von: Cornelia Fleischer
4. Mai 2013

„Nein!“ macht erfolgreich

Viele Menschen übernehmen mehr Aufgaben als es ihre Zeit oder Kraft zulässt. Andere wollen sich seit Jahren beruflich verändern. Doch es gelingt ihnen nicht, sich von den alten Gewohnheiten zu trennen.

Cornelia Fleischer ist die Gastautorin dieses Beitrages. In ihren Seminaren ermutigt sie ihre Klienten, eigene Wege zu gehen und ihre Kreativität auszuleben. © CoFly

Wir folgen im Leben bestimmten Annahmen, von denen wir glauben, dass sie für uns erfolgreich sind. Diese Annahmen sind das Ergebnis von Erfahrungen und haben sich in der Regel bewährt. Um Streit und Konflikte im privaten und beruflichen Umfeld zu vermeiden, sind beispielsweise viele Menschen geneigt, den Erwartungen ihrer Umwelt zu entsprechen. Wenn die Anforderungen jedoch zu groß werden oder sich ändern, kann diese Haltung zu einem Gefühl der Überforderung oder gar Hilflosigkeit führen.

In dieser Situation befinden sich viele meiner Klienten. Sie sind beruflich engagiert und wollen ihre Ziele selbstbestimmt realisieren. Sie versuchen private und berufliche Pläne zu vereinbaren. Und sie bemühen sich, ihr Privat- und Berufsleben mit ihren Lebenspartnern, Kinder und Eltern unter einen Hut zu bringen.

Ein Weg durch den Dschungel

Schaut man sich die Biografien erfolgreicher Menschen an, so wird deutlich: Um Ziele zu erreichen, muss man nicht nur wissen, wohin man will, sondern auch in der Lage sein, sich von möglichen Hindernissen abzugrenzen. Innovative Geschäftsideen – das weiß jeder Selbstständige – erfordern den Mut, seiner Zeit voraus zu sein und von kritischen Stimmen unbeirrt zu bleiben. Gelungene Beziehungen setzen voraus, dass man seine Position vertreten und eigene Bedürfnisse erfüllen kann. Gesundheitliches Gleichgewicht bedeutet, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein und sie zu achten. Die Fähigkeit, im richtigen Moment, „Nein!“ zu sagen, ist dabei unerlässlich.

Die Harmonie wahren

Wie kann ich „nein!“ sagen und trotzdem die Harmonie wahren? Die Unternehmerin Beate Westphal hat sich diese Frage lange gestellt. Seit über zehn Jahren leitet sie die Keksbank und das Talentcafé in der Oranienburger Straße. In ihrer Keksbäckerei backt sie mit ihrem Team feines Konferenzgebäck für Berliner Firmen. Immer wieder schlüpft sie auch in die Rolle der Beraterin, um im Talentcafé anderen auf der Suche nach ihrem Traumjob zu helfen. Als Buchautorin ist sie deutschlandweit bekannt. „Um den unterschiedlichen Rollen meines Berufs gerecht zu werden, muss ich Prioritäten setzen“, sagt Beate Westphal. „Bei größeren Projekten bedeutet das zuweilen, dass ich private Kontakte und Treffen mit Kollegen auch mal einschränke.“ Derzeit schreibt sie an einem neuen Buch und ist phasenweise kaum ansprechbar. „Diesen Freiraum brauche ich, um im Kopf frei zu sein, neue Ideen zu entwickeln und das Projekt erfolgreich abzuschließen. Manchmal führt das jedoch zu Spannungen in meinem Umfeld, weil ich nicht allen Erwartungen gerecht werden kann.“

Das Leben in einem solchen Spannungsfeld kann auf Dauer großen Stress verursachen. „Im letzten Sommer wurde der Druck für mich so groß, dass ich in meiner Arbeit völlig blockiert war“, erzählt Westphal weiter. „Die Situation spitzte sich zu, als ich Geburtstag hatte und den ganzen Tag über das Telefon klingelte. Gleichzeitig stand eine wichtige Deadline bei meinem Verlag direkt vor der Tür. Mein Weg war dann, an alle Freunde eine in Ruhe verfasste Mail mit einer Projektbeschreibung zu senden und mich auf freundliche Weise für hundert Tage auszuklinken.“

Kein geregelter Alltag

Viele Selbstständige haben keinen geregelten Arbeitsalltag. Sie empfinden es als besondere Herausforderung, Beruf und Familie auf harmonische Weise zu verbinden. Im Fall von Beate Westphal kommt hinzu, dass sie in der Öffentlichkeit steht und viele Anfragen von möglichen Kooperationspartnern erhält. Um private und berufliche Beziehungen zu pflegen, muss man jedoch nicht immer „Ja!“ sagen. Das hat sie durch ihre Krise im vergangenen Sommer gelernt.

Gelungene Beziehungen setzen voraus, dass man seine Bedürfnisse gegenüber Mitmenschen vertreten kann. Im Zweifelsfall bedeutet das auch, die Erwartungen anderer zu enttäuschen. „Das macht aber gar nichts“, findet Beate Westphal heute. „Wenn es mit einem Augenzwinkern geschieht, kann ein Nein so süß schmecken wie mein bestes Konferenzgebäck.“

Sich selbst Grenzen setzen

Die Fähigkeit, „Nein!“ zu sagen, spielt auch in der Beziehung zu sich selbst eine Rolle. Denn viele Alltagsbelastungen mutet man sich – bewusst oder unbewusst – freiwillig zu. Die Unternehmensgründerin Sina Erkenbrecher kennt dieses Problem. Mit ihren zwei Geschäftspartnern hat sie das Unternehmen Melovely aufgebaut, das jungen Designern von Schmuck und Accessoires hilft, ihre Produkte online zu vertreiben. „In der Anfangsphase unserer Unternehmensgründung haben wir mehrere Monate fast ohne Pause durchgearbeitet“, erzählt sie. „Wenn wichtige Meilensteine anstanden, dann ging das manchmal nicht anders. Mir ist aber bewusst geworden, wie wichtig es ist, sich selbst Grenzen zu setzen. Sonst kommt man an einen Punkt, an dem nicht nur die Kräfte nachlassen, sondern auch die Motivation verschwindet.“

Vielen Selbstständigen fällt dieser Schritt schwer. Der Wunsch, alle Fäden in der Hand zu behalten, das Streben nach Perfektion oder ein ausgeprägtes Pflichtgefühl sind nur einige Gründe. Gerade als Selbstständiger muss man jedoch auch Verantwortung für die Folgen erhöhter Arbeitsbelastung tragen. Ohne die Fähigkeit, mit seinen Kräften hauszuhalten, wird es schwer, langfristig Erfolg zu haben.

Um sich selbst Grenzen zu setzen, muss man Gewohnheiten und Ideale loslassen, die unnötig belasten. Das kann im ersten Moment schmerzhaft sein. Für Sina Erkenbrecher wurde das besonders deutlich, als der Onlineshop ihres Unternehmens im November 2010 eröffnet wurde. Sie hatte mit ihrem Team hart auf diesen Meilenstein hingearbeitet. Zum Eröffnungstermin gab es allerdings noch viele offene Baustellen. „An den Markt zu gehen, obwohl erst achtzig Prozent unserer Vorstellungen umgesetzt waren, das hat mir damals richtig wehgetan“, berichtet sie. „Heute versuche ich bewusst, nicht alles hundertprozentig perfekt zu machen. Mit der Zeit ist mir klar geworden, dass viele Dinge, die ich immer weiter optimieren wollte, für unseren Erfolg und die Qualität unserer Leistungen gar keine Rolle spielen.“

Gezielt „Ja!“ sagen

In schwierigen Situationen tut man oft das, was kurzfristig am wenigsten Ärger macht. Um sich konstruktiv abzugrenzen, ist es jedoch hilfreich, auch die langfristigen Berufs- und Lebensziele im Blick zu haben. Ein Jahr mehr oder weniger im falschen Job oder in der falschen Beziehung hat vielleicht keine große Tragweite. Eine vorübergehend erhöhte Arbeitsbelastung auch nicht. Viel wichtiger ist die Frage, wie es sich auswirkt, wenn das Handeln gegen die eigenen Bedürfnisse zur Gewohnheit wird. Wer „Nein!“ sagt und sich abgrenzt, trifft auch eine gezielte Entscheidung für das, was ihm langfristig im Leben wichtig ist.

Seminartipp: „Nein!“ sagen – aber richtig.

Nächster Termin: 18. Mai 2013, 10 Uhr bis 17 Uhr