von: Urs Heinz Aerni
15. Oktober 2014
© Messe Berlin - Ort der DKOU2014
BERG.LINK: Sie sind Arzt und haben nun als Patient sich unter dem Verfahren von Rapid Recovery sich ein halbes Kniegelenk im linken Knie einsetzen lassen.
Martin Flückiger: Das ist natürlich ein großer Vorteil weil ja die alle Bänder verschont werden und nur der Gelenk-Knorpel angegangen wird.
Als Sie von Rapid Recovery hörten, was ging Ihnen durch den Kopf?
Mir ist ja schon das Fast Track in der Chirurgie in meinem Arbeitsbereich seit rund 15 Jahren bekannt, mit der Erfahrung, dass Patienten so viel schneller wieder auf die Beine kommen. Früher war ein Patient nach der Entnahme des Dickdarms zwei Wochen „schwer krank“ aus verschiedenen Ursachen unter anderem auch durch die Mengen an Fusionen und Medikamenten. Wir sahen uns damals die Fast Track-Methode in Berlin an und sahen die vielen Vorteile damit, beginnend mit sparsameren Einsatz von Mitteln bei der Anästhesie usw.
Sie reden von Bauchoperationen…
… genau und als ich von Rapid Recovery erfuhr, war ich sofort offen und positiv dazu eingestellt.
Und aus der Sicht des Arztes?
Wir finden das super, wir wollen operieren und nicht Patienten besuchen.
Auch nicht bei sympathische Patienten?
Absolut (lacht). Die wollen wir lieber wieder an der Bar sehen.
Was ist mit Rapid Recover für den Patienten anders, in der Vorbereitung oder bei der Information?
Was natürlich völlig neu ist, sind diese Informationsveranstaltungen zusammen mit den anderen Patienten, was es übrigens beim Fast Track nicht gibt.
Und?
Das finde ich sehr gut. Vielleicht etwas langfädig aber auch, weil ich als Arzt wohl vieles kenne. Doch für die anderen ist das eine gute Sache.
Wie nahmen sie die allgemeine Stimmung wahr?
Es ist eben eine Art Seminar-Atmosphäre und vielleicht etwas eine trockene Angelegenheit und ob durch Umpositionierungen der Sitzordnung das aufgelockert werden kann, weiß ich nicht aber ich fühlte mich wohl. Aber man könnte sich das schon überlegen, ein anderes Setting zu gestalten, zum Beispiel in einem Restaurant oder mit Kaffee auf den Tischen, das trüge sicher zur Lockerung bei den Patienten bei.
Wo sehen Sie bei diesen Infoveranstaltungen den Hauptnutzen aus der Sicht des Patienten?
Fundierte Informationen, ein Gesamtblick auf den ganzen Ablauf, die Präsenz aller beteiligten Mitarbeitern und für den Arzt den großen Vorteil, dass in derselben Zeit gleich mehrere Patienten behandelt werden können.
Eine Entlastung und Zeitersparnis für die Ärztinnen und Ärzte ?
Unbedingt! Auch in der Aufklärungspflicht eine Vereinfachung durch die Anwesenheit aller Beteiligten in der Gruppe von Mitpatienten. Diese Art von Patienteninformation ist mir sehr sympathisch.
Was war für Sie die größte Überraschung als Patient mit Rapid Recovery?
Keine Schmerzen.
Löst das Übermut aus?
Ja, absolut! Die Gefahr besteht, dass durch die Schmerzfreiheit Übermut ausgelöst wird und der Patient vielleicht zu viel unternimmt. Bei mir war es vielleicht zusätzlich auch noch die Wirkung des Mittels Targin, das Euphorie auslösen kann.
Wenn Sie Rapid Recovery mit Ihren Erfahrungen mit Fast Track vergleichen, wo sehen Sie Unterschiede?
Natürlich sind es zwei verschiedene Schweregrade, die Eingriffe bei den Gelenken oder im Bauch mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen für den Patienten unmittelbar nach den Operationen. Nach meiner Knieoperation konnte ich noch am gleichen Tag ohne Geh-Hilfe ins WC, das sind schon Welten dazwischen. Deshalb würde ich es auch nicht direkt vergleichen wollen.
Wie war es für Sie während der Operation, haben Sie geplaudert oder Musik gehört?
Nein, ich wollte dösen und bekam auf Wunsch ein Schlafmittel. Obwohl laut Aussage von einer anwesenden Mitarbeiterin ich recht redselig gewesen sei (lacht). Aber ich wollte nicht alles mitbekommen aber es gibt ja Leute, die alles sehen wollen und es sogar filmen lassen. Aber zu denen gehöre ich nicht.
Wie sehen Sie Rapid Recovery ökonomisch? Vorteile?
Ich glaube nicht, dass dies sehr große finanzielle Vorteile generiert. Das Teure ist ja die Operation selber, die ja nicht sehr viel anders abläuft … natürlich, wenn Patienten früher nach Hause können und schneller mobilisiert werden, kann das für das Krankenhaus unter Umständen interessant sein aber ich glaube nicht, dass dies auf die Gesamtsumme einen großen Sparertrag ausmacht.
An die Möglichkeit einer durchschnittlichen Verkürzung der anberaumten Zeit der Bettbelegung glauben Sie nicht so ganz?
In einzelnen Fällen vielleicht schon aber über das Ganze gesehen, eher nicht. Da geht ein Patient ein Tag früher nach Hause, dort kommt ein anderer nochmals zur Nachbehandlung zurück … ich glaube, das gleicht sich wieder aus und hat keine große Auswirkung auf die Gesamtkosten.
Die Chancen einer Modifizierung zwecks Straffung von Aufwand und Kosten sehen Sie also nicht.
Schauen Sie, da spielen so viele Faktoren mit; persönliche Verfassungen, Nachblutungen, soziale Umstände, Befindlichkeiten und andere Geschichten um all die verschiedenen Menschen lassen eine einheitliche Verfahrensweise nicht zu. Der Mensch ist für mich nicht schematisierbar, er ist eine unglaublich komplexe Maschine die niemand versteht und wir können einfach echt froh sein, dass sie so gut funktioniert.
Also null Kostenersparnis?
Wie gesagt, von Fall zu Fall verschieden. Sicher können zum Beispiel bei der Kollektivinformation Geld und Zeit beim medizinischen Personal gespart werden aber der beste Kostenbremser ist eine gute Operation. Der billigste Patient ist derjenige mit einer optimal gelungenen Operation.
Die Halbwertszeit der Operation macht es also aus?
Ja, die Lebensqualität, die Arbeitsfähigkeit, das sind ökonomische Faktoren, die x-mal größer sind als Sparmaßnahmen im Akutfall.
Wo liegt für Sie der Hauptvorteil von Rapid Recovery?
Dass der Patient bald nach Hause kann und es ihm gut geht und er sich wieder wohl fühlt, auch das Teamerlebnis bei der Informationsveranstaltung hat seine Wirkung. Überhaupt, das Involvieren des Patienten in die Aufklärung und der aktiven Teilnahme ist ein sehr wichtiger Vorteil und führt dazu, dass der Patient mitmacht.
Eine Erhöhung der Kompetenz seitens Patient…
Genau, das lässt ihn mitdenken und auch eine Mitverantwortung übernehmen, was der Austausch mit der Pflege erleichtern kann. Der Patient wird durch Rapid Recovery motiviert, mehr eigene Verantwortung wahrzunehmen statt sich passiv der Behandlung und Betreuung zu ergeben.
Also Schluss mit der totalen Delegierung an die Götter in Weiß.
Ja, der Patient merkt, dass der Chirurg seinen Job macht und der Anästhesist seinen. Die unterschiedlichen Fachleute übernehmen unterschiedliche Aufgaben und alle sind ansprechbar. Der Patient darf und soll mehr mitdenken, da sehe ich große Vorteile.
Allerdings könnte dadurch auch eine Verunsicherung beim Patienten aus dem Hintertal im modernen Spital entstehen.
Diese Gefahr besteht durchaus, doch die Transparenz der Abläufe sowie der Behandlung kann motivieren, nachzufragen und aktiv teil zu nehmen.
Die Ausweitung des Verantwortungsbereichs des Patienten vergrößert seinen individuellen Spielraum, was Ihrer Ansicht über die Einmaligkeit eines Jeden entgegenkäme.
Korrekt. Der Patient soll sich nicht ausgeliefert fühlen, er darf mitreden.
Zusammengefasst: Rapid Recovery fördert die Tatsache, dass jeder Patient ein Unikat ist und so ihn mehr als Person einbindet.
Ja.
Wenn ein Kollege die gleiche Operation bräuchte, was würden Sie ihm nun empfehlen?
Ganz ehrlich? Ich würde ihn zum passenden Chirurgen schicken und nicht zu einem Verfahrensprinzip. Der Chirurg, der genau der richtige ist für den oder die, ist für mich maßgebend.
Welche Gründe könnten sein, dass Chirurgen Rapid Recovery ablehnten?
Keine. Für mich liegen die Vorteile für den Chirurgen absolut auf der Hand. Aber eben drei Chirurgen, vier Meinungen.
Herr Dr. Flückiger, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin gutes Gelingen als Arzt und Patient.
Danke und übrigens, zeigen Sie den Patienten das Röntgenbild mit dem neuen Implantat, das sieht wirklich schön aus.
Das Gespräch wurde von Urs Heinz Aerni in der Praxis von Dr. Martin Flückiger in Aarau (Schweiz).
Rapid Recovery ist ein europäisches Versorgungsprogramm, das von über 150 Kliniken in 14 Ländern angewendet wird. Auch in Deutschland arbeiten immer mehr Kliniken mit dem neuen Behandlungskonzept. Via Anklick finden Sie eine Übersicht der deutschen Rapid Recovery-Krankenhäuser.
Weitere grundsätzliche Informationen über Rapid Recovery und Biomet finden Sie durch die Verlinkung.