von: Edition Converso, Karlsruhe
10. Januar 2023

Polit-Fiction aus Frankreich: Antoine Volodines Einige Einzelheiten über die Seele der Fälscher

Ein Beitrag von Edition Converso

© Edition Converso

Im Zentrum von Antoine Volodines vielschichtigem Roman (aus dem Französischen v. Holger Fock) stehen das ehemalige RAF-Mitglied Ingrid und ihr Jäger Kurt aus dem BKA, der sich anhand ihres Fahndungsfotos unsterblich in sie verliebt hat und ihr zur Flucht verhilft. In den letzten gemeinsamen Tagen in Lissabon steht zwischen ihnen Ingrids titelgebender Schlüsselroman über den Untergrundkampf, den sie im fernen Exil schreiben will. Mit großer poetischer Kraft und unbezähmbarer Phantasie entwirft Antoine Volodine ein Requiem auf die Nachkriegswelt, spielt dazu auf raffinierte Weise mit den Erzählebenen, nimmt die gängigen Totalitarismen auseinander, verpasst seiner Frustration über das zwangsläufige Scheitern aller Revolutionen einen teils schmerzlichen, teils erschreckend humorvollen Ausdruck. Literarische Polit-Fiction mit Sogwirkung.

Ingrids Roman im Roman spielt in einer Gesellschaft namens Renaissance, die hinter einer sozialdemokratischen Fassade von einer geheimnisvollen Macht beherrscht wird: Sie kontrolliert die von kollektivem Gedächtnisverlust befallene Gesellschaft, deren Individuen keinerlei Erinnerung an ihre Kindheit haben. Wissenschaftler und Intellektuelle forschen in Kollektiven nach ihrer Herkunft und Geschichte. Ihr Schrifttum, niedergelegt in Archiven, bildet die dritte Handlungsebene des Romans. Ingrid verschlüsselt ihre Erfahrungen und erweist sich als die stärkere Akteurin, da leidensfähiger, kampferprobter: Niemand wird ahnen, dass ich eine wahre Geschichte unserer Epoche geschrieben habe. Durch Volodines literarische Strategie der Unsicherheit können wir nie ganz sicher sein, wo wir uns befinden. Eins ist jedoch überall spürbar: Hier wirkt eine untergründige Erschütterung, die immer wieder offen als das aufbricht, was sie ist: die Folge von Gewalterfahrungen, die über die Jahrzehnte weitere Gewalt nach sich ziehen, und die Trauer um eine verlorene, vielleicht nie als solche existente Utopie.

Mit einem informativen Nachwort des Übersetzers Holger Fock: „Die Welt ist nicht aus Porzellan gemacht“.

Antoine Volodine, geb. 1950, vielfach ausgezeichneter Autor und Erfinder des Post-Exotismus. Übersetzungen in mehr als zehn Sprachen. Auf Deutsch bereits Alto Solo (1992), Dondog (2005), Mevlidos Träume (2011).

Das Buch: „Einige Einzelheiten über die Seele der Fälscher“ von Antoine Volodine, Roman · Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Holger Fock, 2023, 320 Seiten, HC, gebunden, Lesebändchen, bedruckter Vorsatz, 978-3-949558-14-6, Edition Converso