von: Wunderhorn Verlag, Heidelberg / Red.
20. Juni 2022

Buchtipp: „Überall Verwüstung. Abends Kino“ von Ré Soupault

"Mit Lesesog erster Güte in eine andere Zeit in ein anderes Süddeutschland und Elsaß. Gut, dass es dieses Buch gibt." Urs Heinz Aerni

© Wunderhorn Verlag

Am 16. Oktober 1951 ist Ré Soupault – nach 1.500 Kilometern Reiseweg – zurück in Basel. Ihr Tagebuch ist die Zeitkapsel einer Reise durch das vom Krieg zerstörte Elsass, Saarland und Süddeutschland.
 Mit einem Velosolex, einem motorisierten Fahrrad, das einen klappbaren Zweitakt-Hilfsmotor besaß, hatte sie sich nach einem Besuch bei Verwandten in Rheinland-Pfalz auf den Weg zu geschäftlichen Terminen nach Stuttgart und München gemacht.

Die Reisegeschwindigkeit des Velosolex lag bei 15 bis 20 Stundenkilometern. Preiswert war es, da eine Zwei-Liter-Mischung aus Öl und Benzin für 300 Kilometer reichte. Es hatte keinen Tacho, keinen Rückspiegel, keine Federung, keine Satteltaschen. Ihr wichtigstes Gepäckstück trug Ré Soupault dennoch stets bei sich: ihre Reiseschreibmaschine. Mit ihr hielt sie ihre Reise fest, die Begegnungen auf der Landstraße, die Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten, ihre Arbeit beim Süddeutschen Rundfunk, die Theaterabende in Stuttgart, bei denen sie Lil Dagover kennenlernte. Ihre herbe Beschreibung Münchens und seiner vollen Biergärten, ihre Landschaftseindrücke zeichnen das Bild eines immer noch zerstörten Deutschlands, das verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Identität ist. Und immer wieder hört sie in sich hinein, von Selbstzweifeln geprägt, was dieser unmenschliche Krieg mit ihr, der Deutschen, der Antifaschistin, durch ihre Eheschließung mit Philippe Soupault zur Französin geworden, angestellt hat.
Das Reisetagebuch einer außerordentlich mutigen Frau, die 1951 auf einem Velosolex das Land erfährt.

Ihre Fahrt führt sie von Basel über Sélestat – Colmar – Saverne – Sarre Union – Sarreguemines – Saarbrücken – Schmelz-Bettingen – Dillingen – Trier – Wittlich – Kirchberg – Bingen – Stuttgart – Ulm – Günzburg – Augsburg – München – Landsberg/Lech – Kaufbeuren – Kempten – Immenstadt – Oberstdorf – Sonthofen – Lindau – Meersburg – Engen – Donaueschingen – Neustadt – Titisee – Feldberg – Lörrach nach St. Louis (bei Basel).

Ré Soupault, geboren 1901 als Erna Niemeyer in Pommern, arbeitete bereits während ihres Studiums 1921-1925 am Bauhaus in Weimar. Über ihren Mann, dem Dadaisten und Filmkünstler Hans Richter lernte sie u.a. Man Ray und Sergeij Eisenstein kennen. 1931 gründete sie in Paris ihr erstes eigenes Modestudio »Ré Sport«. Im Kreis der Pariser künstlerischen Avantgarde traf sie ihren späteren Ehemann Phillipe Soupault. Mit ihm unternahm sie ab Mitte der dreißiger Jahre zahlreiche Reisen durch Europa und Amerika, wo sie seine Reportagen fotografisch begleitete. Seit 1948 wieder in Europa, arbeitete sie als Übersetzerin und Rundfunkautorin. Sie starb 1996 in Paris.

Manfred Metzner lebt als Verleger und Rechtsanwalt in Heidelberg. Er ist Herausgeber der Philippe-Soupault-Werkausgabe und des Werks von Ré Soupault.

»Schmales Buch – Großartiges Dokument. Mit diesen Schlagworten ist erst mal alles über dieses Buch gesagt.« alliteratus blog

»Ré Soupault war nur wenige Wochen in Deutschland unterwegs. Zwischen der Sorge um folgende Arbeitsaufträge, aktuellen Recherchen, Hindernissen mit dem Gefährt und der Wegstrecke schafft sie es ganz beiläufig ein aktuelles Bild Deutschland zu zeichnen, das sie schonungslos dem Leser offeriert. Und es zeigt vor allem wie schnell man sich mit jedweder Situation abfindet bzw. ihr das Beste für einen selbst abgewinnt.« Auserlesen

»Völlig abgefahren. Ré Soupault als Vélofahrerin.« Rhein-Neckar-Zeitung

 

Ré Soupault: „Überall Verwüstung. Abends Kino – Reisetagebuch“, Wunderhorn, 128 Seiten, gebunden, 2022,  ISBN: 978-3-88423-664-2 |