von: H. S. Eglund
4. Oktober 2020

Neu gesehen: Janis – Little girl blue

Vor 50 Jahren starb die begnadete Sängerin, die einer ganzen Generation ihre Stimme lieh. Ihr Leben auf der Bühne war ein Tanz auf der Nadel. Bevor es richtig losging, stürzte sie ab.

Cover des Dokumentarfilms Janis - Little girl blue von Amy Berg (2016). © Arsenal/HSE

Genau fünfzig Jahre ist es her, dass Janis Joplin an einer Überdosis Heroin starb, in ihrem Hotel in Los Angeles. Ein Zufall, ein Unfall – der Fall von der Nadel? Vermutlich, denn gerade hatte sie das neue Album Pearl eingesungen, mit neuer Band. Sie schöpfte neue Hoffung, und eigentlich stand sie am Beginn einer großartigen Karriere.

Janis Joplin gehört zum Club 27. Das ist die sarkastische Schublade für die jungen Wilden der Rockgeschichte, die im Alter von 27 Jahren – meist drogenbedingt – aus der Welt gingen: Janis Joplin, Jimmy Hendrix, Amy Winehouse, Kurt Cobain oder Jim Morrison. Waren sie so früh verbraucht, aufgeraucht, am Ende ihrer Kräfte?

Kunst ist die Alternative zum Irrenhaus

Kunst ist die Alternative zum Irrenhaus, ist die Flucht aus dem unerträglichen Da-Sein, in das der Mensch hineingeboren wird. Echte Künstler kommen unter innerem Schmerz in die Welt, und bei Janis Joplin war es nicht anders. 1943, mitten im Krieg, ist ihre Heimatstadt Port Arthur ein großer Ölhafen in Texas.

Dort rauchen die Raffinerien, bleinerner Dunst liegt über Lake Sabine, der die Industriestadt mit dem Golf von Mexico verbindet. Ihr Vater ist Manager bei Texaco. Die Mutter hat ein Gesangsstudium aufgegeben, um sich den drei Kindern zu widmen. Sie arbeitet im Büro, ganz die texanische Mittelklasse. In der Dokumentation Janis – Little girl blue von Amy Berg findet sich das bezeichnende Zitat eines Schulfreundes:

Frauen sollten nicht fluchen, sie sollten sittsam sein, und sie sollten nicht wissen, das es unterhalb ihrer Gürtellinie etwas gab.

Die kleine Janis passt so gar nicht ins Schema. Sie fliegt aus dem Schulchor, weil sie sich nicht einfügen will – oder kann. Sie ist pickelig, sie ist aufbrausend, und sie weigert sich, Nigger zu hassen. Die Folge sind Mobbing und Ausgrenzung, bis die junge Frau nach Austin flüchtet, um durch Bars und Cafés zu tingeln.

Der schwarze Blues hat es ihr angetan, der voll Sehnsucht und Trauer steckt, sie entdeckt ihre Stimme, die ungeschliffen aber kraftvoll ist. Odetta oder Otis Redding werden ihre Vorbilder, ebenso Bob Dylan, damals – 1960 – noch ziemlich unbekannt.

Wieder wird sie zum Opfer: Die Studenten des College in Austin wählen sie zum „hässlichsten Mann“, neue Verletzung lassen die alten aus Port Arthur nicht heilen …

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