrzeuge vor allem im Stadtgebiet laufen. Für diesen Wagen ist die Umweltzone kein Problem. Morgens mit dem Wagen zur Firma, dort an die Steckdose gehängt. Am Abend zurück, über Nacht wieder an der Dose. Das lohnt sich, denn mit 2,50 Euro je hundert Kilometer „Spritkosten“ ist der Ampera jedem Diesel oder Benziner überlegen, auch Autos mit Gasantrieb. Der Clou: Am Fahrzeug verfügt der Wagen über eine fünfpolige Ladedose. Am anderen Ende des Ladekabels befindet sich ein handelsüblicher Schukostecker, wie er in jede 230-Volt-Dose passt. Der Ladestrom ist mit 16 Ampere abgesichert, acht Ampere genügen auch. Soll heißen: Diesen Wagen kann man praktisch überall tanken: Am Bordstein, unterm Carport, an der Wochenendlaube, in den Verlagsräumen von Berg.Link in der Wörther Straße. Der Bordcomputer erlaubt es, die Ladezeiten vorzuwählen, wie mit einer Schaltuhr.

Wer elektrisch fahren will, stellt sich auf die Zukunft ein. Denkt nach vorn. Zwar kostet der Ampera etwas mehr als fossile Autos mit vergleichbarer Antriebsleistung und Ausstattung. Aber im Verbrauch „schluckt“ er deutlich weniger. Hochgerechnet auf 160.000 Kilometer kommt man – auch wirtschaftlich – besser weg. Eine sparsame und ökologische Fahrweise ist kein Problem, die Betriebsanzeige unterstützt den Fahrer dabei. Wer elektrisch fährt, will ökologisch fahren, nachhaltig auf lange Sicht: In zehn Jahren wird dieser Wagen noch einen erheblichen Wiederverkaufswert haben. Autos mit Benzinmotoren oder Dieselaggregaten werden dann keine neuen Käufer mehr finden. Sie wandern direkt in die Schrottpresse. Seit der Ankunft des Opel Ampera auf dem Kollwitzplatz dürfte klar sein: Auch bei den Autos hat die Energiewende begonnen.