von: MARKUS KUNCKLER
16. Juni 2019

Notizen aus Italien und Sizilien

Markus Kunckler lebt als Musiker im Schweizer Kanton Aargau und besuchte mit dem Camper Sizilien. Er erzählt uns seine Eindrücke. Wir veröffentlichen den Originalton.

© Urs Heinz Aerni - Mondello Sizilien

 

1 Gestern, 5. Juni, war die Besichtigung Pompeis angesagt, wesentlich eindrücklicher, als ich erwartete. Mit Pompei hat man eine pulsierende Stadt aus Vulkanstaub und Lava ausgegraben, deren Tragik des Jahres 79 n. Chr. dem Betrachter Schritt für Schritt deutlicher wird. Im Hintergrund lauert der Vesuv- in beruhigendes Grün eingepackt- geduldig darauf, sein vernichtendes Werk zu wiederholen.
Für die Gegend um Neapel sagen Geologen und Seismologen eigentlich nichts gutes voraus…..eine Frage der Zeit wohl.
Die hochgelobte Amalfi Küste haben wir heute morgen um 7 Uhr besucht. Deshalb so früh, weil das erwachen des Tages mit starkem Verkehrsaufkommen verbunden ist, das von den engen Strassen dann kaum mehr geschluckt werden kann. Die ersten Souvenierverkäufer ordneten bereits ihre touristischen Erinnerungstrophäen auf den Ablagen ihrer kleinen Verkaufsstände, von denen aus man auch ohne Kaufrausch den Blick auf die aufgehende Sonne über dem Meeresspiegel geniessen konnte. Eine kostenfreie Erinnerung, ins Herz und in den Sinn eingebrannt…..
Wir sind dann dort in aller Ruhe von Dorf zu Dorf gefahren, den strahlenden Morgen geniessend. Atemberaubende Häuserarchitekturen hängen in schwindelerregender Höhe, förmlich an den Felsen klebend. Höhlenmenschen des digitalen Zeitalters. Wohl ausgestattet mit WiFi und mobilen Daten.
Alles irgendwie bilderbuchmässig, in allen Farben, faszinierend. Enge Strassen, von kniehohen Mauern eingerahmt, führen zwingend dem steil ins Meer abfallenden Fels entlang.
Leider sind dann gegen Mittag die schweren Motorräder dazugekommen, deren Fahrer eine etwas eigene Vorstellung davon haben, was in dieser herrlichen Gegend Freude macht. Das war dann echt krass, Russisches Roulette auf Rädern. Sie fuhren konsequent rücksichtslos. Zum Glück alles ohne Unfall.

 

2 Hier auf der Insel Sizilien (zur Zeit in Catania) spürt man wie nirgends auf dem Festland die Endlichkeit, ja gar Bedeutungslosigkeit menschlichen Tuns und Wirkens.
Die Natur hat das Sagen. Lebensnahe einmalige Fauna in Konkurrenz mit ungeballter Zerstörungskraft. Der grosse Bruder des Vesuv, der Ätna, beherrscht als Kamin des Erdinneren beinahe die ganze Natur-Szenerie der Ostküste Siziliens. Er hat bereits zahllose Kulturen ausgelöscht und Erdbeben taten ihres dazu, dem Menschen schmerzhafte und verlustreiche Grenzen zu setzen. Und der Ätna wird das wieder tun. Geologen haben vermessen, dass das ganze Ätna Plateau pro Jahr ca. 5 cm ins Meer rutscht, also allmählich abbricht. Kaum vorstellbar, welche Folgen eine solche Szenerie für den gesamten Mittelmeerraum hätte!
Allerdings bietet nach Katastrophen gerade wieder das ausgestossene, mineralienreiche Magma die Grundlage für überbordendes Pflanzenwachstum mit riesiger Artenvielfalt. Das alles wird einem auf Schritt und Tritt deutlich, wenn man zu Fuss über grauschwarze Sandbänke watet, deren Kontrast sich im strahlenden Blau des Meeres potenziert.
Die Italiener trennen den Abfall feinst säuberlich. Da musst du dir sehr Mühe geben. Die Städte und Dörfer sind ausnehmend sauber, die Toiletten auch….
Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass am Ende der Trennungskette wieder alles zusammenkommt, da du mitten in schönster Natur auf ganze Strassenstriche stösst, die zugemüllt sind. Hier wird höchstens einmal pro Jahr geräumt. Die Entsorgung ist für die Italiener derart teuer, dass sie sich das kaum leisten können. Die Mafia hatte das mal im Griff, aber seit die Regierung sich darum „bemüht“, geht gar nichts mehr.
Aber man soll sich jetzt nicht vorstellen, dass Sizilien deshalb keine Reise wert ist, nein bewahre!
In der Schweiz wird ebenso Raubbau an der Natur betrieben, einfach auf technisch höherem Niveau. So quasi digitaler Raubbau in Krawatte. Sauber verpackt aber hoch gefährlich!
Wir warten nun stabiles Wetter ab, um die äolischen Inseln anzufahren.
Das Wetter ist generell sehr schön, aber halt durchzogen und sehr windig.
Die Natur hier gleicht einem Teil der Schöpfung, der der Vorstellung des Paradieses sehr nahe kommt.

 

3 Duschen in Sizilien
Nun hab ich mir heute überlegt, ob wohl mal duschen angesagt wäre. Wir sind doch immerhin bereits über 3 Wochen unterwegs. Nicht, dass es sich längst als überfällig erwiesen hätte, sondern einfach so….
Duschen in Sizilien (oder zumindest an einigen Orten) besteht aus immerwährendem Knopfdrücken. Wassermangel, ist ja klar.
Kaum demütigt sich die Duschbrause dazu, mir ein par Wasserspritzer zu spenden, sind bald die Schultern nass, aber leider bereits Ende des Vergnügens. Nach x-maligem, geduldigem Duschknopfdrücken reicht die spärliche Befeuchtung entweder -du hast die Wahl- am Rücken bis zum Kreuz, oder auf der Vorderseite bis zum Nabel. Das genügt jedoch kaum, die Orte zu nässen, deretwegen du ja hauptsächlich duschen gegangen bist. Also weiter Knopfdrücken bis zum daumenabfallen. Nun bist du erstmals ganz nass. Jetzt kommt der Schaum drauf. Obengenannte Prozedur folgt nun in umgekehrter Reihenfolge, rückwärts also. Leider kalt, da der Vorrat an Warmwasser unterdessen erschöpft ist. Ich frage mich: ist das wohl die Strafe dafür, dass du bisher ein Bad im Meer, das eisiger nicht sein könnte, verschmäht hast?
Wie auch immer, was den sich allmählich meldenden Fusspilz betrifft, der gilt in Sizilien als ungiftig und ist geniessbar! Also kein Drama.
Vorbeugend gehe ich mit Stiefeln duschen, in die ich vorgängig etwas Pinselreiniger oder Desinfektionsmittel gefüllt habe; sind die Stiefel dann mit Wasser voll, weiss ich, dass ich geduscht bin und der Fusspilz vorerst mal unter Kontrolle ist.🤗🤗
Du ahnst es aber bestimmt, meine Duschgeschichte erübrigt sich heute, es regnet in Strömen….😂

 

4 Schon seit zwei, drei Tagen warten wir in Marinello Oliveri auf gutes Wetter, welches endlich eine Überfahrt von Milazzo auf die äolischen Vulkaninseln Lipari und Vulkano erlaubt.
Gestern, Freitag der 17. Mai war es soweit.
Der Morgen erwacht strahlend und ein erster Blick aus dem Wohnwagen verspricht Erfreuliches!
Wir werden mit dem Kleinbus auf dem Campingplatz abgeholt. Nach einer ca. 40 minütigen Fahrt treffen wir im Hafen von Milazzo ein.
Das bereits dort wartende, einladende Schiff nimmt uns gerne auf; frisch gereinigt und gefegt macht es den Eindruck eines sicheren Horts und wir hegen keinen Zweifel an dessen Hochseetüchtigkeit.
Es schluckt eine respektable Anzahl von Passagieren, unter anderem auch zwei Schulklassen.
Mit viel Lärm und Gejohle besetzen die Kinder vergnügt ihre Plätze und erwarten gespannt das Ablegen des Schiffes. Als dieses dann nach zwei, drei Kilometern ruhiger Fahrt das offene Meer erreicht, wurde die See etwas rauher und das dicht belegte Schiff durch den Wellengang entsprechend unruhiger. Der anfangs übermütige Lärmpegel der Schüler flaute deutlich und hörbar ab, da und dort wurden Plastiksäcke verteilt, doch meist zu spät.
So sassen nicht wenige der Kinder alsdann blass und ausnehmend ruhig, mit eher ausdruckslosem Blick – statt vor ihren Handys – vor ihren Mageninhalten, die sich halt überraschend schnell teils auf ihren Tischen, teils am Boden präsentierten.
Die Lehrkräfte taten lautstark, mit sizilianischem Temperament, was ihnen möglich war, um der Lage Herr zu werden, doch die Endreinigung übernahm gelassen das Schiffspersonal.
Es wurde tüchtig geschruppt und desinfiziert.
Wir behalfen uns mit Öffnen der Fenster, mit Kaffee und Gipfeli und dem Bewundern des einmaligen Naturschauspiels, das sich umso unglaublicher präsentierte, je näher wir den Inseln kamen.
Aber eigenartig trotzdem, um nochmals auf die unterhaltsamen Schiffsereignisse zurückzukommen: auch Vulkane stülpen ihren Inhalt von innen nach aussen. (Fast) Einziger Unterschied zur Variante des Menschen: die Vulkaneruptionen halten wir begeistert photographisch fest!

 

5 Schon aus grösserer Distanz vom Schiff aus fasziniert uns die grüne Perle Lipari, welche von der Morgensonne in ihrer Vielfalt vor uns erstrahlt. Die steil aus dem Meer aufragenden Felswände bieten kaum zu übertreffende Grundlage für üppigsten Pflanzenbewuchs.
Wilde Geranien, Bougainvileas in allen Farben, Oleander, Gummibäume, Platanen und Feigenkaktusse wetteifern mit Blumen und Gräsern, die jede Nische ausfüllen welche die Insel mit ihrem schwärzgraurötlichen Lava-Sandboden bietet.
Kaum legt das Schiff im verträumten und malerischen kleinen Hafengebiet an, stülpt (auch) es seinen Inhalt, sprich die Passagiere munter an Land.
Schon bald mengen sich dunkelgebräunte Männer mit schwarzen, spiegelglatt nach hinten gecremten Haaren und weissen Leibchen unter den Strom von Passagieren, die nun zu ahnungslosen Passanten geworden sind und verteilen leuchtend farbige Flyer, um auf die Taxifahrten hinzuweisen, für die bereits eine Anzahl schneeweisse Mercedes – Kleinbusse in Reih und Glied den kleinen Quai füllen.
Wir lassen uns anheuern und entscheiden uns für eine Inseltour, von der wir ja nicht wissen konnten, was uns erwartet. Noch zwei weitere Personen genügten dann, um diese Tour also zu viert zu starten. Eine überaus nette Chauffeuse, auch mit schwarzem Haar und schwarzer Flanellwindjacke, setzte sich ans Steuer und wir fuhren los.
Ich fasse mich kurz um den Rest zu beschreiben: es war einfach traumhaft!
Enge steile Serpentinen führten uns durch einen Park mit einer Pflanzenpracht, die wir so noch nie gesehen haben. Dies alles mit einem unvergleichlichen Panorama aufs Tiefblaue Meer und die Geschwister der äolischen Inseln vulkano, Stromboli, Alicudi, Filicudi, Salina….
Jede dieser Inseln vulkanischen Ursprungs ist einzigartig und unterschiedlich zu der anderen, ein wahres Feuerwerk an Natur, Stromboli gar ein aktives, da er in 20 minütigen Abständen Lava ausspuckt, die dann an einer seiner Steilwände erstarrt.

 

6 Stromboli und Tamagotschis
Manchmal klingen Wörter in verschiedenen Sprachen ähnlich oder gar gleich, haben aber nicht die gleiche Bedeutung.
So kenne ich jemanden, der seinem Handy mit Vorliebe „Tamagotschi“ sagt. In der italienischen Sprache bedeutet „una goccia“ – ein Tropfen oder Schluck.
Gestern mussten Handys buchstäblich beweisen, wieviele „goccias“ sie in der Lage waren, unbeschadet zu überstehen. Ihre Besitzer auch.
Das war so:
Wir hatten eine ca. 11 Stündige Schiffsfahrt, 2 längere Aufenthalte eingerechnet, zum aktiven Vulkangiganten Stromboli gebucht, zum „Matterhorn der Italiener“, welcher rund 900 Meter kegelförmig – teils grün bewachsen, teils abweisend bräunlichschwarz – aus dem Meeresspiegel ragt und dessen Flanken im Wasser jäh in eine Tiefe von 2000 Meter abfallen. Da kannst du nicht mehr stehen.
Darum gibt es dort fast ebensoviele Boote wie Bergsteiger am Matterhorn.
60 Euro pro Person schienen uns dafür nicht zuviel, sodass wir erwartungsvoll ins Boot stiegen, welches im Hafen von Milazzo freundlich und sonnenbeschienen auf uns wartete.
Die hintere Hälfte des 2 stöckigen Schiffes war nicht verkleidet und so belegten wir in weiser Voraussicht Plätze im inneren Vorderteil des 1. Stockes.
Kurz nach dem verlassen des Hafens wurde uns bewusst, was Sache ist, als nämlich der erste Wellenbrecher mit roher Gewalt auf das Boot traf, welches nun mit grosser Geschwindigkeit versuchte, die Dünung zu durchtrennen. Mit zwei, dreitausend PS angetrieben, gelang dies erstaunlich gut, aber eben nicht immer, sodass alsbald eine Menge Wasser von allen Seiten, auch von oben das Schiff und auch die Passagiere arg benetzte. Die hochprozentigen, wohl recht kostbaren Getrönkeflaschen in der Schiffsbar hatten ebenfalls Mühe stehen zu bleiben, was für mich ein klares Zeichen war, dass auch die Schiffscrew die Wettersituation eher etwas falsch eingeschätzt hatte. Ein wahrer Prüfstein für all die „Tamagotschis“, sprich Nokias, Samsungs, iPhones und Huaweis plus deren Besitzer, von denen einige nunmehr klatschnass den Stromboli zu besuchen hatten, dessen ungestüme Energie leider nicht zum Kleider trocknen geeignet ist. Was nicht bedeutet, dass rohe Eier locker hart würden, gingst du nah genug an die Krateröffnung.
Die allerdings verhüllte sich gestern schamerfüllt mit einem frottee ähnlichen Wolken Hütchen, wie wenn sie uns hämisch sagen wollte, dass wir unsere 60 Euro in den Sand gesteckt hätten (Ins Wasser natürlich).
So mussten wir uns mit einer Umrundung des Stromboli begnügen, ohne Sicht auf das Feuerwerk, das ja den daheimgeblienen Schweizern am 1. August noch bevorsteht, bevor uns eine unruhige Rückfahrt durch die Nacht gegen 22 Uhr wieder in den Hafen parkte.

 

7 Unsere Tour führte uns nun von Milazzo aus der Nordküste Siziliens nach Richtung Westen, Palermo zu, eine wunderschöne Reise an einen optisch wunderschönen Ort: Cefalù, ursprünglich ein Fischerdorf mit fast unendlicher Geschichte. Seit der Bronzezeit war hier alles mal angesiedelt, was in der Lage war, die Meere zu durchkreuzen.
Das hat auch die UNESCO erkannt und nun gehört Cefalu zum Weltkulturerbe. Punkt.
Gut? Oder nicht Gut?
Beides wohl.
Einerseits darf am Bild des wunderschönen Dorfes nicht mehr einfach rumgemacht und verschandelt werden. Das ist das eine.
Das andere ist: Es bedeutet wirtschaftlichen Stillstand um das ursprüngliche zu erhalten und es künftigen Generationen quasi als Schauobjekt im Konfitüreglas zu konservieren.
Dafür überrennen Touristen nun den Ort, schauen sich kaum satt und nehmen dem ursprünglichen Charakter des Ortes seinen Atem. Es gibt fast keine Fischer mehr dort. Die Arbeiten nun in der Gastronomie, reinigen Toiletten um dann mit 20 Cent pro Toilettengang abgespiesen zu werden, oder betreiben einen Souveniershop mit Schnickschnack made in China.
Eine Zukunft für junge Leute? Fast keine…
Sie wandern ab, verlassen ihre angestammten Orte um anderswo Fuss zu fassen. Mit besseren Aussichten auf Spannenderes, das das Leben zu bieten hat.
Die Dörfer im Landesinnern sterben aus. Du kannst Häuser für 1 (einen!) Euro kaufen. Allerdings mit der Auflage, es zu renovieren. Witzig,nicht wahr?
Nun bleibt also Cefalu im Korsett der UNESCO was es immer war: optisch wunderschön, mehr nicht.
Die Natur aber ist fantastisch. Eine Pflanzenwelt, die man so kaum irgendwo sieht, entsprechend lebhaft die Vögel, deren Gezwitscher dich bis zum Eingang des Einkaufscenters begleitet, dessen elektronische Schiebetür beinahe durch eine feuerrote, freiwachsende Bougainvilea am öffnen behindert wird.

8 Heute, Samstag der 25. Mai, ging’s ans „Eingemachte“; Palermo mit 1,05 Mio. Einwohnern! Schon die Annäherung mit dem Auto (plus Wohnwagen) lässt ahnen, dass man in eine ungewohnte Welt eintritt.
Zwar ist die Hauptstrasse sehr breit, aber ohne Markierung; niemand schaut auf so was. So bleibst du am besten in der Mitte der ungefähr 3 bis 4 Spuren und hältst dich an den Fluss des Verkehrs, der nach dem Gesetz des Stärkeren verläuft und da sind wir ja mit unserem 12 Meter -Gespann nicht schlecht bedient.
Aber heute haben wir die Bahn in die Innenstadt genommen und siehe da! Modernstes Wagenmaterial vom Schweizer Hersteller Bombardier/ Alstom/ Spuhler, das war ein Ding!
Die liess uns dann direkt vor dem Normannenpalast raus und wir schnupperten schon mal, was es heisst, sich in einer Stadt zu bewegen, die bereits im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung durch die Phönizier begründet worden war.
Zahlreiche Schlachten der Griechen, Karthager und Römer führten zu neuen Bühnenbildern in diesem Gemetzel, das schlussendlich die Araber obsiegen liess, bis die Normannen Sizilien den Arabern Abnahmen.
Unter Friedrich dem 2. erlebte die Stadt Palermo eine Blüte sondergleichen bis die Franzosen die Herrschaft übernahmen.
Palermo zerfiel und verarmte, bis 1415 die Spanier das Zepter übernahmen. Bis 1860 blieb das so. Natürlich hatten auch die Österreicher mal zugegriffen, bis Volksaufstände dazu führten, dass Sizilien sich Italien anschloss.
In den darauffolgenden 2 Weltkriegen zerstörten die Angriffe der Aliierten viele Kunstschätze, was wir natürlich aufgrund unseres heutigen kurzen Besuches nicht nachvollziehen können.

 

9 Für den Besuch des Normannenpalastes (Königspalast, heute Regierungsgebäude und Museum) mussten wir erst 1,5 Stunden anstehen, dann wurden wir durchleuchtet wie am Flughafen, na ja…..
Was wir aber dann erlebten, liess uns dies alles wieder vergessen.
Im Inneren der eher abweisenden, rechteckigen Mauern des Palastes zeigte sich uns ein kultureller Reichtum sondergleichen, der in der Palatina-Kapelle gipfelte, einem religiösen Prunkraum, der wahrscheinlich jeden Willen einer allfälligen persönlichen Andacht ins Abseits stellt.
Er stammt aus der normannischen Zeit, ca. 12. Jh. Die Wände und der Boden bestehen aus kleinsten Mosaikteilchen, also Millionen von Goldplaque belegten Glassteinchen, die kunstvoll mehr oder weniger Biblische Ereignisse repräsentieren.
Allerdings diente dieser Raum ausser den Normannen auch den Katholiken, Juden, Moslems und Orthodoxen als Anbetungsstätte. Diese Kirche gilt als besterhaltener kultureller Zeuge des Mittelalters generell!
Eine fast nicht vorstellbar geniale Hölzerne Decke überdacht den 3-schiffigen Innenraum.
Sie ist aus 8 -eckigen Kasten aus Fichtenholz konstruiert, die seitlich, aber auch gewölbt aneinandergelegt sind. Selbst im Zeitalter der 3D Technik ist kaum nachzuvollziehen, wie eine solche Konstruktion zustande gebracht werden konnte. Erklärungen dafür können darin gefunden werden, dass sich Menschen vom Mystischen bis zum Letzten motivieren liessen, wohingegen wir heute uns eher vom ästhetischen ansprechen lassen.

 

10 Ein Ausflug ins Landesinnere führte uns in den „Parco Regionale delle Madonie“, der die Grösse des Kantons Aargau schätzungsweise locker überdeckt.
Wir dachten, dass uns nun eine steinige Gegend erwartet, die von unzähligen trockenen Sommern geprägt wäre. Doch weit gefehlt!
Bei Campofelice zweigten wir rechtwinklig vom Meer ab und erreichten bereits nach 2 oder 3 Kilometern ein weites, einladendes Tal, das grüner und blumiger nicht hätte sein können! Farbenpracht und saftige Wiesen, geschmückt mit Alpenveilchen konnten die Linsen unserer Kameras kaum befriedigen.
Heidi und Peter inklusive Almhöhi hätten sich hier absolut wohl gefühlt….
Auf 468 Metern Höhe erreichten wir Collesano, ein völlig authentisches Dorf, wo wir mit Einheimischen sprachen, denen die Schweiz gut bekannt war.
Dann ging es echt in Serpentinen hoch bis ca. 1600 m. von wo aus wir über dem grünen Horizont noch immer das Blau des Meeres durch die zackigen, dicht bewaldeten Bergspitzen schimmern sahen. Um uns herum Hochgebirge in Gotthardmanier, einfach viel grüner!
Danach ging’s runter auf 1147 Meter ins Dorf Petralia Soprana, wo uns ein Restaurant ausnahmsweise um 14.30 noch wunderbare Pasta Siziliana anbot.
Die Rückkehr hätte kurvenreicher kaum sein können, aber unser Auto französischer Herkunft schaffte dies locker. Auch zahlreiche Strassenabbrüche und Vertiefungen Talwärts, verursacht durch abrutschende Bergflanken verdaute der Wagen ohne zu mucksen.
Auf 423 Metern Höhe führte uns die Strasse nach Castelbuono, einem Ort mit erstaunlichem Tourismus. Dort erreichten wir zu Fuss die Burganlage welche die Geschichte des Dorfes fühlbar werden liess.
In diesen armen Gebieten werden zwar erstaunliche bauliche Strassenprojekte verwirklicht, danach aber fehlt das Geld, diese zu erhalten. So stellt man halt Baustellen-Tafeln auf, an deren Stützen innert kurzer Zeit Geranien und Bougainvileas hochranken.
Warum auch nicht? Geht doch!

11 Palermo – eine Stadt am Tropf der Vergangenheit
Wenn du nicht mehr in der Lage bist, deine Ausscheidungen zu reinigen, verlierst du Gesundheit und Würde.
Wenn es dir gar egal geworden ist, ob du das kannst oder nicht, hast du deine Zukunft verloren.
Palermo ist krank.
Über diese Feststellung können selbst besterhaltene Reliquien des Altertums nicht hinwegtäuschen.
Würden diese aber fehlen, gingst du nicht einfach so hin.
Die Orientierung ist gut gewährleistet, da die Altstadt durch zwei im Kreuz angelegte Haupt Strassen verläuft.
An diesen Achsen findest du all die historischen Begehrlichkeiten für die es sich halt trotzdem lohnt, zwei, drei Tage hier zu verbringen.
Palermo wird in unserem Führer als eine der gefährlichsten Städte der Welt bezeichnet. Davon merkst du nur dadurch etwas, dass die Carabinieri sicher nicht Allmächtig, aber doch immerhin Allgegenwärtig ist.
Zu Viert, oder sechst, mit ihren schnellen weiss/blauen BMW‘s plus Gefängniswagen, zieren sie die grossen Piazzen und suggerieren Sicherheit. Dort hält man sich ja auf.
Kaum aber wagst du es doch mal, von einem dieser Brennpunkte weg, dich in kleine, finstere Gassen zu begeben, betrittst du unvermittelt eine Dir fremde Parallelwelt mit eigenem Geruch, durchaus mit einem leichten Unbehagen, weil dir plötzlich bewusst wird, wie du aussiehst mit Gepäck am Rücken, Japanischer Kamera an der Brust, seitlich die Tasche mit Portmonee und Ausweisen, zuguter Letzt den Stadtplan als Gegengewicht zum Regenschirm, dazu Wanderschuhe, die dir auf schwierigem Terrain genügend halt geben.
Wenn du dann mit leicht nervösem Blick feststellst, dass du von Handybewehrten Gestalten, die in finsteren Türrahmen rumhängen, beobachtet wirst, dann verstehst du, dass Dir deine Frau sehr gefasst und bestimmt einhaucht „komm, da müssen wir schnell durch!“.
Wenn die Stadtverwaltung in der Lage ist, dem Schmutz und der Infrastruktur der Hauptachsen einigermassen Herr zu werden, ist sie das bereits im Abseits von 5-10 Metern in einer Seitengasse nicht mehr. Hier türmen sich die undefinierbarsten Abfälle, liegen in jeder Ecke; der oftmals entströmende Saft mischt sich dann mit Exkrementen verschiedenster Wesen, denen auszuweichen grosse Konzentration von dir fordert!
Schon bald aber hast du wieder sicheres Terrain gefunden, stehst vor einer weiteren historischen Stätte oder auch Kirche, die sich in Abständen von ca. 10 Gebäuden, manchmal auch dichter, folgen.
Wo sind auch all die Gläubigen, die bereit sind, diese geschichtsträchtigen Anbetungsstätten zu füllen und ehrfürchtig den Hauch der schwarzen Madonnen und marmorenen Jesusse einzuatmen?
Weil sie fehlen, sind im Türportal Kassierinnen und Kassierer installiert, die die einstmaligen Abgaben und Ablasse durch fixe Eintrittspreise ersetzt haben.
Nun, was soll ich noch berichten über eine Stadt, deren Gebäude oftmals mit Gerüsten gestützt werden, deren Rost auf ein fast noch höheres Alter als das Gebäude selbst hat, schliessen lässt?
Darüber, dass von Asiaten geführte Läden dicht an dicht folgen, gefüllt mit den immer wieder gleichen Gegenständen chinesischer Herkunft?
Ab und zu jedoch ein Highlight in Form einer Gelatiauslage, die es in der Länge mit einer Hauptstrasse der Altstadt durchaus aufnehmen kann!
Auch nicht zu vergessen sind die zahlreichen Fiaker nach Wiener Art, die tapfer dem dichten Verkehr trotzen, und Ihre geduldigen Zugpferde, die den Kindern das Gefühl vermitteln, es war schön in Palermo!
Doch, Palermo muss man besuchen!

 

12 Siezen sizilianische Milizen Lillis Miezen,
chillt Lilli in Nischen zwischen Lilien in Sizilien
Unser letztes Ziel mit dem phantasievollen Namen „San Vito lo Capo“ haben wir vorgestern erreicht.
Hat nichts zu tun mit Peach Webers „Sun, Fun……“
Oder doch?
Eine unscheinbare Landzunge, die ganz im Westen Siziliens gegen Norden zeigt, beherbergt am äussersten Zipfel den zu dieser Jahreszeit noch sehr ruhigen Ort direkt am Meer.
Die Zufahrt führt durch zackige, unwirkliche Felsmassive, die jedoch begrünt sind, wo immer die schroffen Gesteinsformationen dies erlauben.
Suchst du auf der Karte (ja Karte! ….das GPS ist kaput) diesen Ort, fragst du dich, ob das dünn eingetragene Strässchen eine Zufahrt mit dem Wohnwagen überhaupt ermöglicht. Es tut es.
Und führt dich in eine wunderschöne Zone der Natur, die nicht recht weiss, was sie Dir an Üppigkeit vorrangig bieten soll.
Der mit unzähligen Pinien schattierte Campingplatz ist fast unmittelbar vor einem stockzahnähnlichen Felsklotz positioniert, der allabendlich, von der untergehenden Sonne beleuchtet, rotgolden glänzt.
Er reckt sich rund 400 Meter senkrecht in die Höhe, wie wenn er sagen wollte: „was sind denn schon eure Leuchttürmchen gegen mich!“
An seinem Fuss wetteifert eine der schönsten Meeresbuchten
mit ihm um die Gunst des Besuchers. Sie schillert in allen blau-und grüntönen, lädt dich in kristallklarem, allerdings noch etwas kühlem Wasser zum Baden ein. Hellgelber, extrem feiner Sand bildet den Übergang zum Land, wie eine Patina, ohne irgendwelche Steinchen oder gar Verschmutzung. Du fragst dich beim Betreten gar, ob deine Füsse dafür wohl sauber genug sind?
Der kurze Fussweg dorthin führt dich durch ein Strässchen, das von beiden Seiten mit grüner, wilder Natur eingezäunt ist, viele Blumen in gelb, rot, blau und violett lachen dich an und steigen ein, ins Wetteifern mit dem Felsmassiv und dem Meer.
Das musst du erst einmal verdauen, zusätzlich zu den frittierten Calamares und dem bekömmlichen Rot- und Weisswein, der bereits einen beträchtlichen Anteil deiner Aufmerksamkeit gefordert hat.
Also gehst du am besten schlafen, beobachtet von einer der vielen wilden Miezen, die dich munter beklauen, lässt du irgendwas essbares draussen vor dem Wohnwagen stehen.
Was soll’s.
„Siezen sizilianische Mili……“

 

13 Die Verantwortung für die Rückfahrt übergaben wir gestern Abend, 3. Juni der Fähre von Palermo nach Genua.
Die Hafenanfahrt durch Palermo’s Innenstadt im frühen Abendverkehr war Achterbahn mal drei, aber ich begreife allmählich den Fahrstil der Sizilianer! Sie fahren haarscharf, aber konzentriert. Auf unser Unding mit Caravan, 12 Meter Länge insgesamt, wurde erstaunlich Rücksicht genommen und wir kamen ohne das sonst bei jeder Gelegenheit übliche Hupkonzert quer durch die Stadt. Irgendwie haben die Sizilianer im Kollektiv gecheckt, was Touristen da ins Land tragen und verdanken es auf diese Weise. Sonst kann ich mir das nicht erklären.
Und nicht zu vergessen die Kreisel!
Sie geben Dir während zwei oder drei mehr oder weniger freiwilligen Umrundungen die Chance, Karte zu lesen und sich über die nächste Ausfahrt einig zu werden.
Zuunterst im Bauch des massigen Stahlriesen, der Kombination eines Kreuzfahrtschiffes und einem autogierigen Walfisch, befindet sich nun mitten unter beängstigenden Sauriern von kraftstrotzenden Lastwagen also unser Gespann, das uns nun 6 Wochen sowohl Transport als auch Unterkunft und Schatten gewährt hat. Teils auf schwierigem Terrain mit unzähligen Schlaglöchern, denen du nicht in jedem Fall ausweichen konntest. Aber diese Dinger halten ja was aus! Die sind ja für die Ewigkeit gebaut, das weiss ich jetzt.
Der ursprünglich mal schneeweisse Wohnwagen hat jetzt einen braunen Überzug, ähnlich wie wir, er aber durch ein Gemisch von Vogelkot, Ätnastaub und Abgashinterlassenschaften von ca. 4000 km Autobahn und Überlandstrassen bis hinunter zu besseren Feldwegen mit vorwiegend Traktorverkehr.
Nun befinden wir uns im noblen Kreuzfahrtbereich des Schiffes, voller Spiegel, goldenen Handläufen, Flachbildschirmen und Samtteppichen, hocherfreut über das Traumwetter und über ein Meer, das sich kaum stärker bewegt, als wenn du aus der Badewanne steigst. Spiegelglatt einfach.
Das kommt meiner Wellenphobie nur entgegen, sodass nun ganz klar ein gutes Essen drinliegt.
Traumhafte Erlebnisse und grosse Dankbarkeit bleiben über unsere Italienreise zurück. Die zahlreichen Fotos Vermögen nun darüber zu berichten.
Allerdings ist in einer Ecke meines beschränkten Denkvermögens auch der Gedanke darüber, ob unsere in den Boden gestampfte, arg zerschundene Umwelt solche Reiseexzesse noch erträgt. Eine Antwort darauf ist sehr schwierig zu finden.
Auf jeden Fall verbrauchten wir im Vergleich zum Diesel sehr wenig Warmwasser, siehe meinen Kurzbericht über das Duschen, und hielten den Stromverbrauch, ausser dem Akuladen des Handys in Grenzen.
Daran zu denken tut gut!

 

14 Wir mussten elend lange auf der Fähre ausharren, bis wir sie in Genua verlassen konnten. Der Lärm im Ladebereich, wo wir unser Gespann abholten, war fast unerträglich! Ventilatoren, Motorenlärm und Reifengequitsche vermengte sich mit den Befehlen der Lotsen, welche versuchten, den Mageninhalt dieses Technowals einigermassen geordnet zu entleeren.
Kaum an der erlösenden frischen Luft des Hafenquartiers angekommen, führte uns unser Behelfs-GPS (Google Maps) souverän durch die Stadt direkt in den stadteigenen Campingplatz.
Der liegt fast senkrecht am Genua vorgelagerten Gebirge, ein absolutes Vogelparadies, Zufahrtsstrasse Nufenenähnlich, total schmal und er beherbergt fast ausschliesslich Bergsteiger, nehme ich an. Der Mann an der Rezeption hat uns seinen Respekt für die Anfahrt mit Wohnwagen gezollt. Das haben wir sehr genossen….
Also biwaken wir am Berg über Genua und wissen nach einer unbestimmten Menge sizilianischen Weines kaum mehr was oben und unten ist. Erfreulicherweise zeigen 4 Mammutbäume, die uns urwaldähnlich einrahmen, gegen den Himmel, dem wir all das schöne verdanken, was wir in den letzten 6 Wochen erleben durften.
Stadtcampings haben es in sich, sind oftmals in kleinen aber erwählten Nischen untergebracht. So auch hier in Genua.
Es würde sich lohnen, länger zu bleiben.

 


Anbei ein paar Buchtipps der Redaktion zum Thema.