von: Urs Heinz Aerni
19. Dezember 2014
© Swiss German Club
Urs Heinz Aerni: Sie sind Gründer und Vorsitzender des Vereins Swiss German Club, der das Zusammenarbeiten- und leben zwischen Deutschen und Schweizern fördern oder vereinfachen möchte. Wo sind nach wie vor noch die größten Hemmschwellen dazu?
Fritz Burkhalter: Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Deutschland funktioniert ja sehr gut, wie auch einige Kennziffern zeigen, was die Schweiz für Deutschland ist:
– Rang 1 als touristischer Quellmarkt
– Rang 6 für Direktinvestitionen
– Rang 9/10 (wechselnd) bei den Exporten und Importen
Und die Zusammenarbeit hat weiteres Potential.
Aerni: Die wären?
Burkhalter: Die Schweiz ist für Deutsche attraktiv wie die Zuwanderung zeigt – wo die Deutschen die größte Gruppe stellen und heute um 300.000 ausmachen.
Aerni: Trotz steuertechnischen Nebengeräuschen?
Burkhalter: Politisch wurde die „Steuerfrage“ weitgehend bereinigt und die persönlichen Beziehungen, zwischen Bundespräsident Didier Burkhalter und Außenminister Frank Walter Steinmeier sind bestens.
Aerni: Wie nimmt die Schweiz den großen Nachbar wahr?
Burkhalter: Aus Sicht der Schweiz entfernt sich Deutschland immer mehr von der Schweiz. Dies hat verschiedene Gründe wie:
– Umzug von Bonn nach Berlin
– Engagement in der EU – während die Schweiz ja nicht in der EU ist
– Engagement in der Weltpolitik
Aerni: Aber die Exotik der Schweiz gegenüber Deutschland nimmt auch zu, oder?
Burkhalter: Richtig, die Schweiz wird erklärungsbedürftiger, denken wir nur an die Abzockerinitiative oder die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative – die letztere wurde in Deutschland nach meiner Beurteilung falsch interpretiert. Ja, die Deutschen verstehen unsere Demokratie wohl noch etwas zu wenig, genauso umgekehrt wie es die Schweizer das im Deutschen Grundgesetz verankerte Streikrecht oft nicht nachvollziehen können – und vor allem deren Anwendung wie die neusten Beispiele bei der Bahn oder im Luftverkehr zeigten.
Aerni: Besteht Handlungsbedarf für die Schweiz?
Burkhalter: Die Schweiz muss sich für die Zukunft in Deutschland und in der EU verstärkt in Berlin einbringen. Hier haben wir im Swiss German Club auch die „Stärkung der Interessenvertretung in Berlin“ als Maßnahme definiert. Eine gebündelte und koordinierte Informations- und Interessenvertretung, ergänzend zur Diplomatie vertreten durch die Botschaft.
Aerni: Mit welchen Zielen gelangen Mitglieder an Sie?
Burkhalter: Hier unterscheiden wir zwischen Personen und Unternehmen. Bei den Unternehmen geht es um das interessante Netzwerk des Clubs. Hier suchen die Unternehmensvertreter raschen Zugang zu denen für Sie wichtigen Ansprechpersonen, was sich je nach Bedürfnis stark ändert. Weitere Anliegen sind fachkundige Informationen zu Firmengründungen, Marktaufbau, Steuerfragen, Grenzabwicklung und vieles mehr – bis hin zur konkreten Begleitung.
Aerni: Wie ist es bei Privatpersonen?
Burkhalter: Bei den Personen geht es um Heimat, wie ich es mal definiert habe. Also um den Kontakt mit Schweizer, für Deutsche, die in die Schweiz übergesiedelt sind. Oft wird der Unterschied der Lebens-Kultur und der Sprache unterschätzt.
Aerni: Sie veranstalten Treffen und Reisen in beiden Ländern, wie kommt das an?
Burkhalter: Das spricht sehr gut an. Wertvoll ist der von uns angestrebte Mix zwischen Schweizern und Deutschen, was für die Teilnehmer als solches schon durch den gegenseitigen Austausch bereichernd ist.
Aerni: Die Schweizer bezeichnen Deutschland oft als den „großen Kanton“ und die Deutschen die Schweiz?
Burkhalter: Die Schweiz genießt in Deutschland bei den Deutschen eine sehr hohe Sympathie. Diese wollen wir doch den Deutschen in der Schweiz auch entgegen bringen.
Aerni: Wo sehen Sie kurz- und mittelfristig die größten Herausforderungen für die Co-Existenz der beiden Ländern?
Burkhalter: Dass wir die Nähe nicht verlieren und dass „sich Deutschland und die Schweiz verstehen“.
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