von: Urs Heinz Aerni
10. Dezember 2014

Schreiben zwischen Film und Roman: Dominik Bernet

Dominik Bernet schrieb drei erfolgreiche Bücher, die in Deutschland unbedingt entdeckt werden müssen. Er schreibt aber auch Drehbücher für die Schweizer TV-Serie "Bestatter", die ebenfalls hierzulande gut ankäme. Vielleicht kommt das noch? Wir stellten Fragen.

© T. Ogasawara/

 

Dominik Bernet, in Ihrem aktuellen Roman kreisen Sie literarisch den Giftanschlag am Buß- und Bettag 1776 auf den Abendmahlswein im Zürcher Großmünster ein. Das war ja eigentlich fast ein 9/11 für damalige Verhältnisse. Wer verhalf Ihnen, dieses Ereignis aufzunehmen?

Am Anfang stand mein Umzug in die Zürcher Altstadt. Ich lebe gleich um die Ecke von Lavaters Wirkungsstätte, der St. Peter Hofstatt, und von einem Fenster aus sehe ich direkt aufs Großmünster. Der Stoff drängte sich also nachgerade auf: Ich hatte den Tatort vor Augen und den Ermittler in der Nachbarschaft. Da konnte ich nicht widerstehen.

Hauptfiguren sind der Pfarrer und Physiognomiker Johann Caspar Lavater und sein Zögling Jakob Zundel, die sich auf Verbrecherjagd machten. Fiktion mischt sich mit Fakten, wo lagen für Sie die größten Herausforderungen?

Die größte Herausforderung war wohl der Anspruch an mich selbst, wenigstens zu wissen, wo und wann ich von den historischen «Fakten» abweiche. Ich meine damit nicht primär historische Ereignisse, die ja stets Interpretation sind, sondern Alltagsdetails. Wie schliefen die Leute, wie gingen sie zur Toilette, wo und wann aßen sie? Vieles davon ist ziemlich genau recherchiert und belegt. Zudem macht es ja auch Spass, sich im Zürich des ausgehenden 18. Jahrhunderts zu bewegen, das in sehr vielen Details heute noch erhalten ist.

In Ihrem Roman wähnt man sich etwas im Geiste von Süskinds «Parfum». Einverstanden damit?

Allzu üppige Komplimente machen mich misstrauisch.

Nach ihrem Bestseller «Marmorea» und dem beeindruckenden Zweitling «Der große Durst» sind sie auch im dritten Roman «Das Gesicht» ihrem verspielten, genauen und filmschnittigen Ton treu geblieben. Wie fanden Sie Ihren literarischen Ton?

Ich hatte das Gefühl, ich hätte meinen Ton gerade beim letzten Buch etwas den historischen Gegebenheiten angepasst, da ich auch viel mit Originalquellen arbeitete. Ich versuchte eigentlich bei jedem meiner Bücher, meinen Ton den neuen Gegebenheiten anzupassen. Aber ein gewisser Grundton bleibt wohl immer erhalten, und der hat mit meinen erzählerischen Grundbedürfnissen zu tun. Ich möchte, wie Sie sagen, genau sein – aber lieber nicht pedantisch – und wenn immer möglich ambivalent. Denn jedes Ding hat ja drei Seiten, eine positive, eine negative und eine komische, wie Karl Valentin einst treffend formulierte.

Nebst Romanen schreiben Sie Drehbücher, dazu gehört der Kinofilm «Marmorera» und die TV-Serien «Hunkeler» und «Der Bestatter». Worauf muss man sich beim Drehbuch mehr drauf einlassen als beim Verfassen von Romanen?

Wenn man filmisch erzählen möchte, sollte man so viel wie möglich in äussere Handlung umsetzen. Man erzählt ja in Bildern, auch die Gedanken und Gefühle einer Figur sollten im Idealfall irgendwie sichtbar werden, wenn nicht alle Figuren unablässig über ihre innere Befindlichkeit sprechen sollen.

Gibt es noch weitere Unterschiede?

Sicher, einen ganz praktischen: Einen Roman schreibt man meist alleine, da hat man dann auch das sprichwörtlich letzte Wort. Drehbuchschreiben hingegen ist immer Teamwork, manchmal von Anfang an, manchmal erst, wenn es an die Umsetzung geht. Als Romanautor bin ich Alleinunterhalter, als Drehbuchautor liefere ich im besten Fall die Partitur für ein hoffentlich talentiertes Orchester.

Die ersten Staffeln vom «Bestatter» kam beim Publikum und Kritik sehr gut an, gute Ausgangslage für die nächste oder auch erdrückende Erwartung?

Der Erfolg der 1. Staffel wird wohl dafür sorgen, dass die Leute den Fernseher einschalten. Das ist schon mal die halbe Miete, also eine sehr gute Ausgangslage. Aber eben nur die halbe Miete, denn die Zuschauer sollen ja dabeibleiben. Ich bin da einigermaßen zuversichtlich, denn wir haben nichts Grundlegendes verändert. Wir haben allerdings versucht, einen Gang hochzuschalten. Mein Job als Drehbuchautor ist ja, alle Beteiligten in möglichst grosse Schwierigkeiten zu bringen. Da können sich die «Bestatter»-Figuren in der 2. Staffel glaub ich nicht beklagen …

Auf was freuen Sie sich am meisten, bei der neuen Staffel, die ja jetzt im Januar im Fernsehen startet?

Auf Luc Conrads (Mike Müller) Gesicht, wenn er Anna-Maria Giovanoli (Barbara Terpoorten) mit dem smarten Spezialisten der Bundeskriminalpolizei (Carlos Leal) flirten sieht. Oder wie es der Claim der 2. Staffel treffend formulierte: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Die Fragen stellte Urs Heinz Aerni

Dominik Bernet wurde 1969 in Basel geboren, studierte dort Philosophie und Germanistik und nach Lebensstationen in Los Angeles, Karibik und Bern lebt er heute als Roman- und Drehbuchautor in Zürich.

Die Bücher:

Titel: Marmorera, Roman
ISBN: 9783305004201
Seiten: 248
Verlag:  Cosmos

 

Titel: Der große Durst, Roman
ISBN: 9783305004218
Format: 13 x 20 cm
Seiten: 128
Verlag:  Cosmos

 

Titel: Das Gesicht, Roman
ISBN: 9783305004225 
Verlag:  Cosmos

 

Filme bei denen u. a. auch Dominik Bernet Drehbücher schrieb:

Der Bestatter Fernsehserie auf SRF und als DVD erhältlich.

Hunkeler – TV-Serie auf SRF, die Filme sind auch auf DVD erhältlich.