von: Urs Heinz Aerni
30. April 2016
© Cover Buch
Urs Heinz Aerni: Warum dichten Sie zu Bildern? Passt die Lyrik zur Bildenden Kunst?
Nana Pernod: Ja, beiden ist vieles gemeinsam. Sowohl die Lyrik als auch die Malerei, drücken sich in Metaphern aus. Wir finden weder im Bild noch im Gedicht ganze Sätze, die 1:1 den Inhalt wiedergeben. Das Gedicht hat in der Regel eine starke Bildsprache, der Leser sieht Bilder, es hat einen Rhythmus, eine Melodie. Das Bild seinerseits hat auch seinen Rhythmus, seine Bildsprache, seine Melodie, die der Betrachter dann wiederum in seine Sprache übersetzt. Diese Gemeinsamkeit ist es, die nicht nur mich aber auch andere animiert, Lyrik und Malerei gegenüberzustellen.
Sie pendeln selber als Künstlerin zwischen Bild und Text, war reizt Sie an der Arbeit mit der Sprache?
Seit der Kindheit beschäftige ich mich mit der Sprache. Erst später kam das Zeichnen und Malen hinzu. Im Gymnasium verfasste ich viele Gedichte und zeichnete viel. Im Studium überwog meine dichterische Ader, ich publizierte auch einige Gedichte in Genf. Sprache blieb mein berufliches und persönliches Steckenpferd. Lyrik ist für mich wie die Malerei: ein zu entdeckendes Geheimnis.
Während andere Krimis und Liebesromane schreiben, setzen Sie sich mit Lyrik auseinander…
An der Lyrik fasziniert mich die sprachliche Gestaltungsmöglichkeit, der Ausdruck des Unvollständigen, der sich beim Leser zu seinem eigenem Ganzen vervollständigt. Genau dasselbe fasziniert mich in der Malerei: der Betrachter malt das gesehene Bild weiter und stellt es für sich fertig.
Sie arbeiten und leben in seit kurzem in den Bergen, in der Südostschweiz, hat Ihnen die Stadt Zürich nicht genügend Inspiration geliefert ? Trotzdem lieben Sie immer noch Städte wie Paris und Venedig…
Als Mensch liebe ich den Süden und die Berge. Beides ist ein Teil von mir. Die Schweiz inspiriert mich in ihren unendlich weiten und atemberaubenden Berglandschaften. Venedig ist für mich die innere Heimat, der Hafen, das Licht, wo ich aufbrechen sowie ein- und ausatmen kann. Der südliche Duft von Lavendel, Thymian, Olivenöl- die sommerliche Mittagshitze, der schwebende Atem, die melodische Sprache des Südens klingen in mir wieder … die Bergwelt der Südostschweiz vereint einige dieser Aspekte auf wunderbare Weise.
Das klingt nach einer Sehnsucht nach dem Süden… Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie mehr Ideen und Wünsche haben, als dass sie realisierbar wären? Und wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Kunstschaffen ist ein nie endender Prozess. Es fließt, ich arbeite. Ich kann aufhören und an einem anderen Tag beginnen, ich kann hier und dort arbeiten. Zudem weiss ich immer, dass ich nicht die letzte Idee verarbeitet habe. Ein Leben lang kommen neue Eingebungen, Eindrücke, Ideen; alles ist Austausch des Ich mit der Umgebung. Darum gebe ich allen Inhalt auch immer weiter und verstehe es nicht, warum in der Kunstwelt viele mit ihren Ideen geizen, entweder die Dinge fliessen oder man hatte nur diesen einen Einfall im Lebe. Alles auf einmal wiedergeben ginge gar nicht und fasziniert mich nicht.
Also eher das stete Schaffen…
Das ruhige, beständige Dahingleiten und Gebären von Kunstinhalten ist eher der Spiegel meines Schaffens und meiner Persönlichkeit.
Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft für die Kunst?
Kunst arbeitet mit Inhalt und stellt diesen fast unentgeltlich zur Verfügung. Dahinter steckt ein lebenslanges Lernen, Erkennen, Umsetzten, eine Fertigkeit, ein Können, alles Dinge die zu einer Profession, Professionalität gehören. Ich wünsche mir, dass Kunst und Kunstschaffende als professionelle Berufsleute wahrgenommen und geachtet werden und zwar auch hier im Finanzplatz Schweiz.
Die Kunst mehr in den Alltag bringen?
Richtig, ich wünsche mir, dass die Kunst mit ihrer Aussagekraft Eingang in den Lehrplan der Volksschule finden und fest im Allgemeinwissen der Bevölkerung verankert werden. Interesse kann nur durch Wissen erweckt werden.
Nana Pernod wohnt in der Spüdostschweiz, studierte in Genf und Zürich u. a. Kunstgeschichte. Die Auslandsaufenthalte in Salamanca (E), Cambridge (GB), Chicago (USA) und Montreal (CDN)) prägten ihre Arbeiten. Sie publiziert Fachartikel in den Bereichen Kunst, Architektur und Wissenschaft sowie arbeitet als Malerin und in der Forschung. Ihr Buch «Blutend leicht, menschlich‘ Herz» umfasst Gedichte zum Bildzyklus des Zürcher Künstlers Ferdinand Seiler.