von: Umweltinstitut München e.V.
26. März 2020
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Die Idee, Bio-Lebensmittel direkt Ab-Hof zu verkaufen, ist so alt wie die Bio-Bewegung selbst. Ökologisch erzeugte Lebensmittel sollten nicht weit transportiert und die Bauern und Bäuerinnen unabhängig sein – von der Chemieindustrie ebenso wie von den großen Konzernen des Lebensmitteleinzelhandels. Entsprechend alt sind einige Hofläden. Der kaufmännische Geschäftsführer des Umweltinstituts, Martin Bauhof, lebt auf einem solchen Hof, den sein Schwiegervater, ein bayerischer Bio-Pionier, vor 30 Jahren gegründet hat. Jetzt, in der Corona-Krise, ist der Betrieb systemrelevant. Damit die Versorgung mit Gemüse aus der Region für die KundInnen gewährleistet ist, halten Familie und MitarbeiterInnen das physical distancing und die Hygienevorschriften besonders streng ein.
Die KundInnen wissen das Angebot zu schätzen. „Zurzeit kommen immer wieder Leute, die zum Beispiel größere Mengen Kartoffeln kaufen wollen. Wir erklären ihnen dann, wie man Kartoffeln lagern müsste, damit sie nicht so schnell austreiben und nicht mehr gut sind. Und dass es auch in zwei Wochen noch Kartoffeln geben wird. Die nehmen dann die üblichen 2 kg mit und kommen lieber nächste Woche wieder,“ berichtet Martin. Der direkte Kontakt, Beratung und Wertschätzung für die Lebensmittel führt so dazu, dass sinnvoller eingekauft und weniger weggeworfen wird.
Doch einen Hofladen zu betreiben ist für viele LandwirtInnen keine Option. Ein Laden ist arbeits- und personalintensiv und ohne ständige Kommunikation und Marketing besteht die Tendenz, dass die KundInnen doch den bequemeren Weg in den Supermarkt gehen. Moderne Technik bietet weniger arbeitsintensive und für die KundInnen bequemere Möglichkeiten für die Direktvermarktung. Karl Bär, Referent für Agrarpolitik im Umweltinstitut, nutzt gerne die „Milchtankstellen“ in den Dörfern rund um die Kleinstadt, in der er lebt. „Im Umkreis von unter zehn Kilometern kann ich bei mindestens sieben Bauernhöfen an einem Automaten oder mit einer „Kasse auf Vertrauen“ rund um die Uhr einkaufen. Milch, Eier, Nudeln, Käse, Likör, Marmeladen, Honig und Aufstrich gibt es sogar in Bio-Qualität. Wenn ich von einem Termin in Berlin erst spät nach Hause komme, kann ich mit dem Fahrrad noch Einkaufen fahren. Und jetzt, wo ich jeden Tag nur im Home-Office sitze, mache ich gerne eine Tour zur Milchtankstelle und hole frische Milch und Käse direkt vom Hof.“
In der Großstadt gibt es diese Möglichkeiten nicht. Doch im Internet gibt es inzwischen viele Online-Hofläden. Im Umweltinstitut stehen gerade noch mehrere Kilo Perldinkel und Linsen, die wir bei einem Bioland-Betrieb im Münchner Umland bestellt haben. Wer jetzt in der Krise Lebensmittel bei Amazon bestellt, weil die Ansteckungsgefahr im Supermarkt droht, vertraut auf globale Lieferketten und einen der größten und mächtigsten Konzerne der Welt. Wir vertrauen lieber auf Bio-Bauernhöfe im Nachbarlandkreis.
Veronika Feicht, unsere Referentin für Landwirtschaft, geht einen Schritt weiter. Sie ist Mitglied einer Genossenschaft, die eine eigene Gärtnerei betreibt: „Für mich heißt es jetzt, die Mittagspause zu nutzen, um aus dem Home-Office zu einer Garage in meiner Nachbarschaft zu radeln, wo meine Gemüsekiste auf mich wartet. Darin finde ich diese Woche Lauch, Karotten, rote Beete, Postelein-Salat, Rucola und Tomatensugo im Glas – mein sogenannter Ernteanteil. Die Kiste bekomme ich vom „Kartoffelkombinat“ – einer solidarischen Landwirtschaft im Münchner Umland: Ich zahle einen Genossenschaftsbeitrag und bin gleichzeitig (anteilige) Eigentümerin und Kundin. Ungefähr ein „1600-stel“ der Bio-Gärtnerei – so viele Mitglieder hat das Kartoffelkombinat – gehört mir, also auch ein „1600-stel“ der Ernte. Für mich ist das die perfekte Möglichkeit, mich mit regionalem, saisonalem und ökologischem Gemüse zu ernähren und zugleich unabhängiger zu werden von der profitorientierten und krisenanfälligen Agrarindustrie.“
Von der Solidarischen Landwirtschaft (kurz SoLaWi) gibt es viele verschiedene Formen: Manche „SoLaWis“ ziehen die KonsumentInnen zu Arbeitseinsätzen mit heran und beteiligen sie an Entscheidungen auf dem Betrieb. Bei anderen kaufen sie einfach die Ernte zu einem vorab berechneten Preis. Allen gemeinsam ist aber, dass sich ProduzentInnen und KonsumentInnen das Risiko teilen, das Landwirtschaft als Produktion mit der Natur immer enthält. Mehr noch als Direktvermarktung schafft Solidarische Landwirtschaft eine neue, direkte Beziehung zwischen denen, die Lebensmittel herstellen und denen, die sie essen. Das ist für beide gut.
Und es muss nicht immer teuer sein: Da Zwischenhandel und Transport wegfallen, ist der Preis für gleichwertige Produkte in der Direktvermarktung oft nicht höher und manchmal sogar günstiger als im Supermarkt. Meistens ist es aber weniger bequem: Wer direkt von Bio-LandwirtInnen kaufen will, muss sich damit beschäftigen, kann nicht alles am selben Ort einkaufen, ist an die Saison gebunden und zahlt manchmal doch einen höheren Preis.
Leider gibt es keine Zentralstelle für Direktvermarktung, die Informationen über alle Hofläden, Milchtankstellen und SoLaWi-Initiativen sammelt. In einigen Regionen helfen Vereine, kommerzielle Start-Ups oder kommunale Standortmarketinggesellschaften der ökologischen Landwirtschaft bei der Vermarktung. Doch eine bundesweite Liste zu pflegen ist das wegen des hohen Kommunikationsaufwands nicht zu schaffen.
Wer selbst regionale Bioprodukte direkt Ab-Hof kaufen will, beginnt deshalb am besten im Internet. Mit einer Suche nach Schlagworten wie „Hofladen“, „Bio-Bauernhof“, „Bio-Gärtnerei“, „Milchtankstelle“, „Gemüsekiste“ oder „solidarische Landwirtschaft“ zusammen mit dem eigenen Wohnort oder Landkreis wird man meist schnell fündig. Und wer beim regionalen Einkauf mit den ProduzentInnen und den anderen KundInnen redet, lernt schnell selbst die Betriebe kennen, die nicht so leicht im Internet zu finden sind. Die Qualität der Produkte, die Unabhängigkeit von der globalen Agrarindustrie und der Schutz unserer Umwelt sind den Aufwand sicher wert.
Umweltinstitut München e.V. www.umweltinstitut.org
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