von: Urs Heinz Aerni
11. April 2016

Ethik oder Ästhetik?

Frau Katja Hachenberg aus Karlsruhe stellt sich diese Frage: “Was ist wichtiger für die Zukunft der Menschheit: Ethik oder Ästhetik?

© uha - Was ist schön und was brauchen wir?

Kann Ethik hässlich sein? Der Begriff Ästhetik wird definiert durch soziales Umfeld, Erziehung und geprägtes Weltbild. In einem Auengebiet – mäanderndes Gewässer mit phasen- und stellenweise Überflutungen und schiefen oder gar toten Bäumen – stehen zwei Wandersleute und schütteln den Kopf und kommentieren diese Landschaft als hässlich, zerstört, unwirklich oder gar öde. Aber dass genau hier eine hohe Biodiversität herrscht mit dynamischer Entwicklung für Flora und Fauna und großer Bandbreite von Lebensformen, wissen die beiden vielleicht nicht, weil sie sich lieber einen schönen Park vorstellen, mit grünem und kurzgeschnittenen Rasen, kanalisiertem Bächlein und da ein zurechtgestutzter Strauch und dort ein schöner Baum mit womöglicher exotischer Herkunft.

Woher stammen die Vorstellungen von Ästhetik, die jedoch den Naturgesetzen widerspricht? Wieso kann das Schöne falsch sein und der Ethik schaden, wenn sie darunter verstanden wird, dass alle Lebensformen auf dieser Erde eine ihr würdigen Daseinsberechtigung haben sollen? Wenn die Ethik auf dem Wissen der Exsistenzgrundlage aller Lebewesen ruht, dann müsste die Ästhetik an vielen Orten neu definiert werden. Aber die Deformierung einer Ästhetik, die gegen die Gesetze der Natur verstößt, hat ja auch einen Nährboden, bloß welchen?

Urs Heinz Aerni

Das Buch zum Thema: Hanno Rauterberg: Die Kunst und das gute Leben. Edition Suhrkamp, 9783518126967 Seitenzahl: 206