Urs Heinz Aerni: „Single“ ist heutzutage ein großes Wort und der Titel Ihres Programms. Wo wollen wir anfangen?
Reeto von Gunten: Bei der Musik. Die Single war meine erste Möglichkeit, genau jene Musik zu hören, die ich hören wollte. Sie konnte für fünf Franken bei Radio Moser erstanden und zuhause so lange repetier-gehört werden, bis meine Eltern genug hatten. Erst Jahre später wurde mir bewusst, dass ich selber auch ein Single war.
Aerni: In der Tat, das waren Zeiten. Doch so ganz single stehen Sie nicht auf der Bühne, die Multimedia-Technik gibt Ihnen etwas Rückendeckung, oder?
Von Gunten: Stimmt. Zweimal gibt’s technischen Rückhalt. Aber am eindrücklichsten sind all die Figuren, die während der Lesung in den Köpfen des Publikums entstehen. Das bekommt man mit keiner Technik der Welt hin.
Aerni: Sie betreiben in Zürich das „Atelieer“, mit dem „Geschichten für Kunden, Kultur und Kommerz“ erzählt werden. Kann man immer so klar zwischen diesen Bereichen die Grenze ziehen?
Von Gunten: Nein, eigentlich ist alles Kunst, was wir tun. Wir passen sie einfach dem jeweiligen Anwendungsbereich an. Aber eine Geschichte so zu erzählen, dass sie in Erinnerung bleibt und weitererzählt wird, das ist eine große Kunst.
Aerni: Sie leben von und für die Idee, Motivation und den Humor. Was steht meistens ganz am Anfang Ihrer Arbeit?
Von Gunten: Die Idee. Ohne Inspiration bin ich aufgeschmissen. Doch sie ist ein fragiles und launisches Wesen, sie kommt, wann’s ihr passt – und das ist meistens zu einem unpassenden Moment. Dann, wenn ich sie nicht festhalten kann, zum Beispiel. Die letzte Geschichte in Single handelt genau davon.
Aerni: Wenn Sie in Affoltern am Albis, in Lenzerheide oder in Liestal auftreten, wie muss man die Justierung Ihrer Vorbereitung vorstellen?
Von Gunten: Der Auftritt beginnt mit der Anreise. Weg und Ankunft hinterlassen Eindrücke, die ins Programm einfließen. Der eigentliche Auftrittsort, die Bühne, die Ambience und vor allem die Menschen, die vor Ort arbeiten, tragen alle zum Gelingen des bevorstehenden Abends bei. Doch am meisten leistet das Publikum, das sich auf das Gebotene einlässt, eigene Eindrücke und Erkenntnisse schafft und sie weiterträgt. Ohne Publikum wär’s bloß ein Mann, der laut liest.
Aerni: Wenn Sie den Abend retten müssten, was wäre dazu Ihr Joker?
Von Gunten: Ich würde eine Geschichte erzählen. Das funktioniert immer.
Reeto von Gunten (1963) ist Autor und Radiomoderator (SRF3) und steht seit 2003 als Erzähler auf Bühnen. Mit seiner „Stimme, mit der man Räume heizen kann“ (BernerBund) hat er sich ein ständig wachsendes Publikum geschaffen und im Stück „Single“ wirft er seinen eigenwilligen Blick in die Welt der Musik. Reeto von Guten betreibt mit Kolleginnen und Kollegen in Zürich das „Atelieer“, das Geschichten für Kunden, Kultur und Kommerz schreibt und erzählt. Mehr Infos: www.atelieer.ch