von: Heiko Schwarzburger
22. Oktober 2013
Heizkraftwerk von Vattenfall südwestlich von Berlin in Lichterfelde. Es erzeugt Strom und Wärmezugleich. © Vattenfall/Sabine Wenzel
Berlin ist Mieterstadt, die übergroße Mehrheit der Menschen wohnt in angemieteten Räumen. Im Unterschied zu anderen Städten gibt es in Berlin sehr viele Menschen, die obendrein auf Sozialhilfe angewiesen sind. Durch den Zuzug potenter Klientel werden die sozial schwachen Mieter und bereits Teile der so genannten Mittelschicht an den Stadtrand vertrieben. Erstaunlicherweise war es die Bundesbank, die dieser Tage vor einer Preisblase warnte.
Der Immobilienmarkt befindet sich im Umbruch, weil sich der Energiemarkt dramatisch wandelt. Stand früher die Kaltmiete des Vermieters im Vordergrund, wird nun die so genannte „zweite Miete“ immer wichtiger. Sie steigt viel schneller als die Kaltmieten im Mietspiegel. Zum einen sind es die üblichen Nebenkosten wie Wasser und Müll, die in die Höhe schnellen. Vor allem aber sind es die Energiekosten, die sich als Preistreiber erweisen. Weltweit steigt der Bedarf an Gas, Kohle und Öl an, damit steigen auch die Preise. Zumal das Fördermaximum von Erdöl (Peak Oil) bereits überschritten ist. Der Preisanstieg bei den Wärmekosten ist nicht aufzuhalten, man kann nur gegensteuern: durch bessere Dämmung und effizientere Heiztechnik. Um bestimmte Wohnungen überhaupt noch vermieten zu können, muss der Eigentümer also viel Geld in die Hand nehmen. Soll heißen: Energetisch nicht effiziente Wohnungen werden sehr bald die Ladenhüter des Immobilienmarktes sein. Mit solchen Schrottimmobilien, und das sind in Berlin sehr viele, können die Eigentümer keinen Pappenstiel mehr gewinnen. Und spätestens in zehn Jahren ist der Zuzug vorbei, dann dürfte die Immobilienblase platzen. Eigentlich ist sie eine Blase durch zu hohen Energieverbrauch.
Neben Wärme wird vor allem Strom gebraucht. Jeder Berliner Haushalt ist an das Stromnetz angeschlossen. Überhaupt jeder Haushalt in Deutschland. Das hat Adolf Hitler 1934 zum Gesetz erklärt, und dieses Gesetz gilt noch immer. Hitler war es auch, der die Stromzähler ins Eigentum der Stadtwerke übertrug und bestimmte, dass ein Stadtwerk automatisch ein regionales Monopol innehat. Wenn man in eine neue Wohnung einzieht und den Lichtschalter betätigt, hat man bereits einen Stromvertrag mit dem regionalen Lieferanten. Das ist ungefähr so, als würde jeder Volljährige in Deutschland einen Wagen vor die Tür gestellt bekommen: keinen Toyota, keinen Tesla, nein, einen stinkenden, alten VW. Vor Jahren haben Berliner Forscher untersucht, was passieren würde, wenn es bei einer Neuvermietung keinen präferierten Stromlieferanten gäbe. Dann würde mehr als die Hälfte der Menschen sofort bei einem Ökostromanbieter kaufen.
Der Staat hält das Hitler-Gesetz aufrecht, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wie es immer so schön heißt. Das war Hitler schnuppe, und es ist der Politik auch heute schnuppe, denn in Wahrheit geht es darum, dem regionalen Stadtwerk einen festen Kundenstamm zu sichern. Hitler hatte die Auslastung seiner Kraftwerke im Blick, die er eigentlich für die Rüstungsindustrie brauchte. Heute weiß man, dass möglichst viele kleine Generatoren, dezentral über die ganze Stadt verteilt, viel sicherer sind als eine Handvoll Großkraftwerke. Sie sind sauberer und – billiger.
Denn mittlerweile ist das alte Monopol der Stadtwerke auf Vattenfall übergegangen, mit dem Verkauf 2001. Und seitdem steigen die Strompreise. Doch mittlerweile wurden bundesweit sehr viele dezentrale Generatoren aufgebaut, die Strom mit Hilfe der Sonne oder des Windes erzeugen. Wenn die Solaranlagen und Windräder an sonnigen Tagen oder in stürmischen Nächten ihren Strom ins Netz speisen, purzeln an der Leipziger Strombörse die Energiepreise. An mehr als vierzig Tagen im vergangenen Jahr waren die Preise sogar negativ. Soll heißen: Wer Strom aus Kohlekraftwerken abnimmt, bekommt Geld obendrauf. Das ist für Vattenfall billiger, als die trägen Kohleöfen abzuschalten und später mit viel Aufwand (und Verlust) wieder hochzufahren. Andererseits kauft Vattenfall den billigen Strom auf, um die Handelsmarge in die eigene Tasche zu stecken. Der Bürger darf in Leipzig nicht mitwetten, er muss bei Vattenfall kaufen (sofern er nicht zu einem anderen Anbieter gewechselt ist). Also macht die Handelsabteilung des Konzerns die Gewinne, die früher mit den Großkraftwerken erwirtschaftet wurden. Das klappt nur, wenn man die Hand am Stromnetz hat. Es zeigt, dass die Zeit der großen Kraftwerke vorbei ist. Die Dinosaurier sterben aus, egal, wie der Volksentscheid ausgeht.
Vattenfall hält sich über Wasser, weil das Unternehmen die sinkenden Einkaufspreise nicht an seine Kunden weitergibt. Schon heute könnten die Strompreise viel niedriger liegen, wenn die großen Energiekonzerne nicht derart mauern würden – mit dem Plazet der Politik! Und die Preise wären noch niedriger, wenn sich nicht tausende deutsche Unternehmen von der so genannten EEG-Umlage befreien lassen könnten. Anstatt wie alle Menschen im Lande die Energiewende mit zu stemmen, kassieren sie gleich zweimal: durch sinkende Einkaufspreise in Leipzig (bestimmte Unternehmen dürfen dort handeln) und durch die Befreiung von der EEG-Umlage. Einem Bürger wird dieses Recht nicht zugestanden.
In Deutschland erkranken jährlich hunderte Kinder an Leukämie, die in der Nachbarschaft von Atomkraftwerken leben. Das ist statistisch abgesichert und medizinisch evident, auch wenn die Pfade der Verstrahlung noch nicht restlos aufgeklärt sind. Allein die Politik rührt keinen Finger, will sie doch das Geschäftsmodell der großen Energiekonzerne nicht antasten. Wie viele Lungenkrankheiten auf den Schadstoffausstoß der Großkraftwerke in und um Berlin gehen, weiß niemand. Unsere Stadt ist erheblich mit Feinstaub belastet, der sowohl aus den Kraftwerken als auch aus den Verbrennungsanlagen in den Heizkellern stammt. Wer eine saubere Stadt wünscht, kommt an Windstrom, Sonnenkraft und Sonnenwärme nicht vorbei. Nur diese Technologien kommen ohne Emissionen aus. Und nur die Sonne garantiert langfristig sozial verträgliche Energiekosten und damit Mieten. Denn anders als Vattenfall schickt sie keine Rechnung.
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