von: Heiko Schwarzburger
18. Januar 2013
Menstruationskappen aus hypoallergenem Silikon. © Lune-Gruppe
Erdbeerwoche, Periode, Menstruation oder einfach nur „meine Tage“: Der Volksmund und die Wissenschaft kennen viele Begriffe, um die monatliche Regelblutung von Frauen zu beschreiben. Doch nicht um linguistische Betrachtungen geht es an dieser Stelle, sondern um Abfallberge. Eine westeuropäische Frau benötigt im Laufe ihres Lebens zwischen 10.000 und 17.000 Tampons oder Binden. Weltweit ergibt das alljährlich einen Müllberg von rund 45 Milliarden Hygieneprodukten für Frauen. Problematisch sind dabei die Inhaltsstoffe: Aufgrund des Kunststoffanteils sind konventionelle Tampons und Binden nicht biologisch abbaubar. Die vielfältigen Chemikalien, Kunststoffe und Duftstoffe stellen nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein gesundheitliches Problem dar: Über Entzündungen und allergische Reaktionen können viele Frauen ein leidvolles Lied singen. Und meist geht es um Einwegartikel, die nach Gebrauch in die Toilette wandern. Grund zur Klage für die Handwerker: Rund drei Viertel aller verstopften Abflüsse gehen auf weggespülte Hygieneartikel zurück. Die Reparatur und die Reinigung der sanitären Anlagen verursachen – volkswirtschaftlich gesehen – enorme Kosten.
Frau redet nicht gern darüber, denn seit Urzeiten ist sie mit „Unreinheit“ gebrandmarkt. Noch immer ist es peinlich, über Menstruationsmüll zu reden. Es ist ein Tabu. Allerdings: Laut Umfragen würden drei Viertel aller Frauen ökologische Alternativen nutzen, wenn es die denn gäbe. Und es gibt sie: Seit Herbst 2012 wird in Berliner Apotheken eine neuartige „Menstruationskappe“ abgeboten, auf dem Heldenmarkt im November wurde sie erstmals vorgestellt. Die Kappe besteht aus medizinischem Silikon. Sie ist eine becherförmige, leicht einzusetzende Alternative zu Tampons und Einwegbinden. Praktisch verursacht sie keinen Müll, da sie mehrere Jahre lang wieder verwendet werden kann. Neben der Kappe ist kein weiterer Schutz nötig. „Die Menstruationskappe ist aufgrund ihrer Langlebigkeit nicht nur aus ökologischer Sicht sinnvoll“, sagt Heli Kurjanen, Gründerin der finnischen Lune-Gruppe. „Sie stellt auch eine äußerst kostengünstige Alternative zu Wegwerfprodukten dar.“ Lunette bietet die Kappe für rund 30 Euro an, sie amortisiert sich innerhalb von sechs Monaten.
In Deutschland ist die Lunette-Menstruationskappe in zwei Größen in Apotheken, in ausgewählten Onlineshops und über die Webseite des Unternehmens erhältlich. „Das Produkt ist noch für viele Frauen unbekannt“, weiß Heli Kurjanen. „Daher ist es wichtig, dass sie bei Bedarf persönliche Beratung bekommen. In Apotheken ist das möglich.“ Vor sieben Jahren hat Kurjanen ihr Unternehmen für hygienische und Reinigungsartikel in Finnland gegründet. Die Menstruationskappe wird in einer finnischen Fabrik gefertigt. Das hypoallergene Silikon wurde von der zuständigen Behörde in Helsinki für medizinische Zwecke freigegeben. Latex oder Duftstoffe werden nicht verwendet. Mittlerweile ist die Lune-Gruppe in mehr als zwanzig Ländern vertreten. Auch andere Unternehmen bieten mittlerweile solche Kappen an.
Die Menstruationskappe hat die Form eines kleinen Bechers. Sie wird wie ein Tampon eingesetzt und muss alle acht bis zwölf Stunden entleert werden. Im Gegensatz zu Tampons trocknet die Scheidenflora nicht aus, Pilze und Harnwegsinfektionen gehören der Vergangenheit an. Die Kappen sind gesünder und angenehmer als Tampons. Eigentlich existieren sie bereits seit den 1930er Jahren. Allerdings sind sie vielen Frauen völlig unbekannt. „Das liegt an unserer Wegwerfgesellschaft, die wieder verwendbare Produkte marginalisiert“, kritisiert Heli Kurjanen.
Während sich in Finnland und Großbritannien die Vorteile von Menstruationskappen bereits herumgesprochen haben, wissen nur wenige deutsche Frauen von ihrer Existenz. Auf dem Heldenmarkt im vergangenen November war das Interesse jedoch groß: Denn eine Menstruationskappe ersetzt tausende Tampons. Eine Besucherin meinte: „Im ersten Moment konnte ich mir nicht vorstellen, dass so etwas funktioniert. Nachdem mir die Frauen von Lunette die Handhabung erklärt haben, möchte die Kappe auf jeden Fall ausprobieren. Es ist wirklich schockierend, wie viel Müll man jeden Monat mit Tampons und Binden verursacht.“ Klar ist: Die Sache erfordert ein Umdenken. Probieren geht über studieren.