von: Edition Laurin / uha
20. Januar 2017

„Meine Helden sind Außenseiter. Warum sollte ich als dann Autor im Mittelpunkt stehen?“

Der Schriftsteller Friedrich Hahn wird im Mai 65 Jahre alt. In Zusammenarbeit mit dem Verlag Edition Laurin veröffentlichten wir hier ein Interview.

© Photo: Katja Schwingshandl

Friedrich, du feierst 2017 deinen 65. Geburtstag. Und  feierst dich gleich selbst mit 3 neuen Büchern, die im Frühjahr erscheinen werden. 

Ja, es wird einen neuen Roman geben, ein Kinderbuch, -mein erstes übrigens,-und einen speziellen Band: 99 Mikroromane, ergänzt mit einem Fotoessay.

Du bist ja mit über 30 Einzeltiteln einer der fleißigsten Autoren. Wie machst du das?

(lacht): Genau genommen sind es 35 Titel. Mit den 3 neuen Büchern dann 38. Dazu kommen noch über 20 Arbeiten für Hörfunk und Bühne. Wie ich das mache? Martin Walser hat einmal auf die Frage, warum er denn schreibe, geantwortet, „weil dabei die Zeit am schnellsten vergeht“. Bei mir kommt noch dazu, dass ich gerne zu bequem bin, mir alles zu merken. Und mir daher vieles notiere. Nein, im Ernst: Ich bin in der priviligierten Lage, dass ich eine kleine Pension bekomme. Ich war neben dem Schreiben immer  berufstätig, wollte nie anhängig sein von Stipendien und Preisen. Und jetzt bin ich eben Vollzeitdichter.

Es fällt auf, du führst in deiner Bio nur einen einzigen Preis und ein einziges Stipendium auf. Hat das mit deinen Nebenherjobs zu tun? Wenn ich da an andere denke…

Na ja, welche Jury du hernimmst, überall sitzen halt immer Kollegen und Kolleginnen, die von diesen Jobs wussten. Und meinten, ich würd mir mit Werbung und so eh eine goldene Nase verdient…was natürlich nie der Fall war. Ich war immer ein kleiner Angestellter. Oder später ein Freiberufler, der jedem Auftrag nachrennen musste. Dementsprechend geringfügig ist ja jetzt meine Pension ausgefallen…

Peter Pisa hat einmal im KURIER geschrieben, du hättest dir als „einer der originellsten Schriftsteller Österreichs“ längst verdient, in einem größeren Verlag herauszukommen. Hättest dir mit deinen Romanen eine größere Leserschaft verdient.

Ja, ginge es nach den Besprechungen, die durch die Bank super sind, könnte man meinen, meine Bücher wären allesamt Bestseller. Sind sie aber nicht. Bei weitem nicht.

Woran liegt es deiner Meinung nach?

Ich hab in den 70ern als experimenteller Autor begonnen. Heimrad Bäcker war mein erster Förderer. Bei Ivanceanus Rhombus-Verlag erschien dann mein erstes Buch. „die kältefalle“ entzog sich sämtlicher Kriterien, um es irgendwie schubladisieren zu können. Auch die nächsten Bände, meist kurze, lyrikähnliche Texte, waren voll gegen den Mainstream gebürstet. Heute musst du, um die Aufmerksamkeit der Medien und des Lesepublikums zu gewinnen, als erstes einen Roman vorlegen. Wobei es nicht schadet, wenn du jung bist. Und vielleicht noch weiblich. Und wenn du auch noch halbwegs gut ausschaust, ists auch kein Fehler.

Das klingt ziemlich…

Ich weiß. Ich würd aber eher sagen: es klingt abgeklärt, wenn man sich im Literaturbetrieb umschaut. Mein größter Erfolg ist, dass ich als Vielschreiber immer noch einen Verlag gefunden, und als Verlagsnomade (außer ein einziges Mal) noch immer die besten Erfahrungen gemacht habe. Die sogenannten kleineren Verlage, was die leisten…chapeau! Ohne die sähe es traurig aus am Markt…

Du hast vorhin den „Mainstream“ erwähnt. Was verstehst du darunter?

„Mainstream“ kommt immer mit der großen Pose daher. Da lässt du dich als Autor mit nacktem Oberkörper und einer Jungautorin am Schoß fotografieren. Das nenn ich das Großflächige. Wir leben großflächig. Wir schreiben großflächig. Wir lesen großflächig. Wir leben die Pose. Das ist dann der „Mainstream“. Ich bevorzuge hingegen die Geste, ich glaube an die kleine Geste. Sie lässt noch Raum für Zweifel. Wer als Autor, als Autorin nicht zweifelt, der sollte sich besser nicht SchriftstellerIn nennen.

Zurück zu deinen aktuellen Publikationen. „Komme, was wolle“ ist dein nunmehr 8.Roman. Im Untertitel heißt es: „Ein facebook-Roman“. Was hat man sich darunter vorzustellen?
 
Es dürfte der erste „facebook“-Roman am Markt sein. Man schreibt ja angeblich immer am selben Buch. Mein Thema war und ist das, was wir Individualität nennen. Das Individuelle, das wir immer nur im Abgleich mit der Gesellschaft entwickeln und erkennen können. Einer Gesellschaft, die der Individualisierung entgegensteht. Die Frage ist ja immer, wieviel WIR steckt in einem ICH. Und umgekehrt: Wieviel ICHs stecken in einem WIR. Und da war es nur logisch, dieses neue Medium zum Motor einer Geschichte zu nehmen.

Erich Fröschl, der Hauptfigur, passiert dieser Roman förmlich.

Richtig. Er fühlt sich nicht als Autor, er sammelt bloß, was sich in der Beziehung zu seiner Ex so abspielt. Er besucht daher ja auch auf Anraten eines Freundes ein Schreibseminar. So gesehen lässt sich „Komme, was wolle“ auch als Ratgeber für alle lesen, die sich selbst literarisch versuchen wollen. Und wir sehen Erich Fröschl zu, wie sein erster Roman, den er gar nicht schreiben wollte, entsteht.

Du hältst ja selber Schreib-Workshops ab.

Stimmt. Aber ich bin bei all meinen Romanen immer nur der Spielertrainer, der nur dann ins Spiel eingreift, wenn die Akteure am Platz nicht mehr weiterwissen.

„Komme, was wolle“ erscheint bei der edition laurin. Was, wenn dein facebook-Roman zum Erfolg wird?

Erfolg für wen? (lacht) Für Erich Fröschl? Ich bleib lieber im Verborgenen. Arbeite in Ruhe. Ohne lästige Lesetourneen, Pressetermine und TV-Auftritte. Unsichtbarkeit ist ja auch ein Talent. Man wird bescheiden. Ich bin glücklich, wenn meine Figuren glücklich sind. Auch wenn es schon mal vorkommt, dass die eine, der andere mit mir als Autor unzufrieden ist. Aber sie sind eben nun mal Außenseiter wie ich. Warum sollte ich dann im Mittelpunkt stehen?  Manchmal gönnen wir uns was, meine Figuren und ich. Sie bekommen eine neue Chance. Zwei weitere Romane harren bereits einer Verlagszusage…

 

Friedrich Hahn 1952 in Niederösterreich geboren. Seit 1969 schriftstellerische Tätigkeit, literarische Veröffentlichungen und Mitarbeit bei verschiedenen Zeitschriften, u.a. bei neue texte, pult und Podium. 2001 Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich. Lebt und arbeitet als freier Autor in Wien/Alsergrund. Hans Weigel-Stipendium 2012. Zuletzt erschienen: egal, Roman (2007), Hörspiele und Stücke fürs Theater, u.a. im rücken des schattens (2004).

Die Bücher:

Von allem Ende an
Mitten am Rand
Wie es im Buche steht
Komme, was wolle