von: Urs Heinz Aerni
17. November 2017

Die letzte Pointe und wir

© Langfilm Zürich

Plötzlich wusste ich nicht, ob ich weitermachen kann. Das war oben auf der Heide in diesem Sommer. Die Wanderung war nicht mal so schwer. Nach einer Pause auf einer Bank mit Blick zum Scalottas (ein Berg in Graubünden) wollte ich wieder losmarschieren und da kam dieser Stich im Knie. Langsam versuchte ich die nächsten Schritte, es ging, tat aber weh. „Unbedingt einschmieren, mit diesem Gel“, sagte Monika und nahm in der Drogerie eine Tube aus dem Regal. Das Knie ist erst seit 56 Jahren in Betrieb und schwächelt schon?

Oder kennen Sie die Situationen bei Gesellschaft in einem Restaurant, dass man sich hörtechnisch sich plötzlich ausklinkt, wenn alle anderen heftig durcheinander debattieren und man nicht mehr weiß, wo zuhören? Dass wir alle durch diese Phase des Lebens müssen, könnte ein Trost sein, muss aber nicht. Altersgebrechen, Angst vor Demenz und die Frage, wie man mit Würde von dieser Welt gehen möchte, rollen schneller auf uns zu, als wir es realisieren und durch Urlaubsplanung und zu viel Arbeit es vor uns herschieben. Neulich saß ich im Kino, eine junge Dame neben mir lachte regelmäßig laut und herzlich, dabei geht es im Film um eine alte Lady, die wegen geheimnisvoller E-Mails in der Angst lebt, dement zu sein. Sie steigerte sich dergestalt hinein, dass die ganze Familie um sie herum in Verzweiflung gerät. Die Enkelin sorgt sich, der Sohn schielt auf ihr großes Haus, die Tochter will sie zum Umzug überreden. Ein Gentlemen mit Blumenstrauß vor ihrem Haus bringt die sympathische alte Dame vollends aus dem Häuschen. Während des Films lachte die junge Frau nicht mehr alleine, ich machte mit. Es gibt auch ein Erkennungslachen, bei Szenen, die einem so vertraut sind, so typisch für unser Leben heute. Wie es ausgeht, sei hier nicht verraten, denn der Film heißt auch „Die letzte Pointe“ von Rolf Lyssy. Ein Film mit Herz und in der Tat, mit einer nicht erwartbaren Pointe. Gehen Sie hin, lassen Sie sich zum Denken über das eigene Lebensfinale anregen und vor allem, genießen Sie das Lachen.

PS: Nach der Zürcher Premiere appellierte der Filmemacher im vollen Kino, wie wichtig es für den Schweizer Film sei, dass das Volk bei No Billag Initiative richtig abstimme. (In der Schweiz wird die Bevölkerung über die Unterstützung des Öffentlich rechtlichen Rundfunks SRG abstimmen)

Urs Heinz Aerni

Der Film „Die letzte Pointe“ u. a. mit Monica Gubser, Delia Mayer, Suly Röthlisberger, Peter Jecklin, Anikó Donath, Elisabeth Schnell, Graziella Rossi läuft jetzt in den Schweiz Kinos.

Der Beitrag erschien auch in der Zeitung Bündner Woche