von: Christoph Pfluger
20. Juni 2016
© pd
Es ist schwierig, einen Irrtum zu erkennen, den alle teilen. Dies zeigt sich in grandioser Deutlichkeit an unserem Geld. Wir tragen es ständig mit uns herum, opfern den besten Teil unseres Lebens seinem Erwerb und trotzdem machen wir uns kaum Gedanken, woher es kommt, wie es wirkt und wohin es uns führt. Es ist uns so selbstverständlich, dass kaum jemand den Gedanken erwägt, dass es von gravierenden, um nicht zu sagen verheerenden Systemfehlern geprägt ist. Besonders verhängnisvoll ist, dass ausgerechnet viele Politiker und Führungskräfte die Fehlfunktionen des Geldes nicht erkennen (oder nicht erkennen wollen) und das grosse Schiff der Weltgemeinschaft in eine gefährliche Richtung lenken.
So versuchen wir, uns in der immer rücksichtsloseren Wirtschaft zu behaupten und geben allzu leicht uns selber die Schuld, wenn es uns nicht richtig gelingen will. Aber die Rahmenbedingungen unseres Geldsystems, sind buchstäblich mörderisch. In der reichen Schweiz spüren wir dies weniger. Aber die Mehrheit der Menschen auf der Erde lebt unter menschenunwürdigen Verhältnissen, obwohl sie sich alle Mühe geben, ihre Situation zu verbessern. Während viele immer noch den Traum eines besseren Lebens hegen und hart dafür arbeiten, ist für immer mehr das Gegenteil die harte Realität: Hunger, Elend, Umweltzerstörung – man mag es nicht mehr hören.
Nicht die einzige, aber die mit Abstand wichtigste Ursache für die markanten Missverhältnisse auf der Welt, für die klaffende Schere zwischen Arm und Reich und die um sich greifende Unsicherheit liegt in unserem Geldsystem. Das Geld ist ein hochpotentes Steuerungssystem – auch scheinbar kleine Fehler können über die Zeit enorme Konsequenzen haben.
Ein solcher unscheinbarer Fehler mit explosiver Langzeitwirkung liegt in der Geldschöpfung, von der die allermeisten Bürgerinnen und Bürger entweder keine Ahnung oder eine eindeutig falsche Meinung haben. Knapp 90 Prozent der Menschen, das zeigen Studien aus Deutschland und der Schweiz, glauben, das Geld komme von der Nationalbank, bzw. der Europäischen Zentralbank. In Tat und Wahrheit schöpfen die privaten Banken rund 85 Prozent des Geldes selber. Die Banken verleihen nicht das Geld der Sparer – diese behalten es nämlich –, sondern schöpfen bei jeder Kreditvergabe Geld, das es vorher nicht gegeben hat. Dabei entsteht einerseits ein gleich bleibendes Guthaben, das in Zirkulation geht und eine Forderung, die mit der Zeit wächst. Diese Asymmetrie der privaten Geldschöpfung aus dem Nichts gegen Zins führt zwingend zu wachsenden Ungleichgewichten, unter denen die Welt nun zu zerbersten droht.
Obwohl im Grunde einfach zu erfassen, ist unser Geldsystem nicht in einem kurzen Artikel oder youtube-Film zu verstehen. Nicht nur das Gerede der Finanzindustrie, der Politik und der Medien steht uns im Wege, auch die eigenen Irrtümer erschweren den Durchblick. Die dafür nötige Erkenntnis kann nur ein Buch leisten. Deshalb habe ich eines geschrieben. Es will die Systemfehler in verständlicher Sprache analysieren, ihre Wirkung auf die Geschichte darstellen und Lösungswege aufzeigen. Ob es mir gelungen ist, entscheiden Sie als Leserin und Leser.
Wir haben es zwar schon oft gehört, aber es zeigt sich auch hier: Die Krise ist eine Chance. Und die ganze grosse Krise dieser Zeit ist die ganz grosse Chance.
Für alle, die partout keine Bücher mehr lesen, folgt nachstehend eine Zusammenfassung der zehn Fallgruben unseres Geldsystems. Für die Lösung verweise ich dann doch auf das Buch, das man hier für 23 Franken/21 Euro bestellen kann.
1. Rechtsunsicherheit: Obwohl Teil der meisten Verträge und Gesetze gibt es keine juristisch klaren Definitionen von Geld. Die gebräuchlichste Form, das Giraldgeld, ist nicht einmal gesetzliches Zahlungsmittel, sondern nur eine Forderung darauf.
2. Mangelnde Kontrolle: Die Geldschöpfung durch die privaten Banken wird faktisch nicht kontrolliert. Die Banken melden post factum die neu geschöpften Gelder der Zentralbank und beschaffen sich, falls überhaupt nötig, die erforderliche Mindestreserve von 2.5 Prozent (in der Eurozone 1 Prozent)
3. Positive Rückkopplung: Die Geldschöpfung durch die privaten Banken wirkt prozyklisch, anstatt antizyklisch. In Boomphasen wird die Geldschöpfung beschleunigt, in Krisenzeiten gebremst.
4. Benachteiligung der Nachhaltigkeit: Durch den Zins hängt der Geldwert von der Zeit ab. Unser Geld bevorzugt den schnellen Profit gegenüber dem nachhaltigen Nutzen. Langfristige ökologische Investitionen werden benachteiligt.
5. Wachstumszwang: Weil mit jedem Geldschöpfungsakt (Kreditvergabe) nicht nur eine bestimmte Menge neuen Geldes entsteht, sondern auch eine mit der Zeit grösser werdende Forderung, muss die Finanzwirtschaft die entstehende Lücke nach dem Schneeballprinzip mit immer neuen Krediten schliessen. Dies erzeugt einen Wachstumszwang, der bei Nichterfüllung schliesslich zum Zusammenbruch des Geldsystems führt. Ein Geld aus Schulden, die nicht bezahlt werden, verliert jede ökonomische und juristische Grundlage.
6. Bevorteilung der Finanzwirtschaft: Weil Wachstum in der Realwirtschaft begrenzt ist, fliesst der überwiegende Teil der neu geschöpften Gelder in die Finanzwirtschaft, wo sie keine Werte schaffen, sondern nur für eine Erhöhung der Preise für Anlagegüter und Wertpapiere sorgen.
7. Inflation: Weil das Wachstum der Kreditgeldmenge der Produktion der Realwirtschaft und der nominalen Wertsteigerungen in der Finanzwirtschaft immer vorauseilt, entsteht systemische Inflation. Die Profiteure dieser Entwicklung sind die Erstbezüger der neuen Gelder (die Kreditwürdigen), die noch zu den alten Preisen einkaufen können.
8. Zunehmender Wettbewerb: Weil aus systemischen Gründen immer zu wenig Geld da ist, um alle Forderungen zu begleichen und sich die Lücke fortwährend vergrössert, verschärft sich auch der Konkurrenzkampf um das ständig zu knappe Tauschmittel laufend. Er hat inzwischen die Kinderkrippen erreicht.
9. Umverteilung: Weil der Zins infolge der privaten Geldschöpfung gewissermassen in unser Geld eingebaut ist, zahlen wir mit jeder Transaktion auch verborgenen Zins, im Durchschnitt rund 30 Prozent. Diese Umverteilung fliesst von den Arbeitenden zu den Vermögenden, welche über die für die Geldschöpfung notwendige Kreditwürdigkeit verfügen.
10. Verschiebung der Risiken: Die unvermeidlichen systemischen Risiken der zinsbasierten Geldschöpfung durch die privaten Banken werden durch die Zentralbanken, die Politik und globale Finanzinstitutionen so lange verschleiert, bis sie zu gross sind, um mit legalen Mitteln entschärft werden zu können. Anstatt die Probleme jetzt zu lösen, verschiebt sie unser Geldsystem in die Zukunft.
Christoph Pfluger (Autor und Herausgeber des Magazins ZEITPUNKT)
Das Buch „Das nächste Geld“, Edition Zeitpunkt, ist im Buchhandel erhältlich
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