von: Urs Heinz Aerni
5. Juni 2017

Die Krux mit dem BZ und das Überleben im Schweizer Buchmarkt

Georg Freivogel ist Inhaber der Buchhandlung Bücher-Fass in Schaffhausen, gibt Auskunft über das Los als BZ-Genossenschafter und seine beruflichen Herausforderungen.

© Bücher-Fass: Georg Freivogel

Urs Heinz Aerni: Das Buchzentrum BZ (AG) gehört in der Schweiz zu den größten Auslieferungen und Grossisten für den Buchhandel. Der operative Teil funktioniert als AG, die in einer Infrastruktur einer Genossenschaft eingebettet ist. Herr Freivogel, Sie sind ein langjähriger Genossenschafter. Ein bewährtes Modell, oder?

Georg Freivogel: Als Genossenschafter hat man zu dem für den Buchhandel wichtigen Auslieferer und Grossisten „Buchzentrum BZ (AG)“ nur noch marginal etwas zu sagen, weil die Buchhandlungen nicht Aktionäre dieser Firma sein können. Als Genossenschafter dürfen wir aber ein paar Vertreter in den Verwaltungsrat dieser AG bestimmen…

Aerni: Das BZ beliefert auch Großkunden wie Reisebüros, die wiederverkaufen oder Discounter. Einerseits nachvollziehbar fürs eigene Überleben, andererseits irritierend für die Fachhändler, die Genossenschafter sind. Wie schätzen Sie diesen Umstand ein?

Freivogel: Im Märchen hieße es: Es gab einmal eine Zeit, da belieferte das Buchzentrum, – damals noch die Auslieferung und das einzige Barsortiment in der Schweiz – ihre Eigentümer, die Genossenschafter, zu bevorzugten Konditionen. Sie mussten dafür allerdings auch Anteilscheine in nicht unbeträchtlicher Höhe zeichnen und einzahlen. Es gab zwar die Möglichkeit für Nicht-Buchhandlungen beim BZ Bücher mittels eines speziellen Vertrages zu beziehen, doch die vertraglich gewährten Konditionen waren mager. Das war vor fünfzig Jahren.

Aerni: Und heute?
Freivogel: Heute möchte jeder sich ein möglichst großes Stück eines Kuchens abschneiden, der bald schon so stark hefehaltig ist, so dass er ungenießbar zu werden droht. Kurz: Wer den Buchhandel als Markt betrachtet, und das sind die meisten, der wird unter diese Marktgesetze gebeugt. Wer diesem Druck nicht stand hält, fällt. Fakt ist heute: Das Buchzentrum will überleben und die Buchhandlungen auch. Jeder muss sich dazu den geeigneten Weg suchen – das Buchzentrum ist ein möglicher Weg, aber heute wohl nicht der beste für die Buchhandlungen.

Aerni: Die größten Konkurrenten für das BZ sind die Auslieferung in Affoltern a. Albis AVA und der Deutsche Grossist KNV, der ja fast alle Buchhandlungen in der Schweiz beliefert. Wie kann sich das BZ künftig positionieren? Welche Maßnahmen wären nötig für die Kundenbindung, sprich Buchhändler?

Freivogel: Wer auf Kunden angewiesen ist, muss sich überlegen, was diese wünschen. Das Buchzentrum versucht heute mit allen Mitteln Lösungen schmackhaft zu machen, die nur dem Buchzentrum dienen. Das wird auf die Dauer nicht von Erfolg gekrönt sein.

Aerni: Kleine Buchhandlungen sehen durch den Kleinmengenzuschlag beim BZ im Nachteil beim eigenen Kundenservice im Vergleich mit den großen Läden. Wie sehen Sie das?

Freivogel: Dieser Kleinmengenzuschlag erhalten nur Nichtgenossenschafter. Es liegt aber in der Hand der Auslieferungsverlage, Großbuchhandlungen stärker zu belohnen. Doch nicht selten sind auch Verlage dazu bereit, kleinere und gar kleine Sortimente mit höheren Rabatten zu belohnen, wenn dies – alles auch in Relation zum Umsatz gesetzt – keine Großkunden sind. Unter Druck gesetzt von einer knappen Handvoll Großkunden, ist die Buchzentrum BZ (AG) wohl auch bereit, auf eigene, bzw. auf Kosten der Genossenschaft, höhere Rabatte auch auf Barsortimentsartikel zu gewähren. Doch das ist meinerseits bloß eine Vermutung; wenn aber ein Geschäftspartner negative Vermutungen anderer Partner nicht glaubwürdig aus dem Feld räumen kann, bleibt ein negatives Gefühl zurück – keine gute Basis für gute Geschäfte.

Aerni: Aber es gibt doch Vorteile für Genossenschafter, nach wie vor, oder?
Freivogel: Absolut marktfern und blind für die Anliegen ihrer Genossenschafts-Kunden ist das Buchzentrum heute mit dem gültigen Bonussystem: Ein Anbieter, der seine Kunden nur dann belohnt, wenn er über 60% des Gesamtumsatzes mit diesem Anbieter macht, ist für mich schlicht inakzeptabel.

Aerni: Zumal es schwierig sein dürfte, von den Unternehmen den tatsächlichen Gesamtumsatz in Erfahrung bringen zu können. Ihre Buchhandlung liegt in der malerischen Stadt Schaffhausen, unweit von der Deutschen Grenze und von der Stadt Singen in Baden-Württemberg. Macht sich das bemerkbar?

Freivogel: Nein. Das Bücher-Fass kann mit seinem Sortiment, das in Breite und Tiefe und auch in der Gestaltung der Preise in der Region keine ernsthaften Mitbewerber hat, auch Kunden aus Deutschland zum Einkaufen begeistern.

Aerni: Bitte?

Freivogel: Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Ich sage damit nicht, dass das Bücher-Fass die umsatzstärkste Buchhandlung der Region ist; das Bücher-Fass ist nur eine Buchhandlung, in der sich für unser Sortiment interessierten Personen aufgehoben und verstanden fühlen – sowohl vom Sortiment wie auch von den Mitarbeiterinnen. Und, dass dieses unternehmerische Konzept nicht nur stabil ist, sondern auch Wachstum zeitigt.

Aerni: Ihr Geschäft ist in Schaffhausen die letzte inhabergeführte Buchhandlung. Andererseits wirken Sie auch als Reiseorganisator, können sich die beiden Geschäftsfelder gegenseitig mitfanzieren?

Freivogel: Vor zwanzig Jahren gab es eine Zeit, da ich mit meiner Buchhandlung ganz nahe am Abgrund stand. Dass sich heute die Situation der Buchhandlung konsolidiert hat und wir gelassen und dennoch wach der Zukunft entgegensehen können, verdanke ich in erster Linie dem überdurchschnittlichen Einsatz meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – und ihrem Vertrauen, andererseits auch dem glücklichen Zufall, dass ich mir 2003 mit Reiseorganisationen in wenig bekannte Weltgegenden ein Feld öffnen konnte, das in der ersten Zeit die Buchhandlung mitzufinanzieren geholfen hat, und die mir heute die Gelegenheit gibt, einerseits eine Teilzeitstelle im Buchhandel zu erhalten bzw. zu schaffen und mir andererseits die Möglichkeit eröffnet, auf einem ganz anderen Berufsfeld spannende und befriedigende Arbeit zu leisten.

Aerni: Tönt erfreulich…

Freivogel: An materiellen Gütern reich wird man in diesen Geschäftsfeldern als Kleinunternehmer nie, wer dies im Sinne hat, möge sich anderswo versuchen. Wenn aber ein Rückblick auf die Herausforderung, in einem mit harten Bandagen geführten Umfeld bestehen zu können, in einem vernünftigen Maß gar erfolgreich zu sein und stets auch noch wirkliche Freude am Beruf zu haben, zur Zufriedenheit ausfällt, dann wird der Horizont keine Linie werden, die einen verunsichern könnte.

 

Info: Georg Freivogel absolvierte in den 1970er Jahren eine Buchhändlerlehre bei Anton Meier in der damaligen Buch- und Kunsthandlung Die Klause in Schaffhausen. 1977 gründete er die die Genossenschaft zum Eichenen Fass und die Bücher-Fass-Genossenschaft mit, wo er bis 1980 die Geschäftsleitung innehatte. Nach Auslandsaufenthalten trat er 1984 wieder in die Geschäftsführung der Bücher-Fass-Genossenschaft ein. 1990 wurde die Genossenschaft aufgelöst und Freivogel übernahm das Geschäft als Einzelfirma. Seit 2003 bietet er mit Tian Shan Tours kleine Gruppenreisen nach Zentralasien, in den Iran und Lateinamerika an. Heute führt die Buchhandlung ein allgemeines Sortiment mit drei Mitarbeiterinnen.

 

Buchhandlung Bücher-Fass
Georg Freivogel
Webergasse 13
CH-8200 Schaffhausen
Tel +41 (0) 52 624 52 33
info@buecherfass.chwww.buecherfass.ch