von: Maurizio Degiacomi, Verein MoMo Wettingen (Schweiz)
15. Oktober 2019
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Liebe Leserinnen und Leser
Am 20. Oktober dürfen wir ein neues Parlament wählen. Die Anwärter*innen auf einen Sitz im National- oder Ständerat strahlen momentan von Plakaten in Stadt und Land. Sie vertreten selbstbewusst ihre wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Positionen. Nur ein Thema findet wenig Beachtung: Unser Geld- und Finanzsystem. Und das, obwohl dessen negative Nebenwirkungen auf die Wirtschaft, Gesellschaft und die Natur wissenschaftlich nachgewiesen und auch im Alltag zu spüren sind.
Aber wieso herrscht dann bei diesem Thema, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, eine fast unheimliche Zurückhaltung in Bundesbern? Ein Grund könnte, neben dem Einfluss der Banken, auch die Sorge um die Unabhängigkeit der Nationalbank sein. Einzelne Amtsträger*innen sollen der SNB keine Weisungen erteilen dürfen. Eine im Grundsatz absolut nachvollziehbare Forderung. Nur leider verkehrt sich der sinnvolle Grundsatz der Unabhängigkeit der Nationalbank dann ins Gegenteil, wenn er als Totschlagargument gegen jeden Vorschlag zur Weiterentwicklung der geldpolitischen Rahmenbedingungen ins Feld geführt wird. Und genau das scheint aktuell der Fall zu sein.
Dabei wäre es wichtig, dass in Bundesbern Politiker*innen Ideen zu nachhaltigen und zukunftsorientierten geldpolitischen Instrumenten und Rahmen-bedingungen entwickeln und thematisieren dürfen. Und dies, ohne Angst haben zu müssen, dass diese sogleich mit dem Vorwurf der Gefährdung der Unabhängigkeit der Nationalbank im Keim erstickt werden und womöglich noch zu einem Reputationsschaden führen. Eine unverkrampfte Diskussion darüber, welche Folgen die heutige Geld- und Finanzpolitik für die Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft hat und was man vernünftigerweise tun kann, um die Probleme zu lösen, wäre in jedem Fall wünschenswert und eine Bereicherung. Gesprächsstoff gäbe es genug:
1. Die Stützung der Konjunktur durch die Geldpolitik in der nächsten Rezession
2. Die Verteilungswirkung der Geldpolitik
3. Die marktverzerrende Wirkung der Geldpolitik
4. Die Chancen und Risiken der Geldpolitik für den Kampf gegen den Klimawandel
5. Geldpolitik und Digitalisierung
Die Modernisierung der monetären Grundordnung
Mit der Vollgeld-Initiative wollte der Verein Monetäre Modernisierung über eine Änderung der Verfassung die Parlamentarier*innen beauftragen, das geldpolitische Konzept zu überarbeiten und neue Richtlinien für die Geldpolitik zu schaffen. Es wäre eine Chance gewesen, die oben genannten Themen strukturiert anzugehen. An dieser Stelle möchten wir uns nochmal bei den Politikern*innen bedanken, die die Vollgeld-Initiative unterstützt haben. Samuel Kulmann (Grosser Rat Kanton Bern) wünschen wir viel Erfolg bei seiner Kandidatur für den Nationalrat.
Indem das Volk die Initiative letzten Sommer abgelehnt hat, wurde die Modernisierung der monetären Grundordnung fürs Erste aufgeschoben. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Es gibt viele Fragen und Probleme, die im Zusammenhang mit unserem Geld- und Finanzsystem immer dringlicher werden. Daher wäre es wünschenswert, dass eine vom Parlament eingesetzte Expertengruppe in der nächsten Legislaturperiode einen Vorschlag erarbeitet, wie die monetäre Grundordnung im Interesse der Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft modernisiert werden könnte.
Wir sind zuversichtlich, dass mit den anstehenden Wahlen vermehrt auch Politiker *innen nach Bundesbern kommen, die erkennen, welche unerwünschten Nebenwirkungen die heutige Geldpolitik hat und bereit sind, dem Thema die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient.
Beste Grüsse,
Maurizio Degiacomi
Geschäftsführer Verein MoMo
P. S.
Da es absehbar ist, dass die Geldpolitik in den kommenden Jahren nochmal stark an Bedeutung gewinnen wird, hat der Verein MoMo das Forum Geldpolitik lanciert. Der Fokus des Blogs liegt auf der aktuellen Debatte rund um die Geldpolitik. Neben diversen Beiträgen von Thinktanks und Partnerorganisationen gibt es einen Medienspiegel, der die wichtigsten Artikel aus den Schweizer und internationalen Medien sammelt. Alle, die sich für Geldpolitik interessieren, können sich ab jetzt schnell und unkompliziert informieren.