von: Jonathan Stauffer
4. April 2021
Moulin de la Rouchotte - eine Art kleine Farm, die Claudia Zangger und Jonathan Stauffer in Frankreich besitzen und für kreative Auszeiten anbieten. pd © Moulin de la Rouchotte in Frankreich, geführt von Claudia Zangger und Jonathan Stauffer - pd
Das Ostergeschehen birgt, abgesehen von allen konfessionellen Gesichtspunkten, alleine in seiner Geschichte für alle Menschen die grössten Geheimnisse, die allerdings schwer verdaulich sind. Es sind Rätsel, die uns die radikalsten Fragen stellen. Bereits zum zweiten Mal in Folge versuchen staatliche Verfügungen uns auch dieses Jahr daran zu hindern, das Osterfest zu begehen und uns dadurch mit diesen Fragen innerlich zu beschäftigen. Weshalb setzt das Auferstehungsgeschehen am Ostersonntag einen Verrat am Gründonnerstag voraus? Den Verrat eines engsten Gefährten an seinem Lehrer? Ein Verrat, der Christus dem Kreuzestod ausliefert? Ohne diesen kapitalen Verrat von Judas wäre das zentrale Ostergeschehen nicht möglich. Mit diesem Rätsel bleiben wir alleine. Ein etwas abgeschwächtes Rätsel ist die dreifache Verleugnung des Petrus. Petrus, auch er ein Jünger, der sogar später in der Geschichte des Christentums eine zentrale Funktion ausfüllt, leugnet dreimal, dass er den verhafteten Christus kennt. Weshalb nur? Was ist in ihn gefahren, dass er nicht dazu stehen kann, was in seinem Herzen lebt? Gerade er, der bei der Verhaftung des Christus sogar mit seinem Schwert diese verhindern wollte? (Weshalb wird eigentlich nichts weiter über den verwundeten Häscher geschrieben, dem immerhin von Petrus ein Ohr abgehauen wird? Weshalb wird das einfach so hingenommen, abgesehen vom Verweis des Jesus an Petrus?) Wenden wir nun den Blick auf uns und auf die Geschehnisse, die sich seit über einem Jahr global ausgebreitet haben. Auch in diesem Zusammenhang reihen sich viele Rätsel aneinander. Wenn wir uns prüfen, wäre es dann möglich, dass auch wir als Kollektiv und vor allem als Individuen wesentliche Aspekte verleugnen, die unser Menschsein ausmachen? • Verleugnung der eigenen Urteilsfähigkeit Als Mensch verfüge ich über die Möglichkeit, eigene Urteilsfähigkeit auszubilden. Urteilsfähigkeit meint die Fähigkeit, individuell zu urteilen, auch wenn das Urteil nicht in eine Konvention passt, sich nicht in eine gemachte Meinung einfügt, man vielleicht ganz alleine damit zu sein scheint. Immer, wenn es nur eine richtige Meinung gibt, dann findet eine kollektive Verleugnung der Urteilsfähigkeit statt. Es kann einfach nicht sein, dass nur eine Meinung richtig ist. Das ist unmenschlich. Schliessen wir uns einer gemachten Meinung an, verleugnen wir eine wesentliche menschliche Fähigkeit, ja wir verleugnen unser Mensch-sein. Seit über einem Jahr verleugnen wir kollektiv und individuell diese Urteilsfähigkeit. Zum ersten Mal kräht der Hahn. • Verleugnung der Empathiefähigkeit Wie kann es sein, dass wir Verordnungen zustimmen, vielleicht nur still und resigniert, die einem elementaren und natürliche Mitgefühl widersprechen. Alte Menschen einsam eingesperrt auszugrenzen, eine würdige Sterbebegleitung zu verbieten, gebärenden Frauen eine Maske zu verordnen, Kinder von der Schule auszuschliessen, sich nicht mehr freudig mit Handschlag und Umarmung begegnen zu können. Weshalb verleugnen wir unsere Empathie, weshalb machen wir mit und praktizieren diese entmenschlichenden Vorschriften? Wieder kräht der Hahn. • Verleugnung der eigenen Handlungsfähigkeit Es zeichnet uns Menschen aus, dass wir einen Handlungswillen haben können, eine Initiativkraft, um schöpferische und individuelle Handlungen ausführen zu können, Handlungen, die auch für das Kollektiv wertvoll sind. Zentral wird diese Fähigkeit in der Kunst sichtbar. Gerade die Kunst wird am meisten unterdrückt und zerstört seit einem Jahr. Kein Wunder zeichnen sich alle «Lösungsansätze» für die Krise durch Fantasielosigkeit und Lähmung der Handlungsfähigkeit aus. Zum dritten Mal kräht der Hahn. Das Rätsel des Judas hat eine Dimension, vor der wir uns zunächst schaudernd zurückziehen und die hier nicht weiter vertieft werden kann. Die dreifache Verleugnung des Petrus hingegen können wir verstehen und nachempfinden, wenn wir still lauschen und vor allem uns selber ehrlich begegnen. Solange wir selber individuell und im kollektiven Unbewussten solche Verleugnungen praktizieren, steht uns ein Urteil über das Verhalten des Petrus nicht zu. Das Geheimnis und die schiere Grösse des Ostergeschehens laden uns ein, unsere eigenen Verleugnungen zu erkennen und zu verwandeln. Das ist unsere persönliche, konkrete Auferstehung. Eine Auferstehung aus den Grüften von Propaganda und Manipulation in die eigene Urteilsfähigkeit, Empathiefähigkeit und Handlungsfähigkeit. Das ist uns jederzeit möglich. Wo auch immer wir gerade in unseren Leben stehen, es spielt da keine Rolle, welcher Religion wir anhängen, welche Weltanschauung oder welchen sozialen Satus wir haben. Die Ergebnisse dieses Auferstehungsprozesses sind offen, menschlich und österlich ist es jedoch, wenn diese Prozesse ohne Verleugnung unserer entsprechenden Fähigkeiten sich entwickeln. Dann entsteht auch notwendig die Fähigkeit zum Diskurs und zum Dialog. Wir wünschen Ihnen von Herzen frohe Ostern, innere und äussere Gemeinschaft, Mut und Zuversicht und das österliche Licht der Verwandlungsprozesse. Jonathan Stauffer |
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