von: H. S. Eglund
16. Juni 2022

Grenzfluss Neiße – Endlich herrscht Ruhe!

Die Ostgrenze von Sachsen und Südbrandenburg ist durch diesen Fluss markiert. Der historische Zankapfel grünt und blüht und beweist, dass auch Geschichte in ruhigere Fahrwasser münden kann. Ein Besuch vor Ort.

Überreste der Langen Brücke auf der polnischen Seite. © H.S. Eglund

Idyllisch, die sanft abfallenden Terrassen, von kniehohem Gras überwuchert. Hier, im Grenzgebiet zwischen dem deutschen Forst und der polnischen Seite, stehen die Überreste einer einstmals mondänen Brücke, die den Fluss und seine Uferzone weit überspannte.

Lange Brücke ist auf den verwitterten Quadern aus Sandstein zu lesen. Die großzügigen Treppen, die Pfeiler der Straßenlaternen und die Brückenbögen lassen erahnen, dass hier einstmals reger Verkehr lief.

Wehrmacht sprengte die Übergänge

Die Lange Brücke gibt es nicht mehr, auch wenn die Debatten um den Wiederaufbau seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht verstummen. Im Frühjahr 1945 hatte die Wehrmacht das Bauwerk gesprengt, um der Roten Armee den Weg zu verlegen.

Fast 90 Prozent aller Neißebrücken erlitten dieses Schicksal. Obwohl das jenseitige Ufer seinerzeit noch zum Deutschen Reich gehörte.

Einfallstor nach Schlesien

Die Lange Brücke war das Einfallstor nach Schlesien, führte aus der reichen Tuchmacherstadt Forst in Richtung Breslau, heute Wrocław. Über Jahrhunderte war die Gebiete östlich von Neiße und Oder umstritten.

Ursprünglich von slawischen Stämmen besiedelt, rückten germanische Völker vor, brachten das Christentum gen Osten. Der Deutsche Orden erhielt preußische Lehen, um Gebiete im Osten und Norden des heutigen Polen zu erobern und zu verwalten.

Kriege Preußens gegen Sachsen und Österreich

Weiter südlich hatten sich die Sachsen bis nach Schlesien ausgedehnt, das reich an Erzen und Kohle ist. Kattowitz und Breslau waren deutsche Siedlungen, als es Deutschland als nationales Gebilde noch nicht gab.

Der Reichsgründung von 1871 gingen Kriege der Preußen gegen Sachsen und Österreich voraus, vor allem um Schlesien. Polen war zerfleddert und aufgeteilt, zwischen Preußen, Russland und Österreich.

Stalin verschob Völker

Am Ende des Zweiten Weltkrieg rückten Stalins Armeen nach Osten vor. Es folgten weiträumige Vertreibungen der Bevölkerung: Aus der Westukraine wurden vor allen polnischstämmige Familien nach Osten abgeschoben und in den ehemaligen deutschen Gebieten angesiedelt, die ab 1945 zu Polen gehörten.

Von dort wurde die deutschsprachige Bevölkerung weitgehend in die beiden deutschen Staaten ausgesiedelt. Seitdem herrscht Ruhe, zumindest an der deutsch-polnischen Grenze.

Willy Brandts politisches Signal

1945 war die deutsche Herrenrasse geschlagen und ausgeblutet. Oder und Neiße wurden als Friedensgrenze deklariert, für alle Zeit. Willy Brandt fiel 1970 in Warschau auf die Knie, um die polnischen Opfer der Naziherrschaft zu Ehren.

Sein wichtigstes politisches Signal war jedoch die Anerkennung der deutschen Grenze im Osten. Die keifenden Revanchisten in Westdeutschland mussten ihre Hoffnungen endgültig aufgeben, die alten Güter und Schächte in den ehemaligen Ostgebieten wiederzuerlangen – auf welchem Wege auch immer.

Im Blog des Autors finden Sie den vollständigen Artikel mit zahlreichen Fotos.