von: Urs Heinz Aerni
22. September 2018
© Verein «500 Jahre Zürcher Reformation» Ev.-ref. Landeskirche des Kantons Zürich
Urs Heinz Aerni: Zu Ihrem Programm „eingerockt und ausgesungen“ zitieren Sie Zwingli: „Der Mensch ist zur Arbeit geschaffen, wie der Vogel zum Fliegen“. Nun Sie sind der Sohn eines Hoteliers. Wäre das die falsche Arbeit gewesen?
Jürg Kienberger: Die beiden Berufe, der des Hoteliers und meiner, sind insofern vergleichbar, dass beide einen Tag und Nacht beschäftigen. Ich bin mit dem gewählten Beruf des „Musikspielers“ zufrieden, da ich mich jeweils nur für die kurze, konzentrierte Zeit einer Aufführung meinem Publikum ausliefere, während der Hotelier praktisch rund um die Uhr seinen Gästen zulächelt.
Aerni: Sie kreisen auf der Bühne die historische Figur und den Reformator Huldrych Zwingli ein. Erhielten Sie während der Vorbereitung ein neues Bild von ihm?
Kienberger: Zwingli kannte ich bis zu unserer intensiven Auseinandersetzung mit ihm eigentlich nur von der Briefmarke und – ah ja – meine Großmama mütterlicherseits wohnte an der Zwinglistraße in St. Gallen. Auf die Idee, ihm einen Theaterabend zu widmen, wären meine Frau Claudia Carigiet und ich nie gekommen. Dazu brauchte es einen klaren Auftrag. Nach mühseligem Durchforsten der Geschichtsbücher bekam die historische Figur des Reformators nach und nach seine „roten Wangen“.
Aerni: Gäbe es eine heute lebende Person, die Sie auch so porträtieren würden?
Kienberger: Beim Porträtieren einer heute lebenden Person würde der verlockende Aspekt des Erfindens einer Kindheit derselben wegfallen. Über das Aufwachsen eines Jungen in Wildhaus und Weesen am Ende des 15. Jahrhunderts weiß man ja praktisch nichts, was unsere Fantasie angestachelt hat.
Aerni: Was war für Ihre künstlerische Arbeit zuerst da, die Ironie oder die Musik?
Kienberger: Die Musik. Ironie darf erst sein, wenn man was gut kann, finde ich.
Aerni: 2017 erhielten Sie den Schweizer Musikpreis, 2014 den Schweizer Kleinkunstpries und 2011 den Salzburger Ehrenstier zu denen ich gerne noch nachträglich gratuliere. Prägen solche Auszeichnungen die Arbeit oder geht man unbeirrt seinen Weg?
Kienberger: Solche Auszeichnungen bestätigen einen künstlerischen Weg. Sie geben das Selbstvertrauen und den nötigen Mut, unbeirrt weiter zu arbeiten.
Aerni: Sie sind in Sils-Maria geboren, touren durch über die Bühnen der deutschsprachigen Länder und entwickeln mit Ihrer Frau Claudia Carigiet Themen und Stücke. Gibt es im Bündner Blut etwas, das eventuell für Ihre Kreativität nachwirkt?
Kienberger: Die gute Luft und die wunderbare Berg- und Seen-Landschaft des Oberengadins hat bekannterweise viele Menschen inspiriert und so auch mich. Meine Musik würde anders klingen, wenn ich meine Kindheit in – sagen wir mal – Landquart, oder Bochum, wo ich mich grad aufhalte, verbracht hätte.
Aerni: Mit welcher mentalen Haltung täte das Publikum gut daran, Ihre Vorstellung zu besuchen?
Kienberger: Lassen Sie – wenn nötig – Ihren katholisch-oder-reformierten-Kleinkram“ zuhause und freuen Sie sich auf eine spielerische Auseinandersetzung mit einer außergewöhnlichen Schweizer Persönlichkeit.
Info:
Der in Sils-Maria geborene Jürg Kienberger lebt und arbeitet heute als Musiker, Theater-Schauspieler, Sänger und Kabarettist. Als jüngstes Kind der Hoteliersfamilie im „Waldhaus“ hörte er täglich Life-Musik, diese Kaffeehaus-Melodien haben ihn zu seiner Karriere wohl inspiriert. Nach abgebrochenem Germanistikstudium und autodidaktischem Erlernen seines heutigen Berufes wirkt Kienberger seit 1984 freischaffend an Theaterhäusern in Zürich, Basel, Berlin oder Hamburg. Zusammen mit Christoph Marthaler erarbeitet er an die 30 Theater- und Opernabende an den Salzburger Festspielen, den Wiener Festwochen, an der Pariser Oper, in Avignon und Grönland. Internet: http://juergkienberger.ch
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