von: Urs Heinz Aerni
10. November 2019

Geschrieben meist tief in die Nacht hinein

Der Ostschweizer Alex K. Fürer brachte sein Leben zwischen Unternehmertum, Familie und sozialem Engagement in zwei Buchdeckel. Er gibt Auskunft über die Gründe und sein Blick zurück.

© Alex K. Fürer im Gespräch - Bild von Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni: Herr Fürer, während andere sich nach einer Karriere wie der Ihrigen zurücklehnen, Fischen gehen oder sich um den Garten kümmern, machten Sie sich daran, dieses Buch zu schreiben. Was war die Initialzündung dazu?

Alex K. Fürer: Ich hatte nie die Idee, ein Buch zu schreiben. Meine drei Söhne baten mich lediglich, ich solle doch für sie und ihre Familien eine Zusammenfassung all meiner Tätigkeiten erstellen, Umfang einige A 4 Seiten. So begann zu schreiben.

Aerni: Und?

Fürer: Mein Sohn Alexander, tätig in der Kommunikationsbranche, las die ersten etwa 20 Seiten und  meinte spontan, “schreib doch ein richtiges  Buch, ich helfe dir bei der Gestaltung. Und so setzte ich mich weiter an den Computer und schrieb.

Aerni: Ihr beruflicher Werdegang machte Station bei Unternehmen wie Shell, Maggi, Frisco bis hin in führende Positionen beim Milchverband St. Gallen-Appenzell und Hero, und Sie waren auch Berater des Denner-Gründers Karl Schweri. Wie sehen Sie eigentlich heute die Auswirkung der Globalisierung auf Schweizer Unternehmen?

Fürer: Ich denke, dass sich die Globalisierung, positiv auf die Entwicklung der meisten Schweizerunternehmen ausgewirkt hat. Die Erfolge schreiben Bände, die Produktivität hat sich trotz der internationalen Finanzkrise weiter verbessert und eine gesunde Strukturanpassung hat sich gelohnt wie z.B. das Verschwinden der mehr oder weniger erfolgreichen Produktionsstätten der regionalen Milchverbände zur national und international erfolgreichen Emmi Luzern.

Aerni: In Ihrem Buch dokumentieren Sie viele Ereignisse und Anekdoten aus Ihrem beruflichen wie familiären Leben. Es scheint nicht immer eine klare Grenze zwischen Job und Privatem zu geben, oder?

Fürer: Das ist so, in meinem Fall mit positiven Begebenheiten. Zwei Beispiele. Als Bürgerpräsident war ich verantwortlich für die Erstellung der Einbürgerungsgutachten zuhanden der Bürgerversammlung. Ich diktierte den Text und meine Frau kontrollierte die Daten und tippte die Gutachten. Oder, als wir die Delico AG gründeten hatten wir drei schulpflichtige Kinder. Meine Gattin managte die Familie und war gleichzeitig verantwortlich für die Administration und Finanzen der jungen Firma.

Aerni: Beim Lesen Ihrer Erinnerungen und Betrachten der vielen Bilder, könnte man sich fragen, ob nicht auch etwas Melancholie oder gar Wehmut auf die alten Zeiten beim Schreiben aufgekommen sein könnte.

Fürer: Das sehe ich gar nicht so. Beim Schreiben kamen mir immer mehr Details in den Sinn, die mir sukzessive aufzeigten, wie gut mein Leben verlaufen war,  wie unsere Mutter, sie hatte ihren Gatten und wir unseren Vater sehr früh durch Krankheit verloren, als Witwe die Familie weiterführte. Und dann die Hochzeit mit Beatrice Zoller, die unbeschwerten Ehe- und Familienjahre und die erfolgreiche berufliche Karriere. Unvergesslich der Einstieg in die berufliche Selbständigkeit. Obwohl meine Gattin mit dem Haushalt und unseren drei schulpflichtigen Söhnen gut ausgelastet war, war sie am Aufbau der Delico AG beteiligt.  Ohne sie wäre das das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.

Aerni: Sie engagierten sich sehr in der kommunalen Politik, Kommissionen und weiteren Gremien. Welche Änderungen in der Gesellschaft bereiten Ihnen heute noch Sorgen?

Fürer: Schon 1968 bin ich der Konservativ-Christlichsozialen Ortspartei – heute CVP – beigetreten, 27 Jahre war ich Präsident der Ortsbürgergemeinde Gossau, 29 Jahre Präsident der Verkehrskommission, Stiftungsrat Haus „Schwarzer Adler, rund 30 Jahre Verwaltungsrat und Präsident Genossenschaft Schloss Oberberg etc., alles ehrenamtliche Tätigkeiten. Sorgen bereitet mir, dass es immer schwieriger wird, Frauen und Männer für die Besetzung solcher Positionen zu begeistern.

Aerni: Im Untertitel Ihres Buches ist zu lesen: „Familie, Beruf und Ehrenamt – alles unter einem Hut“. Hand aufs Herz, ist dies wirklich immer gelungen?

Fürer: Grundsätzlich Ja, Ich bin nach über 50 Jahren immer noch glücklich verheiratet, die Delico AG, die meine Gattin und ich 1981 gegründet haben, floriert in der zweiten Generation sehr, meine Aktivitäten in öffentlichen Ämter endeten zur Zufriedenheit aller. Dass Konfliktpotential  bestanden hat, ist für mich klar, z.B. wenn meine Söhne im Familienkreis hin und wieder erwähnen: „Unter der Woche warst du abends schon viel  abwesend“. Trotzdem denke ich, dass es auch heute möglich ist, Familie, Beruf und Ehrenämter unter einen Hut zu bringen, aber wirklich nur dann, wenn seitens der Familie eine entsprechende hohe Toleranz besteht.

Aerni: Seit 1981 sind Sie mit Ihrer Familie Unternehmer in der Lebensmittelbranche. Heute wird viel über Nachhaltigkeit und Herkunft von Lebensmitteln diskutiert. Wie sehen Sie diese Entwicklung und wo liegt die Verantwortung heute bei Ihren Nachfolgern?

Fürer: Eines ist klar. Meine Gattin und ich hatten es um Vieles leichter, in dieser Branche tätig zu sein als unser Sohn Matthias, heute CEO der Delico AG. Es gab ein Minimum an Vorschriften bezüglich Herkunft, Zusammensetzung oder die Deklarationspflicht der verkaufsfertigen Produkte, der Begriff „Nachhaltigkeit“ war  noch nicht bekannt. Heute       müssen Herkunftsland, Rohstoffe, Zutaten, Nachhaltigkeit etc. auf der Etikette aufgeführt sein,  alles zum Schutze der Konsumenten. Die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften liegt beim Lieferanten.

Aerni: Haben sich gewisse Ansichten oder Meinungen während des Schreibens des Buches verändert? Oder anders gefragt, eröffnete die Arbeit am Buch neue Perspektiven auf Ihr Leben?

Fürer: Ich glaube nicht. Ich denke, dass es mir gelungen ist, Familie, berufliche Karriere und Öffentlichkeitsarbeit unter einen Hut zu bringen, stelle mir aber gleichzeitig die Frage, ob das auch heute noch möglich ist. Ich bin der Meinung Ja, aber wirklich nur unter der Voraussetzung sehr grosser Toleranz in der Familie und im Beruf.

Aerni: Beschreiben Sie uns noch den Ort, an dem Sie die meiste Zeit geschrieben haben?

Fürer: Ich bin ein Nachtmensch. So schwer mir das frühe Aufstehen fällt, so aktiv bin ich abends, meist bis nach Mitternacht. Wenn meine Gattin sich zurückzog, setzte ich mich an den Computer und schrieb im Büro unserer Wohnung, wo ich Zugriff hatte zu den vielen Unterlagen, die sich in den Jahrzehnten meiner Aktivitäten angesammelt hatten.

Aerni: Bis heute liegen die Geschicke der Ostschweiz und vor allem von Gossau am Herzen. Was wünschen Sie für die Zukunft Ihrer Heimat?

Fürer: Ich bin ein Ur-Gossauer. Die Probleme der Weiterentwicklung unserer kleinen Stadt im Fürstenland beschäftigen mich. Zur Besetzung der öffentlichen Ämter und zum Erhalt der vielseitigen Vereine wünsche ich mir mehr Engagement seitens der Mitbürgerinnen und Mitbürger. Bei Diskussionen öffentlicher Fragen mit gegensätzlichen Ansichten erwarte ich mehr Toleranz.

Aerni: Unter uns: wird es die OLMA in 20 Jahren noch geben?

Fürer: Ich hoffe es sehr. Die Voraussetzungen sind gut. Die jährlichen Besucherzahlen sind stabil. Für die nächsten rund 10 Jahre sind grosse Neubau Investitionen beschlossen. Das  Management ist entscheidungsfreudig  und die thematische Ausrichtung entsprich dem Wünschen der jährlich wiederkehrenden Besucherinnen und Besucher.

Aerni: Sie setzten sich ein für den Förderverein Schloss Oberberg, Caritas Schweiz und ein Hilfswerk in Nepal. In welchen Bereich des Soziale Engagements müsste heute noch mehr investiert werden?

Fürer: Bei den Einsätzen der Hilfswerke in den Entwicklungsländern erachte ich es als wertvoll, der Schulbildung der Mädchen vermehrt Beachtung zu schenken. Kinderreichen Familien fehlen oft die finanziellen Mittel, Schulmaterial und Schuluniformen für alle Kinder zu bezahlen und so werden automatisch die Buben bevorteilt. Der Freiwilligen-Einsatz leistet unersetzliche Arbeit. Ich erachte es als wichtig, dass dieser gefördert und unterstützt wird.

 

Das Buch: Alex K. Fürer: „Mein Blick zurück“, Verrai Verlag, ISBN 978-3-946834-61-8

Der 1931 in der Ostschweiz geborene Alex K. Fürer verlebt trotz des frühen Todes seines Vaters eine gute Kindheit um in ein vielschichtiges Leben als Familienvater und Unternehmer zu starten. Das Resümee des heute 87-Jährigen illustriert eine facettenreiche Vergangenheit. Heute lebt er mit seiner Frau in Gossau (Kanton St. Gallen, Schweiz)