von: Urs Heinz Aerni
5. Oktober 2018
© Pressebild - Kathrin Bosshard
Urs Heinz Aerni: Frau Bosshard, in Ihrem Bühnenstück bewohnen eine Künstlerkatze, ein Altpunker-Hund, eine verwitwete Kröte mit deren Gänse-Pflegetochter ein Haus, das einem Hase gehört mt Namen Bernhard Lutz. Nun, es zeigt sich, dass hinter der Fassade einiges am Brodeln ist. Hand aufs Herz, wissen Ihre Nachbarn, dass sie Studienobjekte für dieses amüsante Stück waren?
Kathrin Bosshard: Meine Nachbarn kann ich voll und ganz entlasten. Diese Charaktere schöpfe ich aus mir selber, sonst könnte ich sie nicht so überzeugend spielen. Und meine Regisseurin hat mir dabei wesentlich geholfen, sie hatte eine sehr klare Vorstellung, wie die Charaktere zu sein haben. Wir haben sie quasi gemeinsam aus mir herauskristallisiert.
Aerni: Der Abend „Unter Artgenossen“ wird so einiges ansprechen, was nichts Menschliches uns fremd ist, wie man so sagt. Warum aber Tiere?
Bosshard: Ich hatte einfach nie Lust auf Menschen-Puppen. Ich würde sie vielleicht nicht mögen. Ich mag meine Tiere, auch wenn sie hinterhältige, penetrante und bösartige Charaktere sind. Ich muss sie lieben, sonst springt kein Funke zwischen mir und ihnen. Ich mag das Fabelhafte, die Leichtigkeit, den Witz und den bringen diese Tiergestalten schon mal per se mit auf die Bühne. Die Geschichte, welche sie dann erzählen ist ja finster genug!
Aerni: Die Charakteren passen herrlich perfekt zu den Figuren. Werden sie nach den Wunschcharakteren gestaltet oder die Charakteren dem Gesicht angepasst?
Bosshard: Beides. Es geht so: Ich habe die Idee von einem Charakter und eine Vorstellung von der Puppe. Dann lege ich los mit Bauen. Während die Puppe Gestalt annimmt, nimmt die Figur innerlich Gestalt an. Irgendwann gibt es einen Moment, wo die Puppe mich anschaut, als hätte sie ein Eigenleben. Das ist der Moment wo ich weiß, ich habe Geist in Schaumstoff gepflanzt!
Aerni: Obwohl Sie auf der Bühne zu sehen sind, schauen wir gebannt nur auf Ihre Figuren. Können Sie sich das erklären und gibt es einen fachtechnsichen Ausdruck für diese Irritation?
Bosshard: Es gibt ein paar Tricks ja, zum Beispiel, dass die Aufmerksamkeit des Zuschauers sich dort hin richtet, wo der Blick des Spielers hingeht. Aber ich kenne geniale Puppenspieler die schauen nicht auf die Puppe sondern auf den Boden und es klappt auch. Es ist wohl eine Mischung aus Verschiedenem. Ich beherrsche mein Handwerk, die Animation von Material und ich kann mich der Einbildung hingeben, dass diese Viecher tatsächlich leben. Diese Einbildung wirkt vermutlich ansteckend.
Aerni: Was tun Sie als Bühnenchefin, wenn mal eine Ihrer Figuren aus der Reihe tanzen sollte?
Bosshard: Das machen die nie! Es ist umgekehrt. Die bauen mich auf! Es kam in meiner bald 20-jährigen Puppenspieler Laufbahn mehrere Male vor, dass ich beim Proben im stillen Kämmerlein vor mich hin geheult habe und diesen Beruf an den Nagel hängen wollte.
Aerni: Oh, und …
Bosshard: … aber dann fingen die Puppen an meinem Arm an Witze zu reißen! Bis ich mich krankgelacht habe! Das ist irgendwie so abgefahren aber es ist wahr. Puppen haben eine Macht über die Psyche, und nicht nur bei Kindern. Ich glaube darum mögen einige Erwachsene sie eben gerade nicht.
Info:
Kathrin Bosshard (1972) ist im Kanton AR aufgewachsen und studierte von 1996 – 2000 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Abt. Puppenspielkunst in Berlin. Im Jahr 2000 gründete sie das Theater Fleisch + Pappe und realisierte unter diesem Theaternamen zahlreiche Theaterprojekte. Von 2001 – 2004 arbeitete sie als Dozentin für Figurenspiel an der Hochschule für Musik und Theater in Zürich (heute ZHdK) und realisierte dort von 2002 – 2004 das Pilotprojekt NDK Figurenspiel. Heute ist die Künstlerin in Herisau (AR) wohnhaft und arbeitet als Regisseurin, Texterin, Schauspielerin und Puppenspielerin für ihr eigenes Theater, sowie für andere Bühnen. Internet: http://www.fleischundpappe.ch