von: Jörg Sundermeier
19. August 2015

Das 20. Programm des Weidle Verlag

Der Weidle Verlag in Bonn präsentiert sein 20. Programm. Aus diesem Anlass schrieb Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag in Berlin ein Grußwort, das wir hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen.

© Weidle Verlag Bonn

 

Es war vor fünfzehn Jahren, als mir das erste Buch aus dem Weidle Verlag in die Hände fiel – der autobiographische Roman Ein Stück Malheur von Jörg W. Gronius, ein sehr gut geschrie- bener Text, der Auftakt einer Trilogie, die mir die Nachkriegs- geschichte Berlins verständlicher machte, mir also jenen Ort näherbrachte, an den ich erst vor wenigen Jahren gezogen war.

Daß der Roman so gut war, lag, wie ich als Verleger wußte, auch daran, daß er gut und einfühlsam lektoriert worden ist. Was viele nicht wissen und nicht wissen können – besteht doch die Aufgabe des Lektors nicht zuletzt darin, am Ende, ist das Buch gedruckt, verschwunden zu sein und alles Lob für die Struktur, den Sound, die Formulierungen und selbstverständ- lich auch die Umsetzung der Dudenvorschriften ganz allein dem Autor oder der Autorin zukommen zu lassen.

Doch nicht allein der Text war faszinierend, mir fiel damals auch auf, wie liebevoll das Buch selbst gearbeitet war. Gutes und angenehmes Papier wurde verwendet, das Satzbild und die verwendete Schrifttype waren schön anzusehen, das Buch war fadengeheftet, und auf dem Schutzumschlag war ein schönes, sprechendes Foto abgebildet, das mit der Titelei eine auffällig stimmige Bild-Wort-Kombination abgab.

Ich begann also, mich für diesen Verlag aus dem eher beschaulichen Bonn zu interessieren. Im Programm fand ich sorgsam gestaltete Bildbände. Ich fand Bücher von Alfred Flechtheim, Zdenka Fantlová, Friedrich Hollaender, Hermann Essig oder der hochinteressanten Wiederentdeckung Salamon Dembitzer. Bücher, die nicht nur für fesselnde Geschichten einstanden, sondern zugleich für eine Haltung – der Weidle Verlag entreißt jene, die von den Nationalsozialisten und ihren Mitläufern zur Emigration gezwungen worden waren, dem Vergessen, man gibt ihnen den Platz, den sie verdient haben, und das eben- falls mit viel Sorgfalt und Energie. Doch nicht nur, daß der Verlag sich auf diese Weise mit der deutschen Geschichte auseinandersetzt, hier wird auch über Sprachgrenzen hinweg geschaut – Romane des Isländers Pétur Gunnarsson erscheinen hier, der Britin Pippa Goldschmidt, der Portugiesin Ana Nobre de Gusmão oder des Neuseeländers Carl Nixon, letzterer wird vom Verleger höchstselbst übersetzt.

Und damit ist man bei Stefan Weidle angekommen, und bei Barbara Weidle, die nicht nur ein Paar sind, sondern partners in publishing – es ist eine Freude, ihnen auf Messen dabei zuzusehen, mit welcher Hingabe und Freude sie ihre Bücher anpreisen, auf die sie zu Recht stolz sind. Sie, die so sorg- fältig arbeiten und nicht auf den Gewinn schielen und die beim Brecht-Wort von der »heiligen Ware Buch« immer zuerst das Heilige sehen, mußten nicht erst einen Band über den Verleger Kurt Wolff herausgeben, damit alle Welt weiß, wessen Geist hier weiterlebt.

Und nicht nur das – Barbara und Stefan Weidle kümmern sich auch mit großer Leidenschaft um Autorinnen und Autoren, deren Werke sie nicht verlegen, ja, sie kümmern sich sogar um andere Verlage, deren Bücher sie, wenn sie sich in diese verliebt haben, mit ebenso großer Hingabe und Freude anpreisen, als hätten sie das Buch selbst verlegt. Das ist in dieser konkurrenzblöden Zeit eine Seltenheit. So begründete Barbara Weidle das Bonner Literaturhaus mit, Stefan Weidle verausgabte sich jahrelang und mit großer Selbstlosigkeit als Vorsitzender der Kurt-Wolff-Stiftung, und er vertrat dabei nicht nur die Interessen der unabhängigen Verlage, nein, als hätte er nicht genug zu tun, initiierte er auch noch den Deutschen Buch- handlungspreis, von dem er die Bundesregierung mit großer Hartnäckigkeit überzeugte.

Und nun, nach 20 Jahren, ist aus den beiden das Feuer noch immer nicht gewichen, im Gegenteil – entschlossen und gut- gelaunt führen sie ihre Verlagsgeschäfte, setzen sich unermüd- lich (sie scheinen wirklich keine Müdigkeit zu kennen) für ihre Autorinnen und Autoren ein und streiten noch nebenher für befreundete Verlegerinnen und Verleger mit den Widrigkeiten eines Kulturbetriebes, der zwar viel über die Künste redet, aber einzig den ökonomischen Erfolg schätzt.

Diesem Unfug lächeln Barbara und Stefan Weidle kampfesmutig entgegen, Tag um Tag. Und weil der Gott der Literatur jene liebt, die an ihn glauben, läßt er ihre Bücher auch zu veritablen Verkaufserfolgen werden. Dafür und nicht nur dafür wiederum werden sie, die mit ihrer Liebe zur Kunst und zur Literatur so verschwenderisch umgehen, von den Buchhand- lungen … –  ach, was sag ich, von der ganzen Branche werden sie geliebt. Und so auch und sowieso von mir. Jörg Sundermeier, Verbrecher Verlag Berlin

Hier finden Sie die Bücher vom Weidle Verlag Bonn…