von: Simone Klein
1. März 2017

Emanzipation im 19. Jahrhundert: Otto Flakes „Hortense oder Die Rückkehr nach Baden-Baden“

Simone Klein las das Buch.

© S. Fischer Verlag

Alleinerziehend, fünf Partnerschaften, kurzfristige Liaisons und abgelehnte Heiratsanträge nicht mitgerechnet, in Amerika und halb Europa gelebt, wohlhabend und Cosmopolitan: Die Protagonistin aus „Hortense oder Die Rückkehr nach Baden-Baden“ wäre heutzutage ein gefragter Talkshow-Gast. Nun hat aber Otto Flake, selbst geboren 1880, seinen Roman in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts verlegt und damals galt ein solcher Lebensstil definitiv als extravagant und skandalös.

Unter wirtschaftlicher Not leidet die junge Adlige nicht, da ihr familiärer Stand sie zeitlebens absichert. Doch begibt sie sich nach der ersten Ehe in keine vertragliche Abhängigkeit mehr, sondern lebt eigenverantwortlich und selbstbestimmt.

Hortense bricht aus der Vertrautheit und Enge ihrer Familie in jungen Jahren aus und verlässt die badische Heimat Richtung Amerika, wo sie ihren Ehemann verliert und allein für ihre Tochter sorgen muss. Nachdem sie eine Zeit lang noch standesgemäß mit dem Schwager zusammenlebt, gestalten sich die nachfolgenden Partnerschaften für damalige Verhältnisse als immer exotischer. Liaisons mit Geschäftsleuten und einem heiratsschwindelnden Schauspieler begleiten sie nach Brüssel, London, Paris und in die Schweiz. Ihre längste Beziehung hält in Baden-Baden.

Es sind nie die Männer, denen Hortense hinterherreist, sondern stets ihre Geschäfts als Privatière. Eigene Interessen prägen ihr Handeln und zahlreiche Schicksalsschläge ihr Leben. Ihre letzten Jahre verbringt sie allein mit der Tochter.

In der Hortense-Figur beschreibt Otto Flake einen Ausschnitt seines eigenen Lebensstils. Der in Metz geborene Schriftsteller wuchs im Elsass auf und reiste viel. Nach seinem Studium in Straßburg lebte er unter anderem in Brüssel und Berlin, in Zürich, nachdem er aus Südtirol ausgewiesen wurde, und schließlich, ab 1928, in Baden-Baden. Fünf Ehen mit vier Frauen prägen seinen Roman ebenso wie geschichtliche Ereignisse. Nach Flakes Geburt war der deutsch-französische Krieg noch nicht lange vorbei und in der elsässischen Heimat orientierte man sich immer weiter Richtung Frankreich. Baden, politisch verbündet mit dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens, nahm durch seine geographische Nähe zu Frankreich eine kulturelle Sonderstellung ein.

Literaturgeschichtlich lokalisiert Flake seine Hauptfigur in die Krise des bürgerlichen Subjekts und lässt sie im Umfeld von Iwan Turgenew, Pauline Viardot, Clara Schumann und Johannes Brahms in Baden-Baden agieren. Flake selbst bewegte sich einige Jahrzehnte später im Dunstkreis Thomas Manns, Stefan Zweigs und Gerhard Hauptmanns, konnte jedoch Ansehen und Wohlstand nicht halten. Als der Roman „Hortense oder Die Rückkehr nach Baden-Baden“ 1933, ein gutes halbes Jahrhundert später erschien, begann die NS-Diktatur in Deutschland, die dem liberal einstellten Flake zum Verhängnis wurde. Die Kriegsjahre zogen Krisenjahre nach sich und versetzten ihn in Armut und Depression. Erst in den 50er Jahren rückt er durch den Johann-Peter-Hebel-Preis und nachfolgend durch die Neuauflage einiger Werke wieder ins Blickfeld der Literaturszene. Als er 1963 stirbt, überlebt ihn seine Tochter wie Valentine ihre Mutter Hortense.

Das Schicksal der fiktiven, gesellschaftlich non-konformen Figur, die, ebenso wie der Autor,  ihren eigenen Idealen treu bleibt, erinnert ein wenig an die Frauenromane von Fontane, wenngleich etwas strenger und unnachgiebiger im Stil. Der lesenswerte Entwicklungsroman ist derzeit im Handel als Taschenbuch zu beziehen.

Simone Klein

Bibliographie: Flake, Otto: Hortense oder Die Rückkehr nach Baden-Baden. Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag: 2005. ISBN: 978-3-596-16635-0.

Simone Klein lebt als Autorin in Baden-Baden. Besuchen Sie ihre Website…