von: Urs Heinz Aerni
12. Juli 2019
© Jürg Halter Pressebild juerghalter.com
Urs Heinz Aerni: Die Kraft der Sprache ermöglicht…
Jürg Halter:Persönlich: Dass ich u.a. ohne aufzustehen, aufstehen kann und ohne zu reden, sprechen kann und im Allgemeinen, bislang, verhindert die Sprache, dass mein Kopf ex- oder implodiert. Im Allgemeinen: Durchaus alles Gute und Böse.
Aerni: Mein Lieblingsschreibort ist:
Halter:Der Schatten, der mir folgt. Ihn schreibend zu erfassen und gleichwohl loszuwerden, je nach Lebensform. Nicht zu verachten sind zudem Bahnrestaurants, Cafés und Hotels mit Seesicht.
Aerni: Der Lesende darf meine Bücher…
Halter:Brauchen um daraus Möbel zu bauen. Papierflieger sind auch erlaubt. Wäre aber noch schöner, wenn die Leserin oder Leser mir anschaulich mitteilt, was sie oder er gelesen hat. Damit ich zunehmend rausfinde, was ich eigentlich geschrieben habe. Oder zumindest auch geschrieben habe.
Aerni: Eine Welt ohne Bücher würde…
Halter:Mich traurig machen. Wie eine Welt ohne Bäume. Andererseits: Wenn ich nichts von Büchern wüsste, wäre ich wohl glücklicher, denn ich wüsste viel weniger von der unbesiegbaren Ungerechtigkeit in der Welt.
Aerni: Die Fähigkeit des Lesens ermöglicht…
Halter:Zu erkennen, was man ahnt, zu lernen, was man nicht für möglich hielt, Perspektiven einzunehmen, die einem unvertraut sind, in einer reicheren Welt anzukommen, zur Wahrheit vorzudringen. Die falschen Bücher und die fehlende Distanz zu diesen und somit auch zu einem selbst, können selbstverständlich auch das Gegenteil bewirken.
Aerni: Die Arbeit mit Sprache und Geschichten bedeutet für mich…
Halter:Antwort: Atmen. Aufräumen. Klären. Auskotzen. Abregen. Heimat. Weitersuchen.
Jürg Halter, 1980 in Bern geboren, wo er meistens lebt. Halter ist Schriftsteller, Lyriker, Musiker und Performancekünstler. Er gehört zu den bekanntesten Schweizer Autoren seiner Generation und zu den Pionieren der neuen deutschsprachigen Spoken-Word-Bewegung. Studium der Bildenden Künste an der Hochschule der Künste Bern. Regelmäßig Auftritte in ganz Europa, in den U.S.A., in Afrika, Russland, Südamerika und Japan. Zahlreiche Buch- und Musik-Veröffentlichungen, sowie Arbeiten fürs Theater. Sein letzter Gedichtband „Wir fürchten das Ende der Musik“ (Wallstein Verlag, 2014)wurde von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zu den besten Gedichtbänden 2015 gekürt und ins Spanische, Russische und Italienische übersetzt. Immer wieder kommt es zu Zusammenarbeiten mit Musikern und bildnerischen Künstlerinnen.Über Halters Romandebüt, „Erwachen im 21. Jahrhundert“ (Zytlogge Verlag, 2018),sagte Jean Ziegler: «Ein absolut faszinierendes Buch. Halter ist eine großartige neue politische Stimme.»
Letzte Veröffentlichungen:
– „Wir fürchten das Ende der Musik“ (Wallstein Verlag, Göttingen, 2014), Gedichte
– „Das 48-Stunden-Gedicht“ mit Shuntaro Tanikawa (Wallstein, Göttingen, 2016), Kettengedicht, deutsch-japanisch
– „Erwachen im 21. Jahrhundert“ (Zytglogge Verlag, Basel 2018), Roman