von: Urs Heinz Aerni
2. April 2023
© Suhrkamp Verlag
«Im Westen nichts Neues» von Erich Maria Remarque
Wie gross ist die Wirkung von Büchern auf die Gesellschaft? 1929 erschien ein Roman, der eine breite öffentliche Debatte auslöste, verfilmt und millionenfach in über 50 Sprachen verkauft wurde. «Im Westen nichts Neues» von Erich Maria Remarcque (1898 – 1970). Der Schüler Paul Bäumer und seine Klassenkameraden wurden durch die Hetze ihres Lehrers Kantorek dermassen beeinflusst, dass sie sich direkt von der Schule freiwillig an die Front meldeten. Aus dieser Falle gab es trotz sinnlosem Drill und den brutalen Alltag im Schützengraben keinen Ausweg, noch fanden sie zurück in ein bürgerliches Leben der Ordnung und Gesetze. Die Hauptfigur des Romans starb 1918 an einem Tag, «der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass sich der Heeresbericht darauf beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.» Das Buch konnte nicht verhindern, dass wieder Millionen dem Wahn des Nationalismus im Zweiten Weltkrieg geopfert wurden.
«Die Farbe Lila» von Alice Walker
Für die empfindsame Leserschaft kann es auch noch heute schockierend sein, sich unvermittelt in das Leben der Celie hineinzulesen, wie sie isoliert der männlichen Macht ausgesetzt ist. Nicht nur als schwarze Frau gegenüber der weissen Gesellschaft, sondern durch Männer in ihrer eigenen Umgebung, allen voran ihr Vater. Die Geschichte von Celie im 1982 erschienen Roman von Alice Walker spielt sich in Georgia anfangs des 20. Jahrhundert ab. Celie verliert mit 14 Jahren ihre Mutter, wird misshandelt und vergewaltigt und zu einer katastrophalen Ehe gezwungen. Sie versuchte sich mit Briefen an Gott zu retten. Und doch gibt es Hoffnung, dank ihrer Beziehung zu Shug Avery, eine Geliebte ihres Mannes. Mehr sei nicht verraten aber die Zeitung Kurier aus Wien trifft es auf den Punkt: «“’Die Farbe Lila’ ist ein allgemeingültiger Entwicklungsroman, der seine Hauptfigur durch die Hölle schickt, um sie zu verwandeln und um Antworten zu finden auf die großen Fragen der Menschheit.»
Der alte Mann und das Meer von Ernest Hemingway
Santiago heißt der alte Kubaner und seit Wochen fischt er erfolglos draußen auf dem Meer. Nach 84 Tagen beißt ein riesiger Schwertfisch an, ein Tier, das länger ist als sein Boot. Der Kampf dauert zwei Tage und Nächte. Es gelingt ihm, das erschöpfte Tier mit der Harpune zu erlegen und will es zur Küste schleppen. Aber während der Fahrt zerfetzen Haie die hart erkämpfte Beute. Der 1952 erschiene Roman wurde in der Laudatio zum Nobelpreis 1954 als ein «Meisterwerk» gefeiert. Auch wenn die Romanfigur Santiago in der Verfilmung 1958 durch den Charakterschauspieler Spencer Tracy ein Gesicht bekam, lohnt sich der Versuch, diese Geschichte neu zu lesen. Damals, galt der Roman als das Sinnbild für den Kampf ums Überleben, ja sogar christliche Spiritualität wurde hineininterpretiert. Die heutige Lektüre könnte ein aktuelles Thema damit in Verbindung gebracht werden: Die Machtlosigkeit des Menschen gegen die Kräfte der Natur?
Urs Heinz Aerni
Alle Bücher sind wieder als Neuauflage im Buchhandel erhältlich.
Die Tipps sind zuerst im Magazin LESEN von Orell Füssli Thalia Schweiz erschienen.