von: Heiko Schwarzburger
20. August 2016

Zwei Zauberer mit 19 Saiten

Am 4. September 2016 steigt im Schlot in Berlin die CD-Release von Hartmann & Brunn: „Nineteen Strings“. Was den Zuhörer erwartet, ist wohl kaum Jazz. Sondern einfach nur gewagt – und echt Klasse.

Andreas Brunn (links) und Hans Hartmann spielen im blinden Vertrauen. Der Zuhörer ist versucht, selbst die Augen schließen. © Sevi Tsoni

Das Feuilleton rätselt, das Feuilleton orakelt, so gelesen in der Süddeutschen Zeitung: „Ist das noch Jazz?“ Der Autor bemüht sich und akademische Koryphäen des Kulturbetriebs, aber zugehört hat er nicht. Schwamm drüber, lassen wir Gras über solcherart Journaille wachsen. Was zählt, ist die Musik, sind die sehr ungewöhnlichen Stücke von Hans Hartmann und Andreas Brunn. Ihre neue CD „Nineteen Strings“ lässt alle Kategorien verblassen, passt in kein Schema, da spielen Schubladen keine Rolle mehr. Ist das noch Jazz? Von mir aus, wem’s hilft.

Laika Records hat die CD aufgelegt, die Hartmann & Brunn stemmen durften. Denn 2014 waren sie die Preisträger des Studiopreises Jazz, den der Berliner Senat ausgelobt hatte. Der Schweizer Hartmann zupft den Chapman Stick, Andreas Brunn aus Deutschland sekundiert auf einer siebensaitigen Akustikgitarre. In jedem Stück werden die Karten neu gemischt, die Rollen zwischen Beiden neu verteilt. Mal führt der Chapmann Stick, mal die Gitarre, sogar innerhalb eines Stückes geht es munter hin und her.

Aber niemals beliebig, niemals flau oder in mechanischer Langeweile. Allein der Chapman Stick klingt, als wären mindestens zwei Instrumente darin verborgen. So lässt das Duo den Sound eines Trios von der Leine, sprich: von den Saiten, in wunderbarem Dialog, leicht fließend und doch sehr genau abgestimmt. Beeindruckend ist die Vielfalt der verschiedenen Stile, die sich auf der CD finden.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Studiopreis war keine Nachwuchsprämie, hier sind keine Newcomer am Werk. Im Gegenteil: Hans Hartmann schaut mittlerweile auf 74 Lenze zurück, seine Karriere im Jazz war lang. Unter anderem arbeitete er mit Chet Baker, Atilla Zoller und Philly Joe Jones.

Der unnachahmliche Sound des zwölfsaitigen Chapmanstick entsteht beidhändig getappt. Dadurch kann Hartmann zwei Linien gleichzeitig spielen, vergleichbar dem System eines Pianisten. Er verblüfft durch eine Vielzahl von Klängen, setzt eine getragene Melodie über einen funky georgelten Baß oder enge Harmonien zu einem mit dem Bogen gestrichenen Bordun.

Andreas Brunn ist bekannt für seine Jazz-Adaptionen mit den ungeraden Metren des Balkans sowie seine virtuosen Fingerspiele. Er bereichert die Arrangements durch Percussion auf dem Korpus seiner Gitarre. Brunn räumte beim Kompositionswettbewerb des Fachmagazins Akustik Gitarre den ersten Preis ab.

Doch nun genug der verbalen Appetithäppchen! Eine kleine Vorschau gibt es auf diesem Video sowie auf der Website der Künstler.

Und nicht vergessen: CD-Release am 4. September 2016, ab 21.30 Uhr, Kunstfabrik Schlot, Invalidenstraße 117, 10115 Berlin.