von: Urs Heinz Aerni
19. Mai 2016
© C.F. Portmann Verlag
Sie sinnieren, so scheint es, durch die Sprache übers Leben und das Drum herum und haben sich für die lyrische Form entschieden. Warum?
Andreas Moser: Mich interessiert alles Alltägliche, dabei stehen „Du und Ich“ im Zentrum meines Dichtens. Alles weitere leite ich allenfalls daraus ab oder darauf zurück. In der Prosa hieße mein Thema „Sie und Er“, die Perspektiven sind dort vielfältiger und offener. Mir gefällt die lyrische Beschränkung in Raum und Zeit.
Sie schreiben über Empfindungen, eigene Gedanken; öffnet das Arbeiten mit der Sprache gewisse mentale Krusten, die im Alltagsleben entstanden sind?
Moser: Der therapeutische Effekt des Schreibens ist nicht zu verleugnen. Auch ich schreibe mir manchmal etwas von der Seele. Dies ist nicht die schlechteste Möglichkeit, der eigenen Lebenskraft einen Weg nach draußen zu verschaffen. Im besten Fall ist es exemplarisch über das hinaus, was mich persönlich beschäftigt. Das Verfassen von Gedichten bleibt etwas Subjektives und sehr Intimes.
Was würde für Sie fehlen, wenn es die Poesie nicht gäbe?
Moser: Ohne Poesie fehlte mir ein Stück Heimat. Hier finde und gebe ich Verständnis. Vielleicht gilt das ganz allgemein für die Sprache. Im lyrischen Zwiegespräch verkörpert der Text das Du. Es gibt nicht auf alles einen Reim. Doch ohne Reime und Rhythmen gehen Klänge und Resonanzeffekte verloren, die den besonderen Reiz dieser literarischen Kurzform ausmachen und ihr zu einer zusätzlichen Bedeutungsebene verhelfen.
Beschreiben Sie mir Ihre Vorgehensweise beim Verfassen. Skizzieren Sie zuerst oder fliegen schon mal fertige Kompositionen mit Hilfe der Musen an?
Moser: Ausgangspunkt kann eigentlich alles sein oder nichts, auch gleichzeitig. Nie stimmt der erste Wurf. Ich arbeite an meinen Gedichten ohne die Gewissheit, jemals eine Endfassung erreicht zu haben.
Wie beeinflusst das mechanische Schreiben die Textgestaltung? Mit anderen Worten, gibt es Vorlieben zwischen dem Schreiben von Hand oder am Computer?
Moser: Ich bevorzuge Papier und Bleistift. Die Gestaltung eines kleinen Gedichtes ist nicht zu vergleichen mit jenem Aufwand, der für eine Erzählung oder einen Roman geleistet wird. Ich kann mir kaum vorstellen, das heute ohne technische Hilfsmittel zu bewerkstelligen oder wie das früher die großen Klassiker gehandhabt haben.
Hegen Sie Vorstellungen oder gar gewisse Erwartungen an den Lesenden Ihrer Texte? Oder wie könnte man an die Gedichte herangehen?
Moser: Mein Leser überfliegt den Text und bleibt spontan an einer gefälligen Zeile hängen. Keiner kämpft sich Wort für Wort vor. Es muss unterhaltsam sein, das ist der Anspruch an die veröffentlichten Gedichte. Ich wünsche mir Leser, die sich ein paar Augenblicke Zeit nehmen. Gedichte passen in jede Frauenhandtasche. Kein Männerstress der Welt ist groß genug, um Gedichte aus unserem Leben zu verdrängen.
Färbt Ihre lyrische Ader nebst beim Schreiben auch sonst im Leben irgendwie oder irgendwo ab? Oder schreibt ein anderer Moser, als derjenige im Büro, Stau oder beim Einkaufen?
Moser: Schreiben ist Denken, manchmal Mitteilen. Natürlich trage ich stets den gleichen, verwechselbaren Namen. Aber ich bin nur ab und zu in der Lage, mich schreibend mitzuteilen. Hohe Qualität ist erkennbar, denke ich, sie ist unverwüstlich. Gute Musik, ein spannender Film oder ein gelungenes Bild sind sofort attraktiv. Darin offenbart sich die ästhetische DNS der Menschheit. In seinem Bereich so etwas bewirken zu können, das wäre das höchste der Gefühle.
Andreas Moser
Und weniger nette
Gedichte
80 Seiten, Hardcover
C. F. Portmann Verlag
ISBN 978-3-906014-17-3