von: Heiko Schwarzburger
10. Dezember 2013
Die Autorin bei einer wohlverdienten Pause. Eine Frage an die Experten unter unserer geneigten Leserschaft: Wie vegan ist Kaffee wirklich? © René Riis
In meiner Kindheit kamen nur frische Nahrungsmittel auf den Tisch. Meine Großeltern hatten einen Schrebergarten, der die ganze Familie ernährt hat. Mein Großvater war Metzger. Er arbeitete in einer großen Fleischerei in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern. Privat war er Jäger. Ich habe zwar nicht direkt daneben gestanden, wenn die Tiere geschlachtet oder erlegt wurden, aber auf jeden Fall gehört das zu meinem Leben dazu. Wir haben sehr viel Fleisch gegessen. Das war für mich als Kind etwas völlig normales
Das war ein großer Einschnitt in meinem Leben. Eher durch Zufall habe ich angefangen, mich mit veganer Ernährung zu beschäftigen. Ich war damals noch der Meinung, dass Veganer eher diese blutleeren Salat essenden Menschen sind, die traurig durch die Gegend schlurfen. Selbst kannte ich keinen Veganer, hatte bis dahin nur davon gehört. Aber dann habe ich einige Bücher gefunden. Rory Freedman, eine frühere Agentin der Modelagentur Ford Models, und Kim Barnouin, ehemaliges Model mit einem Hochschullabschluss in Ernährungswissenschaften haben, mit ihrem Buch „Skinny Bitch“ in Amerika und Großbritannien für mächtigen Wirbel gesorgt. Mich hat das Buch sehr bewegt, weil ich mir zuvor über die Lebensmittellobby noch nie Gedanken gemacht hatte. Außerdem habe ich damals auch sehr viel im Internet recherchiert. Bei der Eingabe des Wortes „Massentierhaltung“ kommt man in eine Welt, aus der man gar nicht mehr entfliehen kann. Da gibt es so fürchterliche Dinge zu sehen, dass ich von heute auf morgen vegan geworden bin. Ich wollte das einfach alles nicht mehr unterstützen.
Zunächst habe ich es für zwei bis drei Wochen probiert. Einfach auch, um mir die Angst zu nehmen, denn es war ja auch ein spannendes Experiment. Aber nach einer Woche wurde deutlich: Ich bleibe vegan! Die Ernährungsumstellung an sich war am Anfang gar nicht schwierig. Nachdem ich mich entschlossen hatte, vegan zu leben, bin ich nach der Arbeit nach Hause gefahren und habe alle meine nicht-veganen Lebensmittel aussortiert. Am nächsten Tag habe ich sie verschenkt. Und dann bin ich auf das wirklich Schwierige des veganen Lebens gestoßen.
Meine Umwelt, die das alles gar nicht verstanden und sehr viele Fragen gestellt hat. Viele waren ängstlich, wie sich Nicole jetzt verändern würde. Einige Freunde konnten damit anfangs überhaupt nicht umgehen, weil sie glaubten, dass würde sich auf ihr Leben direkt auswirken. Sie haben gedacht, ich würde jetzt nicht mehr „normal“ essen, hatten Sorge, ob ich alle Nährstoffe bekommen würde. Inzwischen akzeptieren meine Familie und meine Freunde wie ich lebe. Sie sind sogar sehr interessiert.
Nein, gar nicht. Das war sogar sehr einfach. Gut, am Anfang habe ich viel Zeit für den Einkauf gebraucht, denn ich musste ja die ganzen Dinge lesen, die auf den Packungen stehen. Danach habe ich das Gelesene recherchiert und nachgeschlagen. Aber nach ungefähr zwei Wochen hatte ich meine Lieblingsprodukte gefunden und von da an war das Einkaufen nicht mehr schwierig.
Seitdem ich vegan bin, geben ich erstaunlicher Weise viel weniger Geld für Essen aus. Das liegt vor allem daran, weil ich sehr viel saisonales und regionales Gemüse kaufe. Natürlich ist es nicht billig, sich von veganen Ersatzprodukten wie etwa veganer Wurst aus dem Kühlregal im Bioladen zu ernähren. Man kann auf die Idee kommen, dass vegane Ernährung sehr teuer ist. Muss es aber wirklich nicht sein. Fairer Weise will ich aber sagen, dass ich am Anfang viele Ersatzprodukte durchprobiert habe: Das ist ins Geld gegangen.
Ähnlich wie beim Geld ist vegane Ernährung anfangs zeitintensiv, schon, weil ich mich viel damit beschäftigen muss, was im Speiseplan ausgetauscht werden soll. Nach zwei, drei Wochen stellt sich aber eine Routine ein. Und dann kann man sehr befreit durch einen Supermarkt oder Bioladen gehen, weil man nicht mehr alles kaufen muss und auch nicht mehr kaufen kann. Das Leben, das Kaufen und das Essen zu vereinfachen ist bei mir ein Gefühl von Freiheit. Ich bin über die Auswahl von Produkten im Bioladen oder im Veganer-Laden „Veganz“ in der Schivelbeiner Straße froh. Damit spare ich unheimlich viel Zeit. Natürlich haben wir es hier in Berlin einfacher uns vegan zu ernähren, denn es gibt inzwischen auch in nicht- veganen Läden vegane Snacks. Gibt es dieses Angebot nicht, muss viel geplant und vorgekocht werden. Aber sollte sich nicht sowieso jeder und jede mit einem anstrengenden Job vorher Gedanken über gesunde Ernährung für unterwegs machen? Das ist doch insgesamt eine Frage der Lebensqualität, finde ich.
An Silvester 2012 habe ich mir ein Versprechen gegeben: Ich wollte die Erfahrungen um vegane Rezepte, veganen Lifestyle und veganes Reisen, die ich auf meinem recht erfolgreichen Blog mitgeteilt habe, gern in anderer Form veröffentlichen. Und das wurde dann wahr, in dem Augenblick, als eine Literaturagentin des GU-Verlags mit dem Angebot auf mich zukam, ein veganes Kochbuch zu schreiben. Das ist im Februar 2013 erschienen und ein großer Erfolg geworden. Darüber bin ich selbst immer wieder überrascht.
Mittlerweile ist das Buch schon in der vierten Auflage erschienen und wurde innerhalb der wenigen Monate etwa 60.000 mal verkauft. Das ist der Wahnsinn. Vor allem zu sehen, wie die Leute mit dem Veganismus umgehen. So bunt und witzig. Sie fühlen sich damit viel aufgehobener als bei jemandem, der mit dem erhobenen Zeigefinger sagt: „Ihr müsst jetzt vegan sein“. Das mache ich überhaupt nicht. Mein Buch ist ein Einstieg in die vegane Ernährung, wobei ich bei Themen wie Tierrechte, Massentierhaltung etc. nur an der Oberfläche geblieben bin. Ich glaube, wenn Menschen anfangen sich mit dieser Ernährungsart zu beschäftigen, kommt das von ganz allein.
Das Buch gibt einen Einblick in die vegane Tauschbörse, also was kann ich wodurch ersetzen. Wie kann ich meinen Speiseplan weiterführen, ohne dass ich jetzt alles umstellen muss. Und dann geht es schon direkt zu den Rezepten für Frühstück, Mittag- und Abendessen und für Snacks für unterwegs, auch mal aus Resten, die noch so im Kühlschrank sind. Es gibt aber auch die etwas feinere Küche, wenn mal Gäste zu Besuch kommen. Aber eben auch viele kleine Tipps zum Beispiel, wie man eine vegane Mayonnaise und dafür aus Sojamilch, Gewürzgurkensud, Guarkernmehl aus dem Bioladen, Pflanzenöl und etwas Salz zubereitet.
Manchmal ist es natürlich problematisch, Produkte zu finden, die sich gleich verhalten wie nicht-vegane Lebensmittel. Ein Beispiel dafür ist Sahne. Möchte ich einen Schichtkuchen mit Sahnecreme backen, dann kann ich in einem Kochbuch natürlich nicht die vegane Sahne von einer bestimmten Firma empfehlen. Da musste ich mir ganz genau überlegen, wie ich das löse. Aber ich habe bei mir zu Hause vier bis fünf Monate lang alle Rezepte, die im Buch stehen, durchgekocht beziehungsweise ausprobiert und der GU-Verlag hat jedes Rezept auch noch mal ausprobiert.
Ja, ich möchte vegan leben, soweit das möglich ist. Nachdem ich 2009 aus meinem Lebensmittelschrank alle nicht-veganen Produkte aussortiert habe, blieb ich auch vor meinem Kosmetik- und Kleiderschrank stehen. Alles, was ich noch verbrauchen konnte, habe ich verbraucht und seither versucht durch Alternativen zu ersetzen. Es gibt mittlerweile Alternaiven zum Ledergürtel, zu Lederschuhen und Kleidungsstücken mit tierischen Anteilen. In der Schivelbeiner Straße im Prenzlauer Berg gibt es den veganen Klamottenladen „Dear Goods – tierfreundlich, menschenfreundlich und umweltfreundlich“ und den veganen Schuhladen „Avesu“.
Ich kann nur versuchen vegan zu leben. Hundertprozentig wird und kann mir das nicht gelingen. Das finde ich auch gar nicht so wichtig. Mir geht es darum, durch eigene Schritte, so weit ich sie gehen kann, etwas zu verändern und ein Zeichen zu setzen. Ich möchte meinen Konsum so verändern, dass ich meiner Umwelt zeigen kann, dass es auch anders geht. Es gibt Alternativen und andere Richtungen. Veganismus ist für mich kein elitärer Lebensstil, wenn gleich man auf dem Weg zu ihm das luxuriöse Gut „Zeit“ gehabt haben muss, um sich die Frage stellen zu können, wie unser Essen heute produziert wird. Was hat die Politik damit zu tun? Wie funktionieren diese großen Industrien? Diese Zeit hat nicht jeder und das kann ich auch sehr gut verstehen. Ich finde es elitär zu sagen, man könne sich nicht mit allen Dingen auseinandersetzen. Nein, es ist nicht so wie es ist und es muss auch nicht so bleiben. Wir können und sollten uns in Bezug auf die Massentierhaltung, Umweltschutz und Energieressourcen fragen, wie wir leben wollen und können. Vielleicht schaffen wir es als Gesellschaft nicht, auf Fleisch zu verzichten, aber wir können doch einen gesunden Umgang mit Fleisch und Fleischprodukten anstreben. Der Überfluss und die Möglichkeit sich alles leisten zu können ist meines Erachtens das falsche Signal.
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