von: Urs Heinz Aerni
30. September 2020

«Es gibt schon fast drei Schönholzers»

Der Kabarettist Markus Schönholzer ist mit seinem Programm «Schönholzer & Schönholzer» auf Tour und gibt Auskunft über seine Arbeit und seine zwei Ansichten der Welt.

© Adrian Elsener - Markus Schönholzer

Urs Heinz Aerni: Wie gelang Ihnen die Persönlichkeitsspaltung, die andere eher zu vermeiden suchen?

Markus Schönholzer: Die vollendete Persönlichkeitsspaltung habe ich natürlich nur auf der Bühne vollzogen. Privat gibt’s nur einen Schönholzer. Sie können gerne bei mir zuhause nachzählen. Und doch interessiert mich auch privat die Zerrissenheit zwischen Gewissen und Handeln, unseren Absichten und Taten. Es ist ein Krampf in der globalisierten Gesellschaft ein bewusstes, umweltschonendes, menschenfreundliches, tierliebendes Leben zu führen. Da kommt es oft zum inneren Dialog.

Aerni: Nach der Premiere in Zürich kam die coronabedingte Zwangspause. Wurde sie genutzt, um noch weiter am Programm zu schleifen? Oder gab es gar noch entsprechende inhaltliche Veränderungen? 

Schönholzer: Natürlich habe ich weitergearbeitet! Das lässt sich irgendwie als begeisterter Bühnenschaffender nicht ganz vermeiden. Inzwischen ist der Bühnen-Schönholzer noch zerrissener. Aus den zwei Schönholzers sind derweil schon fast drei Persönlichkeiten geworden. Wenn das so weitergeht, kann ich bald eine eigene Theatergruppe gründen.

Aerni: Sie spielen unterschiedliche Perspektiven und Charakteren. Zählen Sie sich eher zu nicht so entschlussfreudigen Zeitgenossen und hilft dieser innere Dialog am Vorwärtskommen?

Schönholzer: Gerne würde ich jetzt sagen, dass ich ein tatenfreudiger Zeitgenosse bin, der die Sachen anpackt und schnell löst. Aber leider gibt es in mir diesen sehr grossen Zauderer und Hinterfrager, der mich im Alltag ausbremst. Der liefert manchmal so unglaublich fiese Ausreden, warum man eben jetzt doch lieber nichts machen sollte. Und so bleibt dann der Bettel vor lauter inneren Dialog liegen.

Aerni: Ihr Gitarre begleitet Sie beim lauten Nachdenken auf der Bühne. Ab wann kommt das Instrument bei der Erarbeitung der Texte zum Einsatz?

Schönholzer: Manchmal gumpt eine Melodie aus mir heraus, samt Gitarrenbegleitung. Vom Text habe ich dann nur eine vage Ahnung. Und manchmal feile ich tagelang an meinen Worten, ohne die Gitarre in die Finger zu nehmen. Es gibt unzählige Arten ein Lied zu schreiben. Jedes Lied ist zuerst ein Rätsel, das gelöst werden will. Darum macht uns Schönholzers das Liederschreiben auch nach Jahren sehr viel Spass.

Aerni: Im Radio Kanal K war der Kommentar zu hören, dass Sie mit Ihrer Lakonie an Mani Matter erinnern lässt. Was meinen Sie dazu?

Schönholzer: Lieber die Lakonie vom Matter, als den Schnauz, möchte ich da sagen. Nein, im Ernst, da ist schon was dran. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich die Lebensperspektive des Herrn Matter nicht faszinieren würde. Ich bin 1973 in die Schweiz gekommen und habe erst dann Deutsch gelernt. Matter war damals mit elf Jahren meine Mundart-Muttermilch.

Aerni: Was dürfen wir dem einen und dem anderen Schönholzer wünschen?

Schönholzer: Gesundheit, offenen Bühnen und ein grosses Publikum. Beide Schönholzers haben das wirklich nötig.

 


 

Markus Schönholzer, geboren 1962 in Buffalo, New York, ist ein musikalischer Entdeckungsreisender, der Genregrenzen souverän ignoriert: So schreibt er Werke für Shows, Theater, Musicals, Film und Tanz. Seine Arbeiten mit diversen Rock- und Jazzformationen wurden 1999 mit dem Werkjahr der Stadt Zürich ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit mit den Regisseuren und Autoren Charles Lewinsky, Werner Düggelin, Hannes Glarner, Andri Beyeler, Niklaus Helbling, Sibylle Berg, Stefan Huber und Paul Steinmann führte den Komponisten und musikalischen Leiter quer durch die freie Theaterszene, zu den Salzburger Festspielen, sowie an die grossen Theaterhäuser in Köln, Berlin, Hamburg, Basel und Zürich.

Web: http://markus-schoenholzer.ch/